Liberale Bastion oder der nächste Umfaller: die Stunde des Volker Wissing

Verkehrsminister Volker Wissing kämpft gegen das Verbot von Verbrennungsmotoren. Der Pfälzer ist der Architekt der Ampel. In der Koalition kommt seine Partei, die FDP, nun an einen entscheidenden Punkt.

IMAGO / Bildgehege

Ein Fest. Im Hof des Abgeordnetenhauses in Mainz. Es ist dunkel. Die Landtagsabgeordneten und ihre Entourage samt Journalisten haben sich müde gefeiert, die ersten Zungen bewegen sich bereits deutlich schwerer. Plötzlich steht Volker Wissing unter ihnen. Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister taucht erst zu einem späten Zeitpunkt der Party auf. Mit nüchternem Kopf führt er jetzt ernste Gespräche mit Politikern und Journalisten, die ein wenig schwanken.

Es ist kein untypischer Auftritt für Volker Wissing. Der Jurist ist ein unerhört disziplinierter Mann, taktisch klug, hat Geduld und eine hohe Frustrationstoleranz. Spät aufzutauchen und dann abzuräumen, passt da ins Bild. Er war bis 2013 Bundestagsabgeordneter in Berlin, an den Mühen des Landesverbandes liegt ihm wenig. Dann fliegt die FDP aus dem Bundestag, Wissing mit ihr. Er hat zuvor in aussichtsloser Lage einen harten, aufopferungsvollen Wahlkampf hingelegt, in seinem Heimatland sogar den Landesvorsitz der Partei übernommen – alles vergeblich. Die Fehler von Rainer Brüderle und Philipp Rösler waren zu groß, als dass ein Kämpfer an der Basis eine Chance gehabt hätte.

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Wissing geht zurück nach Rheinland-Pfalz, wo seine Partei auch in der außerparlamentarischen Opposition ist. Frustriert ist Wissing. Wegen der Fehler in der FDP. Aber auch wegen Angela Merkel (CDU). Der Bundeskanzlerin wirft er vor, sie habe ihren Koalitionspartner bewusst hängen lassen. Und der Bundeskanzlerin hat er bis heute ihre gefühllose Kommentierung der FDP-Katastrophe nicht verziehen. Wissing wird zum Fürsprecher die Idee, die FDP aus dem alten bürgerlichen Bündnis mit der CDU heraus zu schmieden – die Liberalen für andere Koalitionen zu öffnen.

2016 zieht die FDP mit Wucht an den Grünen vorbei und wieder in den rheinland-pfälzischen Landtag ein. Als stellvertretender Ministerpräsident wird er der Architekt einer Ampelregierung, die ebenso erstaunlich schnell zusammenkommt, wie sie ruhig zusammenarbeitet. Doch jeder weiß: Mainz ist zu klein für Wissing – nur eine Zwischenstation. Es drängt ihn nach Berlin. Noch vor der Landtagswahl 2021 wird er der Generalsekretär der Partei und ihr Vordenker für eine Ampelkoalition auch auf Bundesebene.

Dezember 2021: Die Ampelparty beginnt. Und um Wissing wird es erstaunlich still. Er überlässt Finanzminister Christian Lindner die Partys auf Sylt, Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Auftritte in Talkshows und Marco Buschmann die Titelbilder in der Bild-Zeitung. Der Justizminister verspricht kernig, er werde die Nord-Stream-Saboteure jagen – ein halbes Jahr später ist das nur noch eine peinliche Erinnerung. Die Ampel-Party gerät ins Stocken, da taucht Wissing wieder auf – urplötzlich. Aus dem Dunkeln.

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Der Verkehrsminister widersetzt sich dem für 2035 von der EU geplanten Verbot für Verbrennungsmotoren. Dies sei nur denkbar, wenn bis dahin die Nutzung von E-Fuels möglich sei. Aus Energieüberschuss gewonnener Antrieb – bestenfalls aus einem Überschuss an erneuerbaren Energien gewonnener Antrieb. „Vor dem Hintergrund der enormen Bestandsflotte an Pkw, die wir alleine in Deutschland haben, kann es für die FDP nur einen Kompromiss bei den Flottengrenzwerten geben, wenn auch der Einsatz von E-Fuels möglich wird“, sagt er der Bild. Dazu fehle es bisher an konkreten Vorschlägen.

