Bei Lanz: Wagenknecht holt zum Rundumschlag aus

Sahra Wagenknecht kritisiert eine zu starke Verengung des Meinungsspektrums. Der Ukraine-Krieg ist aus ihrer Sicht ein Krieg Russland gegen die NATO. Wagenknecht ist auf Krawall gebürstet. Lanz gerät ob ihrer Tiraden selbst in Fahrt und hält dagegen. Ein unterhaltsamer Schlagabtausch. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Seit der Bundestagswahl ist es ruhiger geworden um Sahra Wagenknecht. Einst war sie die weibliche Gallionsfigur der Linkspartei. Doch mit der Linken hat die Wahl-Saarländerin schon seit längerer Zeit gebrochen. Bei der diesjährigen Bundestagswahl wollte Wagenknecht mit ihrer eigenen Partei in den Deutschen Bundestag einziehen, was ihr nur knapp misslang. An diesem Abend ist der einstige Liebling der öffentlich-rechtlichen Talkshows erstmals seit längerem wieder zu Gast bei Markus Lanz.

Von Beginn an fliegen die Fetzen, denn Wagenknecht ist auf Krawall gebürstet. Die öffentlich-rechtlichen Sender bekommen ihr Fett weg. Aus der außerparlamentarischen Opposition heraus beklagt Wagenknecht Cancel Culture und Meinungsmache im TV. Wagenknechts Kritik kommt allerdings als Bumerang zurück, denn Lanz gerät ob der Tiraden von Wagenknecht selbst in Fahrt und hält der früheren Kommunistin den Spiegel vor. Der Schlagabtausch von Wagenknecht und Lanz dürfte beim Zuseher für Unterhaltung sorgen. Es ist eine der hitzigsten Lanz-Sendungen des Jahres.

Wagenknecht kritisiert zu wenig Meinungsvielfalt im TV

Normalerweise kommen die Debatten in den öffentlich-rechtlichen Talkrunden nur schleppend in Gang. An diesem Abend ist das anders. Von der ersten Minute an geht es voll zur Sache. Sahra Wagenknecht hat in ihrer Talkshow-Abstinenz viel Groll aufgestaut und möchte diesen bei Markus Lanz abbauen. „Ich finde nicht statt“, echauffiert sich Wagenknecht über ihre gesunkene Sendezeit bei ARD und ZDF. Als Oppositionspolitikerin fühlt sich Wagenknecht von den TV-Sendern ausgegrenzt und links liegen gelassen.

Wobei sich das Mitleid mit ihr in Grenzen halten kann. Keine Politikerin einer kleinen Partei hat im Vorfeld der Bundestagswahl so viel Sendezeit bekommen, wie es ihr in Relation zu ihrem politischen Gewicht zusteht. Weil der Einzug ins Parlament nicht gelang, ist das mediale Interesse an Wagenknecht spürbar zurückgegangen. „Das BSW war insgesamt nur dreimal in Talkshows“, beklagt sich Wagenknecht über die fehlenden Einladungen seit der Bundestagswahl. „Früher war ich öfters in Talkshows“, berichtet sie.

Aus Sicht der BSW-Politikerin hängen die fehlenden Einladungen auch mit den politischen Themen von Wagenknechts Partei zusammen. „Die Meinungsvielfalt ist eingeschränkt“, kritisiert sie. Damit hat Wagenknecht einen Punkt. In den Talkshows des Landes gibt es kein Gleichgewicht der Meinungen. Bestimmte politische Meinungen und deren Vertreter werden seltener eingeladen. Meist sind die Talkshows mit regierungsnahen Politikern und Journalisten besetzt. „Ein Block im Land will Cancel Culture“, stellt Wagenknecht fest.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen

Nach ihrer Kritik erfährt Wagenknecht von den anderen Gästen heftigen Widerspruch. „Sie kommen sehr oft vor“, entgegnet die Journalistin Kerstin Münstermann. Auch Markus Lanz will die pauschale Schelte von Wagenknecht nicht auf sich sitzen lassen. Er geht zum Gegenangriff über und konfrontiert Wagenknecht mit dem eigenen autoritären Führungsstil. Lanz zeigt einen vorbereiteten Einspieler, der den Generalsekretär der Wagenknecht-Partei auf einem Parteitag des Thüringer Landesverbands zeigt. Christian Leye dankt dort dem amtierenden Vorstand für seine Arbeit und sagt dessen Abwahl voraus, obwohl der Vorstand tatsächlich wiedergewählt wird. „Eine unglückliche Formulierung“, versucht Wagenknecht zu beschwichtigen.

Doch Lanz hat noch einen Einspieler vom ehemaligen Landesvorsitzenden des BSW in Thüringen vorbereitet, der ebenfalls auf dem Parteitag spricht. Der abgewählte Landesvorsitzende weist in seiner Rede auf Doppelmoral hin. Führende Politiker der Partei würden im TV mangelnde Meinungsfreiheit beklagen, würden aber in der Partei die Meinungsfreiheit einschränken und die Mitglieder auf Linie zwingen, so der Vorwurf. Die Adressatin der Anschuldigungen ist natürlich Sahra Wagenknecht. „In einer Partei muss es ein Profil geben“, meint Wagenknecht zu den Vorwürfen. Es würde in jeder Partei Streit geben und kein Landesverband könne machen, was er wolle, findet Wagenknecht.

