Bei Maischberger: Klingbeil fordert Bürgergeldreform

SPD-Chef Lars Klingbeil wünscht sich für die Rentenabstimmung am Freitag eine eigene Mehrheit. Beim Bürgergeld plädiert er für umfassende Reformen. Von Fabian Kramer

Screenprint: ARD / Maischberger

Der Streit um das Rentenpaket der Bundesregierung hat viel politisches Porzellan innerhalb der Koalition zerschlagen. Unionsfraktionschef Jens Spahn drohte den eigenen Abweichlern unverhohlen mit negativen Konsequenzen bei der nächsten Listenaufstellung. Friedrich Merz sagte ebenfalls im Stile eines Paten in einer Fraktionssitzung: “Ich sehe, wer nicht klatscht.”

Im politischen Berlin brennt also schon vor Weihnachten der Baum. Allerdings hat die Koalition eine Feuerwehrfrau, die der Regierung vorerst den Allerwertesten rettet. Linken-Chefin Heidi Reichinnek verkündete heute, dass sich ihre Fraktion am Freitag enthalten werde. Damit hat die Regierung ziemlich sicher die Mehrheit, selbst wenn alle Kritiker gegen das Rentenpaket stimmen.

An diesem Mittwochabend ist SPD-Chef Lars Klingbeil zu Gast. Natürlich ist der Rentenzoff eines der Gesprächsthemen, aber auch die Fehde zwischen Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas und den Arbeitgebern ist ein Thema. Es ist ein bemerkenswerter Auftritt von Klingbeil. Zwar bleibt er rhetorisch seinem Valium-Temperament treu, aber inhaltlich könnten seine Statements für Zündstoff bei der SPD sorgen. In Bezug auf das Bürgergeld setzt er sich klar von seiner Co-Parteichefin Bas ab. Klingbeil wirbt ganz offen für eine harte Bürgergeldreform.

Abgesehen davon ist der Talk ziemlich öde. Maischberger vermag es nicht, ihren Gästen beizukommen und sie zu grillen. Hoher informativen Mehrwert bleibt aus.

Wegen Reichinnek fallen Klingbeil Felsbrocken vom Herzen

Um möglichst stabil und geräuschlos regieren zu können, bedarf es einer standfesten Mehrheit. So einfach geht das politische Einmaleins. Dass diese Regierung Schwierigkeiten mit einfacher Mathematik hat, beweist neben der gigantischen Verschuldung auch der Umstand, dass die Koalition wohl keine eigene Mehrheit für ihr Rentenpaket zustande bekommt.

Heidi Reichinnek und ihre Linksaußen-Fraktion helfen der Regierung durch ihre Enthaltung aus der Patsche. Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil fällt deswegen ein Stein vom Herzen. “Ich bin wirklich dankbar, wie sich die Linke verhält”, erklärt er. “Für Millionen Rentner wird eine stabile Rente gesichert”, frohlockt der großgewachsene Niedersachse, ohne rot zu werden.

In Wahrheit ist die deutsche Rente so stabil wie ein Tisch mit zwei Beinen, von denen beide angeknackst sind. Durch den demographischen Wandel vergrößert sich in den nächsten Jahren der Steuerzuschuss, den der Bundeshaushalt der maroden Rentenkasse zuschießen muss. Weil die SPD trotz größter Schieflage des Rentensystems weitere großzügige Rentensteigerungen als nötig erachtet, wird das Gesetzespaket zu einer Kostenexplosion führen.

Klingbeil fasst dies so zusammen: “Die Junge Gruppe hat ihre Punkte.” Nur: Diese Punkte der jungen Unionsabgeordneten ignoriert der oberste Genosse weitgehend – aus Machtkalkül. Deutschlands Wahlen gewinnen oder verlieren die Parteien hauptsächlich wegen der Wähler jenseits der 60. Da die SPD ohnehin einen Schwund in ihrer Wählerschaft zu verzeichnen hat, will man es sich mit den verbliebenen Wählern, meist Rentner, nicht verscherzen.

