Öffentliches Finanzvermögen schrumpft weiter

Der Kollaps der deutschen Industrie hat eine Kettenreaktion ausgelöst und reißt auch die öffentlichen Finanzen in die Tiefe. Der Rückgriff auf die Finanzreserven zur Überbrückung nicht gedeckter Zahlungsverpflichtungen lässt das Finanzvermögen des Staates ebenso schrumpfen wie die Krise am Anleihenmarkt.

picture alliance / dts-Agentur | -

Zur Überbrückung nicht kalkulierbarer Ereignisse wie Konjunkturkrisen und externer Schocks unterhalten die Träger der öffentlichen Hand, Sozialversicherungen sowie die unterschiedlichen Gebietskörperschaften, eigene Finanzreserven – eine Art Notgroschen für schlechte Zeiten. Zusammengerechnet beträgt diese „Firepower“ des Staates derzeit etwa 1,134 Billionen Euro.

Die Verwaltung dieses Kapitals folgt einem engen gesetzgeberischen Regelwerk. Im Kern: Bareinlagen bei der Bundesbank und Euro-Staatsanleihen – Relikte einer Zeit, als Anleihen noch das Rückgrat des Finanzsystems bildeteten und Staatsverschuldung längst nicht die heutigen Dimensionen erreicht hatte.

Im Grunde genommen stehen wir vor einem klassischen Ponzi-Schema: Banken und Versicherungen werden vom Gesetzgeber zum Kauf neuer Schuldenpapiere gezwungen und bilden somit indirekt die Schuldentragfähigkeit des Staats ab, den sie damit finanzieren. Gleiches gilt auch für die öffentlichen Kassen – ihre Stabilität steht und fällt mit der Kreditwürdigkeit des Emittenten der Schulden, die sie in ihre Bilanz aufgenommen haben.

Sattes Minus in der Kasse

Am Montagmorgen veröffentlichte nun das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden die konsolidierten Zahlen des öffentlichen Finanzvermögens für das abgeschlossene Jahr 2024. Aktuellere Daten liegen nicht vor, die Publikation erfolgt stets mit etwa neunmonatiger Verspätung.

Folgt man dem Zahlenwerk, so ist vor allem das Finanzvermögen des Bundes dramatisch zusammengeschrumpft. Innerhalb nur eines Jahres verlor man 2,4 Prozent, sodass die Reserve nun noch 435 Milliarden Euro umfasst – ein Wert, der angesichts steigender Ausgaben wie ein zügig schmelzender Eisblock wirkt.

Ganz anders die Kommunen: Hier zeigt sich ein stabiles Bild. Mit einem Zuwachs von lediglich 15,6 Millionen Euro – statistisch ein Wimpernschlag – verharren Gemeinden und Gemeindeverbände bei soliden 246,9 Milliarden Euro. Bei den Gemeinden muss man allerdings berücksichtigen, dass in diesem Jahr aller Voraussicht nach konjunkturbedingt ein Haushaltsminus von 36 Milliarden unter dem Strich stehen wird. Der Rückgriff auf die Reserven ist also bereits eingebucht.

Es sind vor allen Dingen die industriellen Zentren der Republik, die aufgrund der massiven Krise und einem Produktionsrückgang von bis zu 25 Prozent in den Kernsektoren der Industrie und Bauwirtschaft seit dem besten Jahr 2018 nun in leere Kassen blicken – vor allen Dingen das Gewerbesteueraufkommen in den betroffenen Regionen ist buchstäblich zusammengebrochen.

Die Länder wiederum präsentieren ein gemischtes Panorama. Insgesamt schrumpften ihre Kassenbestände um 0,3 Prozent auf 281,8 Milliarden Euro. Doch hinter dieser Zahl verbirgt sich eine enorme Spreizung: Mecklenburg-Vorpommern glänzt mit einem Plus von satten 22,7 Prozent, während Sachsen-Anhalt ein bitteres Minus von 15,3 Prozent verbuchen muss.

Krise der Sozialkassen

Am heftigsten erwischte es die Sozialversicherung. Ihr Finanzvermögen im nicht-öffentlichen Bereich rauschte um 6,1 Prozent oder 11,1 Milliarden Euro in den Keller und landete Ende 2024 bei 170,3 Milliarden Euro – ein deutlicher Hinweis auf die angespannte Lage in den sozialen Sicherungssystemen.