Die BSW-Vorsitzende offenbart mit dieser Sichtweise, dass sie die Partei gern so strukturiert haben würde, wie es in sozialistischen Kaderparteien üblich ist. In Deutschland ist allerdings vom Grundgesetz vorgegeben, dass die Parteien an der Willensbildung mitwirken, und nicht, dass die Parteichefs ihren Willen diktieren. In diesem Moment der Sendung fällt Wagenknecht in jene Grube, die sie eigentlich für andere gegraben hat.

Schuld hat die NATO

Eines der politischen Schwerpunkte des BSW ist die Kritik an der NATO und das Verständnis für Russland. „Die Russen werden zu oft zu Unrecht verdächtigt“, meint Sahra Wagenknecht mit Bezug auf die mutmaßlichen russischen Drohnenflüge. Für Wagenknecht ist es wichtig, dass der Westen besonnen reagiert. „Wir sollten nicht in Hysterie geraten“, sagt sie. Aus ihrer Sicht könnte sonst ein Krieg mit Russland drohen.

Der russische Krieg in der Ukraine hat nach Meinung von Wagenknecht hauptsächlich mit der NATO zu tun. „Russland will keine Raketen in der Ostukraine“, mutmaßt sie. Die NATO-Osterweiterung sei der Hauptgrund für den heutigen Krieg in der Ukraine, so Wagenknecht. Die einseitige Schuldzuweisung löst in der Runde Widerspruch aus. „Donald Trump hat einen guten Draht zu Putin“, stellt die Journalistin Kerstin Münstermann fest. Wagenknecht habe doch immer westliche Diplomatie gefordert und diese habe Trump geliefert, sagt Münstermann. Trotz dieser diplomatischen Gespräche sei Putin aber nicht zu ernsthaften Verhandlungen bereit, führt die Journalistin aus. Laut Münstermann ist nicht die NATO das Hindernis für Frieden, sondern die russische Regierung.

Doch Wagenknecht lässt sich nicht aus ihrem Konzept bringen. Die Russen würden erst über einen Waffenstillstand nachdenken, wenn ein fertiger Friedensvertrag ausgehandelt sei, erklärt sie. Unter den Gästen ist an diesem Abend auch die russische Dissidentin Maria Aljochina von der russischen Protestgruppe „Pussy Riot“. Sie lauscht den Ausführungen von Wagenknecht und kommt zu dem Schluss: „Sie erzählen fast das Gleiche wie in Russland.“ Wagenknechts Rhetorik erinnere sie an zuhause, meint die Punksängerin. In der Tat ist die Nähe zu Russland auffällig bei Wagenknecht.

Schuld haben in ihrer Weltsicht fast immer die NATO oder die USA. Daran wird die ehemalige Kommunistin wohl auch in Zukunft festhalten. Alles in allem ist die Sendung durch den temperamentvollen Auftritt von Wagenknecht sehr unterhaltsam. Es lohnt sich für die öffentlich-rechtlichen Talkrunden, wenn sie Politiker jenseits des regierungskonformen Mainstreams einladen. Allerdings wird Markus Lanz wohl der einzige Talkmaster bleiben, der eine hitzige Diskussion nicht scheut, sondern annimmt. Den anderen Moderatoren fehlt die argumentative Schlagkraft von Lanz, weshalb die Einladungen streitbarer Gäste wohl ausbleiben.

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Kommentare ( 192 )

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giesemann
1 Monat her

Richtig, also hier ist ein neutraler Staat von den Moskowitern überfallen wollen, weil er eben neutral&souverän bestimmen wollte und will, mit wem er spielen möchte. Der nächste Fall wird Belarus sein, eine ehemalige SSR. Es gibt eben genügend Länder, die genug haben von der Russerey – es sei denn, diese wird eines Tages anständig, ist nicht mehr gewalttätig&kriminell. Wer kann das mal den Kremlins ganz human verklickern? Na ja, die wissen es natürlich selber … . Man soll Vergleiche nicht überstrapazieren, aber der Moslem weiß es auch: The Middle East Media Research Institute (MEMRI)21. Juni 2017  Egyptian TV Host Youssef Al-Husseini… Mehr

giesemann
1 Monat her

Stelle fest, dass sich hier einige sogar versteigen, den Deutschen die Schuld zu geben, wenn der Großrusse/Putin ihr Unwesen treiben – wegen WW II etwa. Wusste gar nicht, dass hier so viele leicht linksversiffte Masochisten unterwegs sind – wahrscheinlich merken die selbst nicht, wie bescheuert das ist. Solche Leute gibt es eben. Sollen ihre Kinken klären.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
1 Monat her

Ein ungewohnt schwacher Artikel zu dieser Lanz-Show. Sehr auffällig, dass mit keinem Wort die Schilderungen der Dissidentin Maria Aljochina über ihre Lagerhaft mit Morden, systematischer Folter und Zwangsarbeit erwähnt wird. Wie es besser geht, hat diesmal ausgerechnet FAZ online vorgemacht.

