Bauer schlägt Kanzler – ARD geht mit Propaganda baden

Die ARD hat alles eingerichtet, um Friedrich Merz ein Forum zu bieten, in dem er seine Politik feiern kann. Das ist gründlich schiefgegangen. Die Zuschauer sehen lieber „Bauer sucht Frau“ als den deutschen Kanzler.

picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Das Staatsfernsehen der DDR hat einst attraktive Spielfilme vor den Schwarzen Kanal gesetzt, damit danach ein wenig Zuschauer vor der Propaganda-Schleuder sitzen bleiben. Das Staatsfernsehen der BRD bietet dem Kanzler ebenfalls ein Forum, das beste Quoten möglich machen sollte: ein Montagabend. Einer der wenigen, an denen weder Bundesliga noch Champions League gespielt wird – im Dezember bei erwartbar schlechtem Wetter.

Im zweiten deutschen Staatsfernsehen lief als Konkurrenz der Film „Gar kein Geld macht auch nicht glücklich“: Eine Frau will einen Plagiatvorwurf beweisen, bricht beim Plagiator ein, wird erwischt und muss für fünf Jahre in den Knast. „Dummen Figuren möchte ich nicht folgen“, hat der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki einst gesagt. Das ZDF hat ihn am Montag bestätigt. Nur 3 Millionen Zuschauer wollten das sehen. Das ist der Restbestand, den das ZDF um 20.15 Uhr immer hat. Menschen, die sich zum Sterben vor den Fernseher zurückgezogen haben.

Also hatte die ARD leichtes Spiel, mit der „Arena“ den Tagessieg um 20.15 Uhr einzufahren. Mit einem Talk, in dem zufällig ausgesuchte „Bürger“ dem Kanzler Fragen stellen können. Wobei der OERR-Blog dann im Anschluss die Information nachliefert, die das Staatsfernsehen weglässt: In welcher Partei, die zufällig ausgesuchten Bürger sind. In der Regel Grüne, Linke, Grüne, SPD oder Grüne, manchmal sogar Grüne. 3,25 Millionen Zuschauer wollten das sehen. Das reichte nicht zum Tagessieg in der wichtigen „20.15 Uhr“-Schiene.

Dieser Tagessieg geht eigentlich immer an das erste und zweite Staatsfernsehen. RTL und Sat1 können in diese Phalanx höchstens dann einschlagen, wenn sie Live-Fußball zeigen. Doch dieses Mal erreicht „Bauer sucht Frau“ auf RTL 3,3 Millionen Zuschauer. Die Zuschauer flohen also vor den Öffentlich-Rechtlichen zu den paarungswilligen Landwirten. Vielleicht hätte Friedrich Merz für sein Arena-Format auch etwas mehr erotisches Kribbeln gebraucht: etwa Lars Klingbeil an seiner Seite. Devote Liebe. Das „Fifty Shades of Grey“ der Bundespolitik.

Doch für die ARD ging es nach Merz noch weiter bergab. Nicht nur mit der Quote. Danach lief „Die 100 – Was Deutschland bewegt“. 2,4 Millionen Zuschauer um 21.15 Uhr. Das Staatsfernsehen wollte eine Stunde lang sagen, wie gut es hierzulande läuft. Das ist nötig, das macht sonst keiner mehr. So feierte Moderatorin Anna Planken, dass es in Deutschland ein „Investitionspaket“ über 500 Milliarden Euro gibt. Jeder Journalist mit Restanstand hätte darauf hingewiesen, dass Merz und Klingbeil dieses Paket mit Schulden bezahlen.

Für das Format hat sich die ARD 100 handverlesene und auf Gesinnung getestete „Bürger“ eingeladen. Selbst die folgten Planken mit ungläubigen Staunen. ARD ist, wenn nicht mal mehr Jubelperser jubeln wollen. Selbst nicht nach der Anfeuerung durch „Schlandi“. Einer Hilfskraft, die das Staatsfernsehen in ein Zottelfell gesteckt hat. Als solche kannst du aber immer noch seriös, kompetent und sachkundig wirken – du musst nur Anna Planken daneben stellen. Da sieht jeder gut aus.

Etwas wie „Schlandi“ kommt dabei raus, wenn eine ARD-Programmkonferenz meint, „etwas für die Jüngeren“ tun zu müssen. Hat nicht funktioniert. 290.000 Zuschauer unter 50 Jahren wollten die Propaganda-Show sehen. Weniger als „Ralf, der Bauernreporter“ (RTL), „Hartes Deutschland“ (RTL2), „Der letzte Bulle (Sat1) oder „Die Höhle der Löwen (Vox). 6,5 Prozent Marktanteil. 6,5 Prozent. So viel erreicht das Staatsfernsehen, wenn es Schulden- und Rentenpakete feiert – in der Generation, die das alles mal bezahlen muss. ARD und ZDF sind nur noch etwas für die, die nicht wissen, wie sie die Zeit bis zu ihrer Beerdigung totschlagen können.

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