Bei Illner: Trump wendet sich von der EU ab

Europa hadert mit der US-Sicherheitsstrategie. Die Debatte bei Illner ist großteils vorhersehbares Trump-Bashing. Von eigenem Fehlversagen spricht niemand. Europas Staaten sind nicht in der geopolitischen Realität angekommen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verurteilt die Korruption in der Ukraine. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Für Europa sind die gemütlichen Zeiten im sicheren Schoß der beschützenden Vereinigten Staaten vorbei. Diese Erkenntnis ist keine spektakuläre Neuigkeit. Spätestens mit der neuesten nationalen Sicherheitsstrategie dokumentieren die USA ihre Distanz zu Europa und insbesondere zur EU. Die Europäer haben sich viel zu lange und zu gutgläubig auf den kostengünstigen Schutz der Supermacht jenseits des Atlantischen Ozeans verlassen. Jetzt fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen und hilflos.

Die eigene Unzulänglichkeit, für existenzielle Sicherheit in Europa zu sorgen, holt die europäischen Staaten nach Jahrzehnten der sicherheitspolitischen Sorglosigkeit ein. Die donnerstägliche Polit-Plauderrunde bei Talkmasterin Maybrit Illner thematisiert ausgiebig die nationale Sicherheitsstrategie der USA. Obwohl Außenpolitik ein wichtiges Themenfeld ist und Illner sehr viele Sendungen zur Außenpolitik macht, kommt nie ein deutscher Spitzenpolitiker in die Sendung. Lediglich der Dauergast aus der zweiten Reihe, Norbert Röttgen, sitzt wie immer in der Runde, als sei er mit der Requisite verwachsen.

Die Debatte ist zum Großteil ein vorhersehbares Trump-Bashing. Selbstmitleidig schimpfen die Gäste auf die USA. Von eigenem Fehlversagen spricht dagegen niemand. Einen großen informativen Mehrwert bietet die wehleidige Diskussion kaum.

Die USA stehen nicht mehr an unserer Seite

Einer der Mythen der Bundesrepublik ist, dass Deutschland fortwährend von den USA beschützt wird. Dies war von den USA aber zu keinem Zeitpunkt so vorgesehen. Die USA wollten die junge Bundesrepublik damals nur in der NATO haben, weil man einen westlichen Pufferstaat gegen den Ostblock haben wollte, auf dessen Gebiet ein mögliches nukleares Schlachtfeld gewesen wäre. Deutschland war damals ein Schutzschild für das westliche Bündnis unter der Führung der USA.

Weder Nachdenken noch Einsicht
Die Europäer kapieren es nicht: Trump zieht Konsequenzen
Heutzutage brauchen die USA keinen deutschen Schutzschild mehr. Das westliche Bündnis wird von den USA zunehmend als Belastung gesehen. Die Vereinigten Staaten gehen auf Distanz zu Europa. Die neue nationale Sicherheitsstrategie verschriftlicht es. „Die USA stehen zum ersten Mal seit 80 Jahren nicht an unserer Seite“, beklagt CDU-Mann Norbert Röttgen.

Er ergänzt: „Das Verständnis gemeinsamer Sicherheitspolitik wurde aufgegeben.“ Diese Sicht ist ein Missverständnis. Die USA haben in ihrer Geschichte zu keinem Zeitpunkt mit anderen Staaten außer mit Israel eine gemeinsame Sicherheitspolitik betrieben. Die Sicherheitspolitik der Amerikaner war schon immer von nationalen Interessen geleitet.

Viele Kriege und Konflikte, die die Amerikaner ohne große Zustimmung aus Berlin geführt haben, zeugen davon. Claudia Major, eine der vielen weiblichen Militär-Expertinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wertet die nationale Sicherheitsstrategie der USA als Angriff auf Europa. „Europa wird herablassend und feindlich behandelt“, echauffiert sie sich. Diese Empörung ist nicht ganz nachvollziehbar. Gegen die Trump-Administration ziehen die europäischen Staaten und die mediale europäische Öffentlichkeit ständig vom Leder. Trump wird als Despot und Systemfeind beschimpft. Wenn die Amerikaner nun mit der gleichen Münze heimzahlen, muss man sich nicht beschweren.

Klitschko beklagt die Korruption in Selenskyjs Umfeld

Die Ukraine befindet sich zurzeit in schwierigen Verhandlungen mit den USA über einen Ausweg aus dem Konflikt mit Russland. Ein strittiger Punkt in den Verhandlungen zwischen der Ukraine und den USA ist, wann es in der Ukraine zu Präsidentschaftswahlen kommen kann. Der Kiewer Bürgermeister und ehemalige Boxchampion Vitali Klitschko hat dazu eine klare Meinung. „Im Krieg kann es keine Wahlen geben“, erklärt er. Die tagtäglichen massiven russischen Angriffe machten eine organisierte Wahl unmöglich, so der ehemalige Profisportler. „Die Russen versuchen, unsere Kraftwerke zu zerstören“, berichtet Klitschko. „Menschen verbringen zum Teil 16 Stunden ohne Strom“, beklagt er.