Die Sozialkassen steuern 2025 auf ein tiefrotes Jahr zu. Besonders die Gesetzliche Krankenversicherung ächzt unter einer Finanzierungslücke von rund 47 Milliarden Euro – so groß, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag von derzeit 1,7 auf 2,5 Prozent klettern dürfte. Auch die Pflegeversicherung kommt nicht zur Ruhe: Hier erwarten Experten ein Minus von drei bis knapp fünf Milliarden Euro. Zusammengenommen ergibt sich ein bedrückendes Bild.

Die Abgabenlast klettert auf etwa 42,5 Prozent der beitragsrelevanten Einkommen – ein Niveau, das Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen trifft. Aus dem Schutzschild der sozialen Sicherung ist ein finanzielles Pulverfass geworden. Ohne harte Reformen drohen eine beschleunigte Beitragsspirale und weiter aufreißende Finanzlücken in den Kassen Löcher in den Kassen.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bestätigte diese Entwicklung und verwies auf die enorme Kostendynamik bei den gesetzlichen Krankenkassen. Wanken rechnet man ab 2027 mit Defiziten im zweistelligen Milliardenbereich, will aber die Beiträge stabil halten. Wie das gelingen soll, steht allerdings in den Sternen. Die Koalition hat sich in der Debatte um notwendige Reformen vollständig verhakt und steuert das Land damit auf französische Verhältnisse zu.

Der Absturz der Finanzen signalisiert, dass die Belastungen durch steigende Gesundheits- und Rentenausgaben längst nicht mehr durch den Beitragszahler aufgefangen werden kann. Die Sozialkassen sind zur Achillesferse des gesamten öffentlichen Finanzgefüges geworden – mit der Gefahr, dass steigende Beiträge der Versicherten und Unternehmen oder neue Schulden unausweichlich werden.

Und eine Debatte um die Folgen der illegalen Migration in das deutsche Sozialsystem hinein oder um die Finanzierung des längst verlorenen Kriegs in der Ukraine scheut die Politik wie der Teufel das Weihwasser.

Anleihenmarkt belastet zusätzlich

Neben das rezessionsbedingte Problem aufreißender Haushaltslücken, die wohl verstärkt durch den Rückgriff auf die bestehenden Reserven geschlossen werden müssen, tritt ein säkulares Phänomen am Anleihenmarkt. Dort steigen seit einigen Jahren die Zinsen kontinuierlich an – ein Zeichen dafür, dass sich Investoren Schritt für Schritt von den überschuldeten Staaten abwenden und Anleihenpakete abstoßen.

In der Folge fallen die Anleihenpreise und lassen den Vermögensbestand der öffentlichen Kassen zusätzlich schrumpfen.

Der steigende Goldpreis ist das beste Indiz dafür, dass man sich nun vom Drittparteienrisiko und möglichen Schuldenkrisen der Staaten lösen möchte.

Wir sind damit in einem schneller rotierenden Teufelskreis angelangt.

Mit Blick auf die Steuerdebatte in Deutschland, die inzwischen auch das Ehegattensplitting erreicht hat, wird immer offensichtlicher: Der Staat sucht sein Heil darin, den privaten Sektor buchstäblich ausbluten zu lassen – um Zeit zu gewinnen und notwendige Reformen hinauszuschieben. Das Klima innerhalb der Koalition ist dabei offenbar wichtiger als ein stabiles, tragfähiges Staatsfundament. Mit dieser Politik entzieht der Staat dem privaten Sektor die Mittel, die dringend nötig wären, um künftig wieder erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Die Folgen werden dramatisch sein – und auch die neue Bundesregierung in eine tiefe Krise stürzen.

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Kommentare ( 32 )

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VollbeschaeftigtmitNichtstun
2 Monate her

Ich bin sehr gespannt, wie das endet… aber je eher, desto besser. Etwas anderes hat dieses verkommene Land eh nicht verdient. Und es wird auch keine Änderung geben, egal ob AFD oder sonstwer da die Mehrheit irgendwann einmal hat, die Weichen sind gestellt und der Zug wird vor die Wand fahren. Die Bürger wollen es so und sie werden es bekommen, all das Elend, wovor sie sich so fürchten. Damit wird auch Europa und der Euro verfallen. Schönes Beispiel dafür, dass es auch ohne Krieg geht.