Jeder, der kann, soll arbeiten

Allerdings entdecken in der SPD gerade viele Spitzenpolitiker ihr Herz für die Jusos. SPD-Chefin Bärbel Bas geriet auf dem Juso-Kongress in Mannheim so dermaßen in marxistische Wallung, dass sie deutsche Arbeitgeber zum Feindbild erklärte und die geplante Bürgergeldreform in Frage stellte.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, der seit fast vier Jahren auf keiner Juso-Veranstaltung war, schlägt in der Sendung andere Töne an. “Die Bürgergeldreform ist richtig”, verkündet er. Aus seiner Sicht geht es beim Thema des überbordenden Leistungsbezugs um eine Frage der Gerechtigkeit. “Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten”, stellt Klingbeil unmissverständlich fest. So klar hat das in letzter Zeit kein aktiver SPD-Politiker ausgesprochen. Meistens finden die Genossen noch die ein oder andere Ausrede, warum sich manche Menschen lieber von der Solidargemeinschaft aushalten lassen, als selbst für ihr Auskommen zu sorgen.

Klingbeil sucht an diesem Abend nicht nach Ausreden und legt sogar noch nach. Er meint: “Es gibt auch Totalverweigerer.” Mit solchen Äußerungen macht man sich bei den Jusos definitiv keine Freunde. Juso-Chef Philipp Türmer lässt keine Talkrunde aus, in der er nicht behauptet, dass es so etwas wie Totalverweigerer nicht gäbe oder die Summe der Verweigerer ganz gering sei.

Doch Finanzminister Klingbeil scheint begriffen zu haben, dass man sich mit der Verteidigung von arbeitsscheuen Leistungsbeziehern keine breite Wählerbasis schafft. “Es hat uns geschadet”, gibt er offen zu. Dieser Satz ist bemerkenswert. Jahrelang behaupteten führende Genossen, dass die SPD wegen ihrer Agenda-Politik an Zustimmung verliere. Deswegen hat die Partei alles unternommen, um die Agenda Stück für Stück zu entkernen und den Sozialstaat auszuweiten. Allerdings goutiert der Wähler das nicht. Die Genossen von heute können von Wahlergebnissen eines Schröder nur träumen.

Rückendeckung für Bas

Inhaltlich geht Klingbeil zwar auf Distanz zu Bas, aber in Schutz nimmt er sie trotzdem. Die SPD-Chefin war beim Arbeitgebertag durch eine peinliche Rede aufgefallen, die die Arbeitgeber mit entsprechendem Gelächter quittiert hatten. Bas war deswegen äußerst vergrätzt und bezeichnete die Arbeitgeber auf dem Juso-Kongress als Feinde.

“Es trifft immer Ministerinnen”, kritisiert Lars Klingbeil die lachenden Arbeitgeber. Bei seiner Rede hätten alle freundlich geklatscht, berichtet er. Nun hat er wohl sicherlich in seiner Rede auch nicht gesagt, dass das Rentenpaket die Arbeitgeber nichts kostet, weil es aus Steuermitteln finanziert wird. Der Minister stellt sich dennoch hinter seine Parteigenossin und wirft den Arbeitgebern mangelnden Respekt vor.

Natürlich muss er sich so verhalten. Ihm wird sicherlich klar sein, dass die missglückte Rede und die anschließende Kriegserklärung sehr ungünstig waren. Aber Arbeitsministerin Bas hat in der Partei die Hosen an. Sie wurde mit einem sehr guten Ergebnis gewählt, Klingbeil mit einem sehr schwachen.

Alles in allem ist der Druck an diesem Abend etwas raus. Wirklich in Stress gerät Klingbeil nicht, weil die Linksfraktion der Regierung unter die Arme greift. Trotzdem dürfte es in Zukunft spannend werden, ob bei der Bürgergeldreform alle Genossen so begeistert sind wie der Vizekanzler. Die Koalition steuert wohl auch in Zukunft auf Krisen zu.

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Kommentare ( 42 )

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42 Comments
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Nibelung
11 Tage her

Ein Klingbeil ist doch nicht maßgeblich, wenn man die Gewichtung sieht und ein Schwarzer, der sich in die Abhängigkeit von Sozialisten und Kommunisten begibt taugt nicht viel und macht sie dabei selbst überflüssig und das ist das Ende einer einstmals großen Partei, wo sich zwei Looser gefunden haben um die Welt zu bewegen, wo es nur noch abwärts geht. Wer in Gottes Namen will denn mit ihnen noch etwas zu tun haben, wenn man die Blauen hat, die den Schwarzen entsprungen sind und sich das nicht mehr antun wollen, was da seit Merkels Zeiten fabriziert wurde und die konnte man… Mehr

ashoka
12 Tage her

Jeder, der kann, soll arbeitenIch kann nicht und will nicht!