Es ist kein Zufall, dass sich Wissing in der Bild äußert. Sie ist ein Brückenmedium für die FDP. Eine Brücke, die zwischen den Wählern der FDP und den Lebenswelten der FDP-Politiker verbindet: Lindner und Buschmann umgeben sich am liebsten mit woken, linken Journalisten, die aber in ihrer Berichterstattung keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die FDP machen. FDP-Wähler lesen liberal-konservative Medien. Medien, denen Lindner, Buschmann und Co keine Interviews geben. Deren Leser sie aber an den Sonntagen im Jahr vermissen, an denen eben diese Leser wieder mal an 5,0 Prozent für die FDP fehlen – wie in Niedersachsen. Oder im Saarland. Oder in Berlin.

Die Bild geht gerade noch. Zu ihr steigen FDP-Politiker aus ihrem High-Society-Leben in die Niederungen ab, wo sie verloren gegangene Wähler vermuten, die sie so gerne zurückgewinnen würden. Es ist nicht Wissings erster Abstieg in diese Niederungen. Zum Jahreswechsel – sechs Wochen vor der Berlin-Wahl – verkündete er schon einmal, dass er sich für die längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken einsetze. Die Ankündigung war furios – das Ergebnis gleich Null.

Nun kämpft Wissing also für den Verbrennungsmotor. Der einstige Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz weiß zu gut, was es bedeutet, wenn Opel, Bosch und Mercedes massiv Stellen abbauen. Dass er seinen Kampf ernst meint, ist ihm abzunehmen. Ob er ihn gewinnt, ist indes offen. Mit Kämpfern wie Lindner oder Buschmann an seiner Seite. Offen ist da das Ergebnis. Oder viel mehr fraglich. Die FDP wird bis 2025 noch oft die bürgerlichen Wochen vor der nächsten Wahl ausrufen. In die Niederungen absteigen, um dort vielleicht auf ehemalige Wähler zu treffen. Aber nur ungern, weil sich Lindner und Buschmann eigentlich im woke-linken Milieu viel wohler fühlen. Ein kleiner Pro-Tipp an die beiden: einfach mal Rainer Brüderle fragen, wie viele von diesen Journalisten noch mit einem reden, wenn man erst einmal aus Amt und Bundestag gewählt wurde.

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Kommentare ( 46 )

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Lutz Knuller
1 Jahr her

Die FDP von Otto Graf Lambsdorf war dereinst die wirtschaftsliberale Stimme der Politik in Deutschland. Davon ist dank Lindner und Buschmann nichts mehr geblieben.
Ob Wissing hier mit seinem Sachverstand gegensteuern kann? Denn darüberhinaus braucht er noch kompetente, wirtschaftsliberale Mitstreiter. Schwierig zu finden…

Orlando M.
1 Jahr her

Der Verkehrsminister widersetzt sich dem für 2035 von der EU geplanten Verbot für Verbrennungsmotoren. Dies sei nur denkbar, wenn bis dahin die Nutzung von E-Fuels möglich sei.“
Wenn er das so gesagt hat, dann ist er der Hellsten einer nicht. Denn wenn Verbrenner verboten werden, wer braucht dann E-Fuels? Weiter unten steht dann etwas von Flottengrenzwerten, das klingt schon nachvollziehbarer, ist allerdings auch Unsinn.
Zitat Wiki: „Die Verbrennung der E-Kraftstoffe erzeugt grundsätzlich ebenso viel umweltschädliche Abgase wie normale Kraftstoffe.“
Also doch auch mit Wissing das Verbot.

cleverfrank
1 Jahr her
Antworten an  Orlando M.

Ob Wiki die neutralste Informationsquelle ist, sei dahingestellt. Bei den E-Fuels wird auf das Herstellungsverfahren geschaut. Das später ausgestossene CO² wird beim Herstellungsprozess „Power-to-.Liquid“ der E-Fuels aus der Umwelt gebunden.
Das energieintensive Verfahren hätte den Vorteil, auch in weniger entwickelten Ländern als Treibstoff eingesetzt werden zu können. Andernfalls würde Afrika garantiert mit den alten Verbrennern weiterfahren.

