Der Automobilriese Stellantis expandiert sein US-Geschäft. Von einer Investitionswende in Deutschland, von der Bundeskanzler Friedrich Merz noch vor wenigen Wochen sprach, ist weit und breit nichts zu sehen. Die Probleme der sich beschleunigenden Deindustrialisierung zeigen sich auf kommunaler Ebene.
IMAGO / Panthermedia
Investitionsstopp bei Stellantis. Wenigstens in Deutschland. Der europäische Automobilkonzern, der unter seinem Dach unter anderem die Marken Opel, Peugeot und Citroën fertigt, wendet sich von seinen europäischen Standorten ab. Am Montag kündigte das Unternehmen an, über die kommenden vier Jahre 13 Milliarden US-Dollar in den Standort USA zu investieren und die amerikanische Fertigung um 50 Prozent auszubauen. 5000 neue Arbeitsplätze sollen in den Werken in Illinois, Ohio, Michigan und Indiana entstehen.
Welche konkreten Folgen dies für die deutsche Produktion haben wird, ist derzeit unklar. Stellantis äußerte sich nicht zu einem möglichen Arbeitsplatzabbau. Doch ist wohl davon auszugehen, dass große Teile der Produktion in den kommenden Jahren in die USA verlagert werden. Hohe Energiekosten und der massive Zolldruck der Vereinigten Staaten dürften zu dieser Entscheidung beigetragen haben.
CEO Antonio Filosa kommentierte, dass mit diesem größten Investment in der Firmengeschichte nun amerikanische Jobs geschaffen werden und die Fertigung der Firma in den USA systematisch ausgebaut werde. Die USA besitzen künftig Top-Priorität für Stellantis, so Filosa.
Deutschland wird gemieden
Stellantis’ fatales Verdikt, das sich vor allem gegen den deutschen Produktionsstandort richtet, ist nur die Spitze des Eisbergs einer beschleunigten Kapitalflucht vom Wirtschaftsstandort Deutschland. Gerade deutsche Automobilkonzerne verlagern ihre Produktion immer schneller ins Ausland: BMW etwa nach Debrecen in Ungarn – und Mercedes Benz gleichfalls nach Ungarn, genauer nach Kecskemét.
Die Industrie bricht in Deutschland ihre Zelte ab. Die Fertigung energieintensiver Produkte, der Elektrotechnik, des Maschinenbaus oder im Grundstoffsektor ist unter den gegenwärtigen Bedingungen schlicht nicht mehr rentabel. Da wirkt es beinahe komisch – wäre es nicht so traurig –, wenn Wirtschaftsministerin Katherina Reiche mit Blick auf die korrekt identifizierte fehlende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nun eine Expertengruppe ins Leben ruft, die Strategien heraus aus der Krise entwickeln soll.
Eine kurze Grok-Anfrage würde der Ministerin in zehn Sekunden Arbeitszeit Erhellendes zutage fördern, die Probleme dürften sich inzwischen herumgesprochen haben.
Green Deal bleibt das Goldene Kalb
Bundeskanzler Merz machte derweil während des EU-Gipfels deutlich, dass man über alles Mögliche nachdenke – nur eben nicht daran, die Wurzel des Übels herauszureißen: die groteske europäische Klimapolitik, die diesen Absturz der Industrie im Wesentlichen verursacht hat.
Schon die reflexhafte, defensive Verteidigungslinie des Bundeskanzlers, den Brüsseler Klimakonsens unter allen Umständen halten zu wollen, zeigt, dass man in Berlin genau weiß, was den Absturz der deutschen Wirtschaft verursacht. Gleichzeitig bindet die Bundesregierung ihre letzte Hoffnung an ihr gigantisches Schuldenpaket, das nun Jahr für Jahr rund 50 Milliarden Euro zusätzliche Staatsausgaben über das Land rieseln lassen soll. Finanzminister Lars Klingbeil brachte auf dem UN-Gipfel in New York seine Hoffnung zum Ausdruck, die Privatwirtschaft werde nun investieren, da der Staat so massiv in Vorleistung gehe.
Da möchte man antworten: Weit gefehlt, lieber Herr Minister. Sie verkennen die ökonomische Realität. Allein die Tatsache, dass der US-Chip-Hersteller Intel eine Subvention von 10 Milliarden Euro zur Ansiedlung in Magdeburg ausgeschlagen hat, zeigt, dass die Probleme weit tiefer liegen – und ganz sicher nicht mit der Subventionsgießkanne zu lösen sind. Voodoo-Ökonomie à la Keynes stößt hier an ihre Grenzen. Deutschland befindet sich im Ausverkauf. Die Industrieinvestoren haben längst ihr Urteil gefällt.
