Die Deutsche Moral-Bahn

Mit der neuen Konzernstrategie „Starke Schiene“ der Deutschen Bahn entstand gleichzeitig auch eine neue Image- und Marketingstrategie. Doch wie politisch darf ein Unternehmen, das sich im staatlichen Besitz befindet, werben, moralisieren und beeinflussen?

Bild: Deutsche Bahn AG
Berlin, Ostbahnhof, Mitte September 2019. Bahnchef Richard Lutz enthüllt die neue grüne Werbebotschaft – Marketing oder Politik?

So schnell kann’s passieren mit einem PR-Gau: Da fährt Greta Thunberg mal nicht Segelschiff, sondern Bahn – und muss wegen ausgefallenem Zug erstmal auf dem Boden kauern. Später wird die Reise mit der Deutschen Bahn mit einem Platz in der 1. Klasse fortgesetzt, kontert die Bahn auf Twitter und gibt damit an. Aber damit fühlen sich nun Millionen Bahnreisende verprellt, die brav zahlen für Hock- und Stehplätze. Wie durchgehend die Marketingampeln auf Grün stehen, sollte das neue Außendesign der 280 ICE-Züge demonstrieren . Der rote Streifen, das Markenzeichen der Deutschen Bahn, wird erstmals umgeändert. In welche Farbe? In Grün natürlich. Am ersten und letzten Wagen der Züge wird der rote Streifen durch einen grünen ersetzt, welcher in einen angedeuteten Stecker mündet. Und damit die Streifen auch wirklich von jedem verstanden werden, ist auf ihnen der Schriftzug „Deutschlands schnellster Klimaschützer“ (Hashtag „#schnellster klimaschützer“) angebracht. Dieses Design oder besser gesagt Symbol soll den Fahrgästen den Eindruck vermitteln, alle ICE-Züge seien mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs.

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Das grüne Design zeigt bereits, wie die Deutsche Bahn, ein Unternehmen im Besitz des Staates, über dem immer schmaler werdenden Grat von Marketing und Politik schwebt. Man könnte es sich einfach machen, indem man dies als eine harmlose klimafreundliche Imagestrategie abtut. Doch wer genauer hinschaut, sieht, dass mehr dahintersteckt.

Es scheint, als werde mit der Mogelpackung (100 Prozent Ökostrom) das ganz normale Werbeinstrumentarium für die Symbolpolitik der Bundesregierung instrumentalisiert. Angenommen, die Bahn schaffte es nicht, ihre „Umweltstrategie“ mit geplanten „152 Umweltmaßnahmen“ konzeptionell oder zeitlich umzusetzen, so bleibt der grüne Streifen „als Symbol der klimafreundlichen Bahn“, welcher die Fahrgäste im Glauben lässt, die Bahn (und die Regierung) täten etwas fürs Klima.
Generell lässt das gesamte DB-Marketingkonzept den Eindruck zu, dass jedweder Rezipient den Staatskonzern Deutsche Bahn mit den Themen grün, Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit und Tierschutz assoziieren soll. Dabei wollen die Leute doch in erster Linie pünktlich von A nach B kommen.

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Natürlich stellt das neue Design für sich genommen noch keine absolute Grenzüberschreitung zwischen Marketing und Politik dar. Grenzwertig wird es allerdings bei den Werbespots. Die Bahn hat gleich mehrere Spots für ihre Umweltstrategie entwickeln lassen. Eine fünfteilige Reihe heißt zum Beispiel „Shoutout fürs Klima“: Fünf Poetry Slammer bekommen jeweils einen eigenen Spot, in dem sie ihr selbst verfasstes Gedicht über das Thema Klima und Bahn vortragen; sie selbst sind ebenfalls in dem jeweiligen Spot zu sehen.

Ein besonders kritischer Spot ist von der Berliner Spoken-Word-Künstlerin und Rapperin Jessy James LaFleur. Der Spot „Ich würde heute noch einen Baum pflanzen“ beginnt bereits mit einer tickenden Uhr, die als Schatten in der Handfläche der Künstlerin zu sehen ist. Währenddessen folgen die Worte: „Wir tun weiterhin so, als wüssten wir nicht, dass dieses Jahrhundert zu unserem Schicksalsjahrhundert wird.“ Bei „aber wir wissen längst, was uns noch blüht“ wird eine Pusteblume zerblasen. Während der Worte „nämlich immer weniger“ sieht der Rezipient einen als Weltkugel dargestellten aufgeblasenen Spielball, der bei jenen Worten schrumpft und einsinkt.

