Bei Lanz: Kommt der Herbst der Entscheidungen?

Es geht um die Vorhaben des Kanzlers – ein ziemlich fader Talk. Die Bundesregierung einigt sich auf einen Formelkompromiss beim Wehrdienst. Dem Sozialstaat droht der Kollaps. CDU-Kanzleramtschef Thorsten Frei schließt Steuererhöhungen nicht aus und macht sich lächerlich. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Die Berliner Blase kommt gemächlich aus ihrer Sommerpause zurück. Wie ein angeschlagener Boxer liegt die aktuelle Regierung in den Seilen. Die Umfragewerte für CDU und SPD sind schlecht. Große Ablehnung schlägt der Bundesregierung entgegen. Besonders Kanzler Friedrich Merz ist in der Bringschuld, da die Regierung bisher wenige positive Reformen auf den Weg bringen konnte. Merz hat deshalb den Herbst der Entscheidungen angekündigt. Es soll groß angelegte Reformen des Sozialstaats und der Wirtschaft geben. An diesem Abend geht es bei Lanz um die angekündigten Vorhaben der Regierung und des Kanzlers.

Einziger Politiker in der Runde ist der schwäbische Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU). Sollte er noch einen Spitznamen benötigen, könnte man diesen Minister auch „Mister Teflon“ nennen. So sehr sich Lanz auch müht, eine klare Aussage von Frei zu bekommen, so sehr bemüht sich Frei, sich um eine klare Antwort zu drücken. Fast schon auf dem Niveau des hanseatischen Großmeisters Olaf Scholz, manövriert sich Frei durch die Sendung, ohne auch nur einen einzigen Moment ein valides Statement abzugeben. Dementsprechend ermüdend und zäh verläuft der Talk auch. Der geneigte Zuseher braucht einen langen Geduldsfaden, um die Sendung zu überstehen. Substanzielles bringt Lanz an diesem Abend wenig in Erfahrung. Selbst Moderator Lanz beginnt zu Lachen angesichts der Show an Verbiegerei und Schwurbelei des Kanzleramtsministers. So delegitimiert sich eine Regierung.

Das Bisschen Wehrdienst macht sich von allein

In Zeiten von multiplen militärischen Auseinandersetzungen liegt der Fokus der Regierung auf dem Bereich der Verteidigung. Der Bundeswehr mangelt es an Rekruten und Wehrdienstleistenden. Jetzt möchte die Bundesregierung der Truppe mehr Personal verschaffen und versucht es mit einem freiwilligen Wehrdienst ab 2027. In der Union hätte man sich gerne mehr verpflichtende Elemente im neuen Gesetz für den Wehrdienst gewünscht. Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann ist auf Linie der CDU. „Die CDU hat recht, den Vorschlag für die Wehrpflicht zu kritisieren“, meint Herrmann.

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Kanzleramtsminister Thorsten Frei sieht die Sache gelassen. „Im Gesetz ist es angelegt, dass man es schnell ändern kann“, erklärt er. Der neue Wehrdienst soll also erstmal ohne Druck an den Mann oder die Frau gebracht werden. Wobei der Schwerpunkt auf Männern liegt. „Ich wundere mich, dass Frauen nicht angesprochen werden“, kritisiert der Welt-Journalist Jan Philipp Burgard. Frauen werden zwar angeschrieben, doch besteht keine Pflicht zu einer Musterung. Männer hingegen müssen nach einem Brief zu einem Musterungstermin erscheinen. Allerdings müssen sie nicht zur Bundeswehr, wenn sie nicht wollen.

Diese halbgare Wehrpflicht dürfte wahrscheinlich schnell auf Wiedervorlage kommen und zu einer verpflichtenden Wehrpflicht geändert werden. Markus Lanz befürchtet, dass die Wehrdienstleistenden in der Ukraine kämpfen könnten. CDU-Mann Thorsten Frei beschwichtigt den Moderator. „Es besteht keine Gefahr, dass sie in der Ukraine kämpfen müssen“, verspricht er. Trotzdem fordert er ein, dass sich die Gesellschaft mit dem Thema Krieg auseinandersetzen sollte. „Sind wir bereit, uns zu verteidigen?“, fragt sich der Merz-Vertraute.