Kurz vor der Finanzkrise
Wie viele deutsche Milliarden stehen in der Ukraine im Feuer?
Nicht nur die gewaltigen russischen Angriffe belasten die Ukraine derzeit. Die Regierung um Präsident Selenskyj ist durch einen großen Korruptionsskandal geschwächt. „Selensky hat Vertrauen verspielt“, kritisiert Klitschko. Er hat die berechtigte Sorge, dass die internationalen Geldgeber durch den Skandal negativ beeinflusst sein könnten. „Solche Skandale schaden der Reputation der Ukraine“, meint Klitschko.

Leider ist die grassierende Korruption in der Ukraine trauriger Alltag. Einzelne Strippenzieher verschaffen sich über Seilschaften den Zugang zu finanziellen Mitteln und bereichern sich schamlos. Die systematische kleptokratische Oligarchie in dem osteuropäischen Land ist eines der größten Probleme.

Es ist ironisch, dass ausgerechnet der ehemalige Schauspieler Selenskyj, der durch die Verkörperung eines anti-korrupten ukrainischen Präsidenten berühmt geworden ist, jetzt im Zentrum des Korruptionssumpfs des Landes sitzt. Klitschkos große Hoffnung ist Europa. „Wir kämpfen weiter für unseren europäischen Traum“, bekräftigt er. Moderatorin Illner will von ihm wissen, ob die Abwendung der Amerikaner die Europäer schwächen wird. „Die Europäische Union hat eine große Zukunft“, antwortet Klitschko. Der Kiewer Bürgermeister dürfte einer der glühendsten Fans der EU außerhalb von Brüssel sein. Viele EU-Bürger glauben an keine große Zukunft der EU. Zu viel Bürokratie und Zentralismus schrecken viele Europäer ab.

Die Quintessenz der Sendung lautet, dass die europäischen Staaten noch nicht in der geopolitischen Realität angekommen sind. Bei den Verhandlungen über ein Ende des Krieges sitzen die Europäer am diplomatischen Katzentisch. Eine eigene militärische Strategie ist in weiter Ferne. Die USA als Schuldigen für eigenes sicherheitspolitisches Versagen ursächlich zu machen, greift zu kurz. Es wird Zeit, dass Europa selber lernt, auf eigenen Beinen zu stehen und für seine Interessen einzustehen.

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Kommentare ( 6 )

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RJacob
19 Minuten her

Wenn sogar der ehem US General auf der Letzten Welle schwimmt, dann grenzt die Hütte. Ich habe nach 10 min zur FH gegriffen und weg damit, ich lese auch nicht diese Rezension, es ist nicht zuertragen

Logiker
21 Minuten her

Es gibt folgendes zu beobachten: die zu einer politischen Aufsichts- und Entscheidungsbehörde aufgeblasene und mutierte ehemalige Wirtschaftsorganisation EU befindet sich im Endstadium ihrer Existenz. Trump & Co. sind nicht gegen „die Europäer“, denn das sind die Bürger, sondern das politische Establishment der EU. Gleiches ist aus Russland zu vermelden – wenn man dort EuU und Deutschland sagt, dann sind nicht die Bürger gemeint, sondern ebenfalls das politische Establishment in Brüssel und Berlin. Das Perfide an der Brüsseler und Berliner Propaganda ist, dass sich ein paar wenige in Brüssel, London, Paris, Warschau und anderswo als legitimierte Vertreter für ihre suizidale Poltik… Mehr

prague
36 Minuten her

Er wendet sich nicht von der ganze EU ab, aber ich frage mich mit wieviel Dummheit man gesegnet sein muss, wenn hier seit Jahren gegen Trump gehetzt wird, über ihn gelogen wird und man diffamiert ihn und dann erwartet man, das er sie lieb hat. Nach all dem eshoffiert man sich, wenn er sich erlaubt, an der EU Kritik zu üben und das zu recht.

Der Michel
41 Minuten her

„Es wird Zeit, dass Europa selber lernt, auf eigenen Beinen zu stehen und für seine Interessen einzustehen.“ Falsch: Es wird Zeit, dass die Staaten der EU zu nationaler Souveränität zurückfinden, die antidemokratischen EU-Gremien in Brüssel auf ein Mindestmaß zurückschneiden (oder auflösen – was vermutlich das Beste wäre) und Entscheidungen treffen, die in den jeweiligen nationalen Interssen liegen. Viele dieser Entscheidungen werden sich mit europäischen Interessen (ich sage bewusst nicht „EU-Interessen“) decken.

August Klose
44 Minuten her

Herr Kramer, bei der Gästeriege sollten Sie für’s Anschauen eigentlich eine Tapferkeitsmedaille verliehen bekommen.

Wilhelm Roepke
50 Minuten her

Tja, so ist das, wenn man die Realität nicht erkennen kann. Sehe ich täglich bei meinen Kollegen. Keiner denkt wirklich über Geopolitik nach.