Bei den Worten „wir stürzen eine Welt in den Burnout, eine Welt, die uns nicht einmal gehört“ fällt der Spielball zu Boden. Des Weiteren sagt LaFleur: „Direkt vor unserer Haustür geht ein Wunderland zugrunde“ und vor allem: „Heute muss jeder zum Umweltschützer werden“ sowie: „Also wenn wir doch wissen, dass morgen die Welt in tausend Stücke zerbricht, dann lasst uns heute noch Bäume pflanzen und handeln.“

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Die Werbespots in Kombination mit den restlichen Marketinginstrumenten stellen also keine Kampagne mehr dar, welche die vermehrte Nutzung der Deutschen Bahn bewerben soll. Vielmehr ist das eine deutliche Haltungskampagne. Unübersehbar wird hier die Moralkeule geschwungen. Durch die Wahl bestimmter Wörter werden in den Spots Ängste innerhalb der Bevölkerung geschürt und die vorhandene Hysterie in der Gesellschaft gefördert.

Damit erschwert die Bahnkampagne eine sachlich fundierte Klimaschutzdebatte und erweckt den Eindruck, dass man sich bei der „Fridays for Future“-Bewegung anbiedern wolle. Die vorgeführten Betonbauten sowie die permanent gezeigten Tiere und Grünflächen emotionalisieren den Rezipienten, der parallel mit Worten moralisiert wird. Da es sich um ein Unternehmen handelt, das 2018 rund 2,5 Milliarden Fahrgäste zählte, stellt dies durchaus eine Beeinflussung der Massen dar.

Politik über die Schiene

Der Staatskonzern fordert den Rezipienten mit seiner Werbekampagne implizit auf, Umweltschützer zu werden, grün zu werden, grün zu handeln. Dabei ist die Bahn ein Transport- und kein Umweltschutzunternehmen. Fahrgäste werden unter moralisch-grünen Druck gesetzt, obwohl das mit dem Zweck der Firma nichts zu tun hat.
Als Abbinder sind am Ende eines Spots immer die gleichen Worte zu hören: „Das ist grün.“ Diese finden sich auch auf den Webseiten der Bahn, wo es beispielsweise heißt: „Mit uns sind Sie Umweltschützer. Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Der Klimawandel ist mit Händen zu greifen.“

„Das ist grün“ heißt gleichzeitig das „Programm“ mit den 150 Umweltmaßnahmen. Damit erhält der Spruch eine Doppelfunktion: moralisieren und werben. Doch damit wird nicht nur für die Deutsche Bahn geworben, die das Klima retten soll, sondern auch für die Bundesregierung, die zeigen muss, dass sie das Klima retten will und kann.

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Und das ist schließlich die ultimative Grenzüberschreitung: Die Deutsche Bahn AG hat sich als Unternehmen zu einem Unterstützer der (Wahl-)Werbung der Bundesregierung transformiert. Das Unternehmen ist in die grüne Zange des Staates geraten und wird für politische Zwecke der Bundesregierung funktionalisiert, gar missbraucht. Und das noch nicht einmal versteckt. Anfang August verkündete Sören Bartol, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, dass der „Unternehmenszweck“ der Deutschen Bahn AG neu ausgerichtet werde. „Um unsere Klimaschutzziele in der Mobilität zu erreichen, muss das Angebot auf der Schiene besser werden“, sagte Bartol dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Oder eben anders formuliert: Um die Klimapolitik der Bundesregierung zu verkaufen, muss die Bahn als Klimaretter herhalten.

Besonders das Marketing unterstreicht insgesamt, in welchem Ausmaß die Bahn als Klimaschützer und Klimaretter der Bundesregierung fungieren muss – wenn auch vorerst nur symbolisch. Es fragt sich indes, ob mit dieser verschobenen Symbolpolitik eine größere Akzeptanz der Klimapolitik seitens der Bevölkerung erreicht werden kann.

Es scheint, als versuche man, es der Bevölkerung mit dem moralischen Druck leichter zu machen, die Bahn als Transportmedium zu benutzen, statt beispielsweise das nun preislich erhöhte Fliegen. Nicht umsonst sitzen im Kanzleramt sogenannte Nudging-Experten (von Englisch „to nudge“, anstupsen).