Last edited 1 Monat her by Ceterum censeo Berolinem esse delendam
verblichene Rose
1 Monat her

Vielleicht hat Wagenknecht ja recht. Nur wie sieht es denn im trüben Alltag eines Politikers aus? Hat der Lust und Zeit, in solche Talkshows zu gehen? Und anders betrachtet scheint es so zu sein, daß „regierende“ Politiker dermaßen saturiert sind, daß sie sich ständige Auftritte einfach erlauben können und man fragt sich, ob die eigentlich nichts besseres zu tun haben, als sich gemütlich vor der Kamera im Sessel zu räkeln. Für mich sind solche Sendungen daher so etwas wie Brot und Spiele. Mal Balsam für die geschundene Seele und manchmal schlecht für den Blutdruck. Und ich frage mich regelmässig, warum… Mehr

Benedictuszweifel
1 Monat her

Dieses Lanz Gelobhudele geht mir gehörig auf den Wecker. Ich kann mich noch an die Show erinnern, als er den Anschein erweckte, Habeck wegen seiner nachweislich gefälschten KernkraftGutachten in die Mmgel nehmen zu wolen. Habeck „antwortete“ mit seinem üblichen 5 Minuten Verwirrungs und Einschlafmonolog… Die Frage wurde nicht beantwortet: null, null. Lanz fragte aber gar nicht nach, sondern ging zum nächsten Thema…

suesssauer
1 Monat her

habe ich mir versucht im Netz anzusehen. Mehr als 12 Minuten waren nicht zu ertragen. Dieses Format ist tot. Lanz hat doch mittlerweile genug von unserer Knete, warum geht er nicht?

HDieckmann
1 Monat her

Lanz hat Blut an seinen Fingern. Er hat die modRNA-Injektionen noch als nebenwirkungsfrei propagiert, als es schon hunderte Impftote und tausende schwerwiegende Impfschäden gabt. Der Lügner und Betrüger Lauterbach war ständiger Gast bei Lanz, jetzt gegen sich dort die Kriegstreiber Masala, Gaub, Neitzel, Major, … die Klinke in die Hand. Das ZDF und Lanz haben nur das Geschäftsmodell geändert: Statt Kampf gegen Viren wird jetzt Krieg gegen Russen propagiert. Statt der Impfschäden und Impftoten werden jetzt die Invaliden und Gefallenen verschwiegen.

HDieckmann
1 Monat her

Russland hat den Krieg angefangen, verursacht haben ihn die USA, Nato, EU, England, Deutschland, Frankreich, … und die Ukraine selbst. Der Krieg hat eine Vorgeschichte: Nato-Osterweiterung, US-Maidan-Putsch, Minsk I/II-Täuschung Russlands durch Merkel und Holland, Aufrüstung der Ukraine durch die USA, US-Raketenstellungen in Polen und Rumänien, Kündigung von Abrüstungsabkommen durch die USA, … Es ist ein vom Westen provozierter Krieg. Berechtigte Sicherheitsinteressen Russlands wurden vom Westen verletzt.

giesemann
1 Monat her
Antworten an  HDieckmann

Pervers und abstrus. Die Russen haben lediglich ein Passagierflugzeug, aus Amsterdam kommend, über dem Donbas abgeschossen – lächerlich, papperlapapp. Komplett bescheuert, bösartig zudem.

WGreuer
1 Monat her

„die russische Dissidentin Maria Aljochina von der russischen Protestgruppe „Pussy Riot““
Kleiner Hinweis: diese „Aktivisten“ wurde damals in Moskau (oder war das St. Petersburg?) nackt in einer Kirche verhaftet – angeblich weil sie gegen Putin demonstrierten. Das ist falsch.
Fakt ist, dass diese Truppe verhaftet wurde, weil sie mit ihrer Aktion eine Kirche und damit eine Religion schändeten. Religionen oder Volksgruppen zu diffamieren ist im russischen Vielvölkerstaat strengstens verboten, damit diese Volksgruppen friedlich nebeneinander leben können. Das war der wahre Grund.

Deutscher
1 Monat her

„Punk-Sängerin“ ist noch ziemlich geschmeichelt. Pussy Riot war einfach nur eine Handvoll Chaos-Aktivistinnen. Mit ner Band hatte das nicht viel zu tun. Auffallen um jeden Preis, auf Teufel komm raus provozieren, Chaos stiften, rumkrakeelen. Mehr war da nicht. Schlimmere Nervensägen als unsere Klimakleber und die militante Veganerin zusammen. Wurden völlig zu Recht von der russischen Justiz ein wenig auf Normalmaß zurückgestutzt.

Last edited 1 Monat her by Deutscher