RUEDI
1 Jahr her

Die FDP ? Stichworte LTW Thüringen / Kemmerich / Augenbraue von Merkel zuckt/ Lindner fällt um und bittet um Gnadenbrot – so geht FDP for ever. Mehr musst Du nicht wissen.

Klaus D
1 Jahr her

Typisch FDP! Die FDP brüllt gerne laut wenn man nicht mitregiert ist man dann aber mit am regieren hört man so gut wie nichts mehr von ihr. Das hatten wir doch auch schon unter Westerwelle wo aus der forderung nach einer großen steuersenkung ein steuerchen-senkung für hotels übrig geblieben ist.

Mermaid
1 Jahr her

Vielleicht ist der Zeitpunkt für diesen Vorstoß gar nicht so schlecht gewählt.
In den anderen Forumsbeiträgen hier klingt es schon an und dann die überraschende Wende von Frau Giffey in Berlin.
Für die Grünen könnte bald „Schicht im Schacht“ sein.
Hoffentlich.

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Mermaid

Wäre super aber auch rot-schwarz bringt uns nicht wirklich weiter.

RUEDI
1 Jahr her
Antworten an  Mermaid

Gestern FDP-Beschimpfung mit einem hyperventilierenden Lanz und seinem Tross – „Das Abstimmungsverhalten muss rückgängig gemacht werden“.
Ab jetzt Grüner- Doppel -Wumms in ÖRM : Auf Linie bringen !

Thorsten
1 Jahr her

Die FDP hat nach der Merkel-1 Koalition nur die verdiente Abrechnung bekommen, wenn da Merkel in die Haftung genommen wird, dann ist das genauso lächerlich wie heute.
Es ist die FDP die NICHT liefert, was sie verspricht und abgewatscht wird. Doch beim Verbrenner geht es um das Herz Deutschlands: die Autoindustrie UND der Maschinenbau als Zulieferer.
Also kein „mi-mi-mi“ sondern es ist ein Existenzkampf für Deutschland. Aber genauso für die FDP.

Or
1 Jahr her

Nun, die FDP passt hervorragend in die Ampel(regierung)

Die leuchtet ja auch meistens Rot oder Grün und nur ganz kurz Gelb.

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Or

Und gelb spielt auch keine rolle an einer ampel….rot = stop und grün = fahren…gelb = ?

Kralle Krawinkel
1 Jahr her

Verbrenner-Aus, Zerstörung der Landschaft mit Windrädchen, Phantom-Strom-Steuer, Rentner RAUS aus Heimplätzen, Migranten-Gewalt, Staatsverschuldung auf Rekordhoch, Corona-Terror und -Lügen, KLima-Terror, Insekten-Fraß, Nordstream-Terror, Energieabschaltung, BASF-Werksstillegung, Krieg der USA gegen Rußland, Cum-Ex-Skandal, Korruptions-Skandal in der EU,…ich will nicht langweilen, aber das ist nur die aktuelle Liste.
Aus für Alles, Terror gegen Alles. Die FDP kämpft nicht für D. Sie sind ein Teil des Problems. Wissings aufrechte Haltung in allen Ehren.

Klaus D
1 Jahr her
Antworten an  Kralle Krawinkel

Alles hat einen anfang und das alles fing mit einem kohl und einem ehrenwort an. Im grunde versagt hier doch die ganze deutsche oberschicht (elite) obwohl man sich gerne damit rühmt gebildet und allwissend zu sein.

Sturmtief
1 Jahr her

Da sind wir mal gespannt, ich persönlich habe keine Hoffnung mehr für die FDP.
Aber man weiß ja nie, auch die sehen Ihre Machtposition in der Wählergunst dahin schmelzen. Sollte Sie nun das blockieren, evtl. die Ampel platzen lassen, könnte diese Partei weiterhin um die 5/6 % erreichen.

Giovanni
1 Jahr her

Es ist doch spannend! Entweder ist die Aussage von Wissing wieder nur heisse Luft? Oder sind dies Anzeichen einer Vorbereitung für einen Austritt aus der Ampelkoalition? Wir werden es erleben. Im Bundestag wird erneut über die Verlängerung der Kernkraftenergie abgestimmt werden. Wie wird sich die FDP verhalten?