Wenn dem so ist, dann wird die Deutsche Bahn von der Regierung für ihre politischen Zwecke missbraucht, denn dann geht es nicht mehr um Marketing, sondern um reine Beeinflussung. Den Versuch, politische Meinungen zu formen oder öffentliche Sichtweisen zugunsten der Regierung zu beeinflussen, könnte man bösartig auch Propaganda nennen.

Ob Union und SPD mit dieser grünen Werbekampagne des Staatskonzerns punkten können, ist allerdings noch ungewiss. Vielmehr sieht es mit jeder Werbung stärker nach einem Eigentor aus. Mit Begriffen wie „grün“, „Klima“, „Umwelt“, „Natur“, „Tierschutz“, „Nachhaltigkeit“ und der eingesetzten grünen Moralkeule spielt die Kampagne eher den Grünen den Ball zu. Menschen, die von der Werbung beeinflusst werden, werden die nun grün geprägte Staatsbahn nicht unbedingt mit der GroKo in Verbindung bringen.

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Kommentare ( 25 )

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Ernst-Fr. Siebert
4 Jahre her

99% der befragten „Wissenschaftler“ muss es heißen und man hat zielorientiert die „Richtigen“ befragt.
Die Wissenschaft, die so etwas nötig hat, entlarft sich selbst.

Reinhard Peda
4 Jahre her

Und keiner ist Aufgestanden und hat Greta einen Sitzplatz angeboten?

Harald Kampffmeyer
4 Jahre her

Also ich hätte da einen sehr griffigen Slogan für das DB-Marketingkonzept. Ist bekannt und sehr bewährt:

„Räder rollen für den Sieg!“

Dem Sieg der grünen Taliban in ihrer ‚großen Transformation‘ natürlich.

schukow
4 Jahre her

Räder müssen rollen für den Sieg, …oder was auch immer. Paßt schon, ein Unternehmen mit Tradition und Zukunft.

Teide
4 Jahre her

Wenn man den Plänen Merkels, v.d.Leyens, Roth der UN und der EU folgt hat die Sängerin Recht.

„Wir (also nicht die Leser hier, die ahnen etwas) tun weiterhin so, als wüssten wir nicht, dass dieses Jahrhundert zu unserem Schicksalsjahrhundert wird.“

Amerikaner
4 Jahre her

Die Politisierung von allen nur erdenklichen Nebensächlichkeiten, wird in dem Maß voranschreiten, wie die Erleistung von Grundlagen zum erliegen kommt. Wer schon nicht dafür sorgen kann, Züge pünktlich von A nach B zu fahren, muss eben politische Haltung zeigen.

H. Hoffmeister
4 Jahre her

Ich bin sprachlos, danke für die Aufklärung.

Werner Geiselhart
4 Jahre her

Um nur ein Fünftel der per Auto zurückgelegten Personenkilometer mit der Bahn zu bedienen, müssten deren Kapazitäten verdoppelt werden.
Wie die heilige Greta bestätigen kann, sind die aber nicht mal in der Lage, das aktuelle Aufkommen zu bedienen.
Also sollte die grüne Werbekampagne wirklich Erfolg haben und das Passagier-Aufkommen steigen, müsste die erste Maßnahme sein, auf dem japanischen Markt ausgebildete Bahnstopfer anzuwerben, die in der Lage sind, selbst in überfüllte Waggons noch 20% mehr Leute reinzustopfen.
Um mit KGE zu sprechen, ich freue mich drauf.

R.J.
4 Jahre her

Danke für diesen Bericht aus dem asylum astrosorum. Ist das so zu verstehen, dass die Werbespots, z.B. der Berliner „Poetin“, auch in der Bahn gezeigt werden? Die Dame ist ja mit Sicherheit als 100%iges zerum in materia scientiae und, im DDR-Jargon, voll entwickelte ökoligiöse Persönlichkeit anzusehen. Was nämlich zunehmend ins Auge fällt, ist der religiöse Charakter des Ganzen. Klimah ist größer, Klimah ist der Größte, und nun ist die Bahn klimlal und der Autofahrer klimram. Überhaupt finde ich die Rückkehr des religiösen Fanatismus in ökbezilem Gewand noch viel beeindruckender als die Ankunft des in seiner geistigen Schlichtheit und Regelfixierung eng… Mehr

RalledieQ
4 Jahre her

Es gibt wohl keinen Verein, der in diesem Land für mehr Frust sorgt als die Bahn. Den Bahnkunden wird es dementsprechend herzlich egal sein, mit welchem Strommix ihre ICEs mal wieder NICHT fahren.