Rust Belt droht am Horizont
Zurück bleiben regelrechte Rust Belts, wie wir sie aus den USA kennen. Einst galt die Autocity Detroit als die reichste Kommune der Vereinigten Staaten, bevor die Automobilindustrie dort vollständig niederbrach und andere Standorte, vor allem in Japan und China, die Pole Position übernahmen.
Das industrielle Fundament ist zentral für das Verständnis von Ökonomie und Wohlstand. Statistisch gesehen sind mit einem Industriearbeitsplatz vier, wenn nicht gar fünf weitere Jobs verbunden – abhängig von der Wertschöpfungstiefe –, in der Zulieferwirtschaft, im Dienstleistungssektor und im gesamten Konsumbereich. Denn Industriearbeitsplätze sind in der Regel deutlich überdurchschnittlich bezahlte Jobs, ihr Verlust ist dramatisch und setzt eine Kettenreaktion des sozialen und wirtschaftlichen Niederbruchs in Gang.
UK als Lehrbuchstück
Das Vereinigte Königreich bietet ideales Studienmaterial für diesen Prozess. Einst an der Spitze der globalen Industrieproduktion, im Zentrum des britischen Empire, begann man dort mit der kreditfinanzierten Errichtung großer Infrastrukturprojekte in den Kolonien. Dann folgten imperialer Overstretch und der Kollaps dieser größtenteils staatlich organisierten Investitionen – und der industrielle Abstieg setzte ein. Andere industrielle Zentren, vor allem die Vereinigten Staaten, stiegen auf.
Zurück blieb die City of London: das Finanzzentrum der Welt, flankiert von einer mächtigen Versicherungsarchitektur, die sich über die maritimen Seerouten des ehemaligen Empire spannt. Es entstand eine merkwürdige Zweiklassengesellschaft: hier das Finanzzentrum, das seine Macht noch immer in großen Teilen des Globus ausspielt, dort „Little Britain“, die klassische soziale Struktur auf der Insel, gefangen in einer dramatischen Armutsspirale. Droht Deutschland ein ähnliches Schicksal, bloß ohne post-koloniale Finanzströme und Macht?
Zeitfenster schließt sich
In Deutschland arbeiten derzeit noch immer etwa 5,4 Millionen Menschen unmittelbar in der Industrie – im Automobilbau, im Maschinenbau, in der Elektrotechnik. Ihre Zahl sank seit dem Produktionsoptimum von 2018 um rund eine Viertelmillion. Die Produktion der deutschen Industrie fiel seither um durchschnittlich 23 Prozent, was zu einem Wertschöpfungsverlust von mindestens 35 Milliarden Euro pro Jahr führt.
Noch wäre Zeit, gegenzusteuern – denn bislang wurden vor allem weniger wertschöpfungsintensive Produkte und Fertigungen ausgelagert oder geschlossen. Noch wäre Zeit, mit der deutschen Industrie auch das soziale Fundament, das kulturelle Leben in den urbanen Regionen des Landes, nicht endgültig kollabieren zu lassen.
Doch mit der Industrie verschwindet auch das private Mäzenatentum. Deutschland verliert seine Millionäre, seine wirtschaftlich erfolgreiche Elite, schneller denn je. Im laufenden Jahr werden wohl mindestens 400 Vermögende das Land verlassen und Privatkapital von über zwei Milliarden Euro abziehen. Im vergangenen Jahr wurden im gewerbelichen Bereich 64,5 Milliarden Euro an Direktinvestitionen netto ins Ausland verlagert – ein großer Teil davon in die Vereinigten Staaten. Das ist Kapital, das nicht an der Börse zirkuliert, sondern sich unmittelbar in wirtschaftliche Aktivität, in Wertschöpfung übersetzt.
Und auch hier lehrt die Geschichte: Verlieren die Eliten das Vertrauen in eine Gesellschaft, in einen Wirtschaftsstandort, wächst aus diesem Vakuum unweigerlich eine soziale Krise.



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Und wenn wir uns hier eher früher als später nur noch gegenseitig die Haare schneiden ist es den akt. Protagonisten, die dafür verantwortlich sind, auch völlig schnurz.
Die sind alle bestens abgesichert und international vernetzt. Die machen dann auf Tschö mit Ö oderso.
BAWü Autoland neueste Umfragen CDU 30% Grüne immer noch 20%. Heißt nach der Landtagswahl eben Schwarzgrüne und nicht mehr GrünSchwarz. Da kann man sich nur noch mit Grausen abwenden. Der Michel will es so.
Lasst ihr doch endlich mal die Menschen in Ruhe !!!
„Wenn Wahlen etwas ändern könnten wären sie verboten“ – Tucholsky, der starb 1935
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