Herbst der Entscheidungen

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Haushaltstechnisch geht es der Bundesregierung nicht sonderlich gut. Obwohl die Schleusen für gigantische Schulden geöffnet werden, kommt Finanzminister Lars Klingbeil nicht mit dem Geld aus und beklagt große Löcher im Haushalt. Kanzler Friedrich Merz stellt inzwischen die Finanzierbarkeit des Sozialstaates in Frage. Für Journalistin Ulrike Herrmann ist das Humbug. „Es handelt sich um eine völlig übertriebene Darstellung“, beklagt sich die linke Journalistin. Wie sie zu dieser Haltung kommt, ist eher rätselhaft. Allein das sogenannte Bürgergeld hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Hinzu kommen die Abermilliarden für Rente und Pensionen. Dem deutschen Staat fehlt es an vielem, nur nicht an Empfängern von staatlichem Geld. Doch Herrmann findet: „Deutschland ist nicht am Abgrund.“ Thorsten Frei glaubt nicht an Herrmanns These eines stabilen Sozialstaates. Die Wirtschaft würde jährlich schrumpfen und die Wettbewerbsfähigkeit gehe verloren, kritisiert der Jurist. Welt-Journalist Jan Philipp Burgard sieht vor allem die SPD in der Pflicht, den Sozialstaat schlanker zu gestalten. „Die SPD hat Wähler an die AfD verloren“, erläutert er. „Die Wähler nehmen sie als Partei der Arbeitsverweigerer wahr“, bemängelt Burgard völlig zu recht.

Steuererhöhungen sind möglich

Will die Union irgendeine Reform gebacken bekommen, so wird sie einer zickigen SPD einen Knochen hinwerfen müssen. Im Berliner Politzirkus schwirren schon Gerüchte über höhere Steuern für Gutverdiener und Erben über die Flure. Der gut informierte Burgard berichtet in der Sendung darüber. „In der SPD ist man sehr optimistisch, dass es mit der CDU Steuererhöhungen gibt“, erklärt er. Die Union müsse den Genossen etwas bieten, meint Burgard zu Frei. Dieser lässt sich zu keinem klaren Nein bewegen. „Im Koalitionsvertrag steht etwas anderes“, entgegnet Frei. Ein klares Dementi klingt anders. In der Union sind schon erste Stimmen laut geworden, die über Steuererhöhungen nachdenken.

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Frei möchte darüber nicht nachdenken – aber er möchte sie auch nicht vom Tisch nehmen. Besonders die Erbschaftsteuer möchten die Genossen um Deutschlands obersten Kassenwart Lars Klingbeil gern erhöhen. Für Frei ist eine höhere Erbschaftsteuer für Unternehmer ein Schreckgespenst. „Unternehmen müssten zumachen, wenn sie Erbschaftsteuer bezahlen“, beklagt Frei. Tatsächlich stimmt seine Aussage, aber anders als Frei meint. Wenn ein erfolgreicher Unternehmer nach einer Erbschaft seine Lohnsumme mehrere Jahre konstant hält, so zahlt er keine Erbschaftsteuer. Muss ein Unternehmer aber Entlassungen nach einer Erbschaft vornehmen, dann zahlt er Erbschaftsteuer und könnte schließen.

Das deutsche Erbschaftssteuerrecht gehört deshalb dringend reformiert. Anstatt der Staat sich beim Otto-Normalbürger die Taschen füllt und riesige Firmenerben komplett schont, sollte er es für alle gleich gestalten. Jeder Erbe sollte einen geringen einstelligen Prozentsatz zahlen, beziehungsweise könnte man die Erbschaftsteuer auch abschaffen, weil sie vor allem die Mittelklasse belastet. Ob es tatsächlich eine Reform des komplizierten deutschen Erbrechts gibt, bleibt zu bezweifeln. Der Talk ist alles in allem eine ziemlich fade Veranstaltung. Lanz sollte sich in Zukunft noch einmal überlegen, ob er „Mister Teflon“ wieder in eine Sendung einlädt. Zumindest sollte er noch einen zweiten Politiker als Auskunftsperson hinzuladen.

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Kommentare ( 72 )

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Stuttgarterin
3 Monate her

Ein paar Tipps, dann kämen wir so langsam wieder auf Normalnull

  • kein Zuschuss mehr für alle NGOs
  • deutliche Steuersenkung für alle, die über 63 noch arbeiten
  • kein Bürgergeld und Wohnzuschuss für Menschen, die noch nie Vollzeit für mind. 1 Jahr gearbeitet haben
  • Beamten und pensionierte Beamten werden nicht mehr privilegiert
  • keine Waffen- und Sozialgeschenke fürs Ausland
  • 25% (Personal-) Einsparung bei allen Ministerien auf Bundes- und Landesebene
  • Beendigung aller monetären Subventionen für die Industrie
  • 10%ige Reduktion der Besteuerung von Unternehmensgewinnen
MartinKienzle
3 Monate her

Das Wirken der BRD-Elite lässt erkennen, dass sie wie einst das SED-Politbüro im Herbst 1989 ratlos ist, das bedeutet, dass deren Tage gezählt sind, das wiederum einen neuen Feiertag für das indigene Deutsche Volke begründen wird!

Michael M.
3 Monate her

Das lanzsche Geschaffel ist doch nichts anderes als Nonsens „von Geistesschlanken für Geistesschlanke“ und wenn diese komische TAZ-Tante dabeisitzt sowieso.