BKF
2 Monate her

Die Abgabenlast klettert auf etwa 42,5 Prozent der beitragsrelevanten Einkommen – ein Niveau, das Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen trifft.“ Die Abgabenlast für den Arbeitnehmer dürfte höher sein, da der Anteil, welchen der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abführt ja auch aus der Gehaltsumme bezehlt wird und deshalb eigentlich Bestandteil des Lohnes ist und nur vorher schon verbucht wird, bevor das Arbeitnehmerbrutto ausgewiesen wird.

St.Elmo
2 Monate her

Vielleicht ist das alles Absicht, dann können CDU/CSU SPD usw. der AfD, wenn sie in 2029 an die Regierung kommt, die Schuld an der desaströsen Lage geben.

bfwied
2 Monate her

Die Folgen sind katastrophal. Der primitive Trick ist immer derselbe, wenn eine Firma weniger Gewinne macht: Sie verteuert die Produkte. Aber die Folge ist, dass das Produkt noch weniger gekauft wird, weshalb sie noch weniger verdienen. Der Staat handelt genauso dumm: Er holt sich Geld vom Bürger, immer mehr, er zockt hirnlos ab, mit der Folge, dass weniger konsumiert werden kann, also weniger produziert, also weniger gearbeitet, also weniger verdient …! Wenn nun das Ehegattensplitting abgeschafft wird, was sind die Folgen? Noch weniger Kinder, im Falle von Arbeitslosigkeit muss der Staat einspringen mit Bürgergeld etc. Die Folgen sind vielfältig, auf… Mehr

roffmann
2 Monate her

Wenn der Herr Finanzminister so sensiebel ist wie der Merz gesagt haben soll , dann wird er den Job nicht lange machen können ! Ein Kassenwart mit leerer Kasse ? das geht an die Nerven und ist nur für ganz HARTE !

GefanzerterAloholiker
2 Monate her

In Jawrow ist ein Mercedes Werk.

Phil
2 Monate her

„Zur Überbrückung nicht kalkulierbarer Ereignisse wie Konjunkturkrisen und externer Schocks unterhalten die Träger der öffentlichen Hand, Sozialversicherungen sowie die unterschiedlichen Gebietskörperschaften, eigene Finanzreserven – eine Art Notgroschen für schlechte Zeiten.“ Die Ereignisse waren alle kalkulierbar, die Konjunkturkrise ist politisch erzeugt und man geht jetzt ans Eingemachte wegen interner Probleme. Das einzige „Wachstum“ das Deutschland die letzten Jahre erlebt hat, war jenes des Sozialstaates und der Brüsseler und Berliner Bürokratie. Die eigentliche Preissteigerung bei der Energie, welche von der Politik die ganze Zeit als eine Folge des Ukrainekrieges und die Schuld Putins angegeben wird, hat nur am Rande damit zu tun.… Mehr

verblichene Rose
2 Monate her
Antworten an  Phil

Stellen Sie sich gefälligst nicht so an. Die (Wind-)Räder müssen sich drehen für den Endsieg an der Klimawandelfront!
Daß dabei „Großräume“ wie Deutschland unter die Räder kommen ist volle Absicht.
Immerhin hat Peru jetzt Fahrradwege und ganze Teile Afrikas neue, gendergerechte Toiletten!
Was sagen Sie? Die Afrikaner gehen alle in Deutschland auf’s Klo? Sie…! Sie sind ja ein schäbiger Lump…!

Herr Rossi
2 Monate her

Ich möchte nicht Wissen was Passiert, wenn auch für unsere Gäste kein Geld mehr da ist…Aber das geschieht bestimmt erst zum Schluss…Nach dem Kollaps! Vor deren Wut haben unsere Experten Angst! Dann werden wir ALLE die Dankbarkeit unserer Schutzsuchenden am eigenen Leibe erleben!

GrafZahl04
2 Monate her
Antworten an  Herr Rossi

Die Gäste werden dann Schlauchboote horten und hoffen auf die Überfahrt nach GB! Natürlich auch das dort Schlepper sich befinden und die Anstelle Helgoland ansteuern nach GB kommen, um dort zu Arbeiten.

wenmic
2 Monate her

Ach kaum opfert man die Wirtschaft an den Klimaaffenzirkus ist kein Geld mehr da, wer hätte das von den ganzen Langzeitstudenten im Bundestag wissen können.

abel
2 Monate her

Ich sage immer nur: Ohne diese ÖRR-Gehirnwäsche der breiten Bevölkerungsschicht könnte der Staat uns nicht so dramatisch verar….. Und dieses falsche Spiel wäre schon längst aus.