Privat
12 Tage her

Eine unzensierte Seite schreibt heute –
Die Deutschland Vernichter haben dem ukrainischen Unrechtssystem schon wieder -100 Millionen Euro – deutsches Steuergeld zur Unterstützung der ukrainischen Energieversorgung zugesagt.
Unverschämt – Von allen gute Geistern verlassen – Das Geld wird hier in Deutschland dringend gebraucht. Ich erkenne darin eine weitere Veruntreuung der Steuergelder für einen fremden Krieg, der uns deutsche nichts angeht.

November Man
12 Tage her

Da man es der Union nicht zumuten wollte bei der von ihnen per Parteibeschluss ausgeschlossenen Ex-SED die heutige Linke betteln gehen zu müssen, damit die Union als Koalitionspartner der SPD nicht vollends das Gesicht verliert und die schädliche Koalition der Fehlentscheidungen bestehen bleibt, hat vermutlich die SPD mit den Linken geredet damit die sich enthalten. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Das ist Kartellbildung. Abgeordnete, zu mindestens die der AfD, sind Vertreter des ganzen Volkes und müssen ihre Entscheidungen nach ihrem eigenen Gewissen treffen, nicht nach Aufträgen oder Weisungen einer Partei, Fraktion oder Wählergruppe.   

November Man
12 Tage her

Früher einmal galt die SPD als die Partei der Arbeiter. Aber längst ist die einst so stolze Sozialdemokratie weder Volks- noch Arbeiterpartei – auch wenn sie in der schwarz-roten Koalition so tut, als sie sei zumindest Ersteres. Bei der vergangenen Bundestagswahl entschieden sich gerade mal zwölf Prozent der abstimmenden Arbeiter für die SPD. Gerade die „einfachen Leute“ fühlen sich im Stich gelassen. In Umfragen stimmte fast jeder zweite vormalige SPD-Wähler der Ansicht zu, die Partei vernachlässige die Interessen der Arbeitnehmer. Die neue Heimat vieler Arbeiter und Arbeitnehmer ist mittlerweile die liberal-demokratische AfD. Das macht Hoffnung.  

Traum-Yogi
12 Tage her

Es darf kein Geld für Arbeitsumwillige geben. Aber die arbeitswilligen Arbeitslosen sollten mindestens 30 € mehr pro Monat bekommen.
https://jlt343.wordpress.com

Rasparis
12 Tage her

Die „Reform-Diskussion“ dreht sich -auch bei Tichy- nach altbekannten und eingefahrenen B.R.D.-Zeremoniell wieder einmal um das „Buergeld“ und „Rente“. Von Beamten, Pensionen und Buerokratiemonster und einem absurden „Steuerrecht“ redet niemand – oder nur, als Blendgranate zur ueberleitenden Debatte hin zu den ueblichen Einsparmilieus, kurz einmal am Rande. „Verschaerfungen“ bei der Rente treffen jahrzehntelange Beitragszahler, die ebenso noch jahrzehntelang die Wirtschaftsleistung des Landes und den Hauptteil der Steuerlast -und damit die „Beamtenversorgung“ – getragen haben. Und das bei einer Durchschnittsrente, die brutto bei ca.1/3 der ausschliesslich steuerfinanzierten und eigenleistungsinaequivalenten „Beamtenversorgung“ liegt. In der „Buergergelddebatte“ wird auch in diesem Portal die Tatsache,… Mehr

Last edited 12 Tage her by Rasparis
Johny
12 Tage her
Antworten an  Rasparis

Wenn alle in ein und dasselbe Alterssystem einzahlen müssten, gäbe es gar keine Diskussion.