Last edited 3 Monate her by Michael M.
CaTo23
3 Monate her

Es wird wohl eher der Herbst der Entäuschungen werden.

Riffelblech
3 Monate her

Jeder Einzelne der heutzutage von irgendeiner irgendeiner Kriegwilligjeit ,von irgendeiner Form der „“ Landesverteidigung „“ spricht weiß zu 100% genau as es ihn nicht betreffen wird ( Bunker und so ) . Die „ Anderen „ dürfen sich den Körper zerbomben ,zerschießen und zertrümmern lassen . Die Andern sind die Dämel die sich dem „Siegversprechen “ in einer Bundeswehr oder NATO hingegeben haben ohne jemals an einem der Reaktionsknöpfe gesessen zu haben. Krieg , das sollten wir am Beispiel der Ukraine sehen ist der Fleischwolf der einfachen Leute . Das war bei Russland gegen Napoleon so ,das war im 1.WK… Mehr

Kampfkater1969
3 Monate her
Antworten an  Riffelblech

Habeck hat gesagt, er zieht für seine Kinder in den Krieg….. und hat sich dann sofort aus dem Staube gemacht.

November Man
3 Monate her

Auch diese linke Regierung braucht Geld, sehr viel Geld. Und sie werden es sich bei den deutschen Staatsbürgern holen. Egal wie. Und für die maßlose Schuldenmacherei haften die Politiker auch nicht, sondern die Bürger. Die Linksextremen kommen nicht mal auf die Idee bei den unnötigen Kosten für die Ukraine, dem gnadenlosen Minusgeschäft EU und Target II, den nicht möglichen Kampf gegen das Klima oder bei den immer weiter ausufernden und rasant steigenden Migrationskosten einige hundert Milliarden einzusparen. Im Gegenteil, die Linksextremisten treiben dieses Land immer weiter in den Ruin.   

Or
3 Monate her

Der Herbst ist die Zeit der Reformen ! Ja sicher. Wer das glaubt, der glaubt auch die vielen Wahlversprechen des Herrn Merz. Und Erbschaftsteuer gehört komplett gestrichen. Nehmen wir an, eine Immobilie wird vererbt. Diese wurde durch ein schon versteuertes Einkommen erworben, in jedem Stein, in jeder Leitung, in jeden Eimer Farbe steckt wiederum Mehrwertsteuer, Handwerkerarbeiten an dem Haus unterliegen allen möglichen Steuern und beim Kauf wird noch Grunderwerbsteuer, später die Grundsteuer fällig. Ja wie oft will der Staat Dieses noch besteuern ? Und beteiligt sich der Staat, sollte das Erbe hoch verschuldet sein und erstattet dem Gläubigern dann seinen… Mehr

stb0815
3 Monate her
Antworten an  Or

Genau so. Aber die Regierung führt die Neiddebatte und viele, die nichts erben, stimmen natürlich zu.

November Man
3 Monate her

Merz: „Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es eine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland nicht geben“.
Man weis nun nicht ob der Mann nur keine Ahnung hat oder so raffiniert ist solch einen ausgemachten Blödsinn der Öffentlichkeit zu verzapfen. Man könnte auch meinen er will da ein ganzes Volk für dumm verkaufen. Mittelständische Unternehmen zahlen keine Einkommensteuer. Deshalb kann es auch keine Erhöhung der Einkommenssteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland geben. Merz lass stecken und Rücktritt sofort.   

verblichene Rose
3 Monate her
Antworten an  November Man

Er meint wahrscheinlich die Körperschaftssteuer.
Die Einkommenssteuer wird allerdings überall fällig, wo es Angestellte und ein Einkommen aus selbständiger Arbeit gibt.
Aber glauben Sie ja nicht, daß er den Unterschied kennt 😧

Kontra
3 Monate her

Wo ist eigentlich Carsten (einfach mal machen) Linnemann? Auch schon keinen Bock mehr diesen KleiKo Mist bei Lanz als pures Gold zu verkaufen?

Peter Gramm
3 Monate her

Prof. Raffelhüschen hat errechnet dass die expliziten wie auch die impliziten Staatsschulden ca. 454% des BIP betragen. Da kann man nur sagen…weiter so. Bravo. Ca. 1/3 davon belaufen sich auf die Pflege und Krankenversicherung. Jeder Journalist zerrt halt das aus seinem Gedankengebäude heraus wo er der Meinung ist dass es sich gut verkauft. So auch Frau Hermann. Die Verpflichtungen werden immer gigantischer. Da gibt es nichts mehr gesund zu beten. Isch over. (Schäuble). Dank der grünen Agenda hat die tragende Säule der deutschen Ökonomie, die Automobilwirtschaft, als Basis unseres Wohlstandes ihre Zugkraft verloren. Alles verursacht durch Hütchenspieler die auf öffentliche… Mehr

Last edited 3 Monate her by Peter Gramm