Rasparis
12 Tage her
Antworten an  Johny

Wohl wahr – doch gerade das wollen diejenigen, die die veröffentlichte Debatte orchestrieren, um jeden Preis verhindern. Offenbar weil die „Politik“ und die „Beamten“ genau wissen, wie schlecht sie (nicht nur) die GRV verwalten. Abgesehen von Österreich werden Sie kein Land in der Welt finden, wo „Beamte“ als Ausdruck feudalstaatlicher Selbstherrschaft durch die von diesen beherrschten „Parlamente“ ohne jede Eigenleistung, nur durch ein ernanntes (nicht einmal gewähltes) „Amt“ und die abgesessene „Amtsdauer“, vermöge der Tribute Dritter eine opulente und sorgenfreie Vollversorgung genießen, „Ruhegelder“ mit eingeschlossen. Das gibt es nicht einmal in lupenreinen Bananenrepubliken. In der CH existierte ein vergleichbar pervertiertes… Mehr

Last edited 12 Tage her by Rasparis
Aegnor
12 Tage her

verkündete heute, dass sich ihre Fraktion am Freitag enthalten werde“
Es war doch von Anfang an klar, dass Grüne und/oder SED hier zur Not einspringen würden. Vor allem Letztere könnten es ihren Wählern doch gar nicht erklären, dass sie gegen ein Gesetz stimmen, dass den Rentenkollaps noch ein paar Jahre hinauszögert. Das ist auch so ein Effekt der „Brandmauer“. Die SPD „darf“ selbstverständlich in einer Koalition mit Union mit der Opposition gegen die Union stimmen – obwohl das normalerweise in unserem parlamentarischen Regierungssystem das Ende einer Regierung darstellt – aber natürlich niemals umgekehrt.

Fatmah
12 Tage her

Während mein Bruder mit 62 seine 2800€ Pension genießt, will man mir mit 67 meine 1400€ Rente streitig machen, während hier 3,5 Millionen Ausländer ausgehalten werden, die gar kein Bleiberecht haben? Das ist doch wohl ein Witz!!!

Michael Palusch
12 Tage her
Antworten an  Fatmah

„2800€ Pension genießt“
Die Beihilfe nicht vergessen! Die kommt ja noch oben drauf. Während ein Rentner mit vergleichbarer Bruttorente ca.600€ Krankenkassenbeitrag abdrücken müsste, ist der beihilfeberechtigte Pensionär für schmalen 250€ bei besserer Versorgung dabei.

Privat
12 Tage her
Antworten an  Fatmah

Nur noch die A F D !

Aegnor
11 Tage her
Antworten an  Fatmah

Eine durch nichts zu rechtfertigende Ungerechtigkeit. Auch dass Beamte keine Rentenbeiträge zahlen, obwohl sie in den meisten Fällen ja auch Eltern haben die Rentner sind, spottet jeder Beschreibung. Allerdings ist dieses System nicht reformierbar – auch nicht von der AfD. Es zu korrumpiert. Welcher pensionsberechtigte Politiker wird ein Gesetz verfassen, dass an seine eigenen Pfründe geht? Welcher verbeamtete Richter wird eine Klage eines Beamten, dem man die Pension an das Rentenniveau anpassen wöllte, abweisen? Welcher Beamte würde nicht das Land lahm legen – bis hin zum Putsch der verbeamteten Polizisten und Berufssoldaten gegen die entwaffnete Bevölkerung – wenn man ihnen… Mehr

Chrisamar
12 Tage her

Leute von gestern diskutieren über Dinge von morgen…“Demografischer Wandel“: A) Übersicht mit KI „Ja, die Migration hat zu einem erheblichen demografischen Wandel in Deutschland geführt, indem sie die Bevölkerung verjüngt, das Bevölkerungswachstum gestärkt und die demografische Vielfalt erhöht hat. Die Zuwanderung hat die negativen Auswirkungen der niedrigen Geburtenraten und der steigenden Lebenserwartung teilweise abgemildert, insbesondere durch die jüngere Altersstruktur der Zuwanderer.“ B) „Generationengerechtigkeit“: „Themen›Arbeitsmarkt in EU und Eurozone›Jugendarbeitslosigkeit steigt in allen EU-Ländern“ Quelle: STATISTA C) „Härte gegen Bürgergeldbezieher“. Welche Bevölkerungsschicht wird diese „Härte“ treffen? Jene, welche zunächst ihr letztes Hemd verloren haben und erst dann „Hilfe zum Lebenunterhalt“ bekommen? Oder… Mehr