Wie in China vor 1000 Jahren durch ungedecktes Papiergeld die Massenkriegsführung ermöglicht wurde, die bis in unsere Tage weltweit unermessliches Leid erzeugt. Von BB Wertmetall
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Nachdem die Abschaffung des natürlichen Warengeldes aus den Wertmetallen Silber und Gold in Lydien auf dem Boden der heutigen Türkei bereits um etwa 570 v. Chr. mit der Entwicklung staatlichen Münzgeldes unter König Krösus (siehe Ausgabe 06/25) begonnen hatte und dann etwa 630 Jahre später unter Nero (siehe TE-Ausgabe 07/25) die Inflationierung durch Münzverschlechterung eingeführt worden war, passierte jahrhundertelang geldgeschichtlich nichts grundlegend Neues auf
der Welt.
Dann, um das Jahr 1024 n. Chr. herum, kam es in China, in der Provinzhauptstadt Chengdu im Kaiserreich der Nördlichen Song-Dynastie, zur Einführung eines staatlichen Papiergeldes, das sich in der Folge zum ungedeckten Kreditgeld, dem sogenannten Fiat Money entwickelte. Der für die Provinz Sichuan zuständige Beamte Zhang in Chengdu begann anlässlich des Liquiditätsengpasses des Kaisers aufgrund der massiven Aufrüstung, auf Papier verbriefte staatliche Wechsel herauszugeben.
Um geringe Tributzahlungen von zwei bis drei Prozent der Steuereinnahmen an die militärisch stärkere Liao-Dynastie im Norden zu vermeiden, hatten die Song bereits 1022 eine Armee mit einer Stärke von einer Million Soldaten aufgebaut. Diese verbrauchte 75 Prozent der Steuereinnahmen. Gleichzeitig wurde in modernste Waffentechnologien wie die Schießpulverherstellung investiert.
Das Jiaozi genannte Papiergeld ermöglichte 100 Jahre Dauerkriegsführung der Song gegen die benachbarten Reiche der Liao und der Xia. Am Ende erreichten die Song einen Pyrrhussieg, dessentwegen sie, völlig geschwächt, nur wenige Jahre später von den Jurchen – einem tungusischen Volk aus der Mandschurei – erobert wurden und einen großen Teil ihres Gebiets verloren.
Der Jiaozi lautete bei der Erstausgabe im Jahr 1024 auf 1000 Käsch, das damalige Münzgeld, das inzwischen aus Eisen bestand und so wertlos geworden war, dass für einen Ballen Stoff zu dieser Zeit rund 20 000 Münzen mit einem Gewicht von
etwa 250 Kilogramm zu entrichten waren. Wie auch in der westlichen Welt hatten die Chinesen um das Jahr 550 v. Chr. ein hochwertiges Münzgeldsystem entwickelt, das aus Goldmünzen, anfänglich seltenen Silbermünzen und zahlreichen Bronzemünzen bestand. Analog zum römischen Reich wurden zur Geldmengenausweitung die Münzen im Laufe der Jahrhunderte aus immer wertloserem Material gefertigt. Aus Bronze wurde Blei und zuletzt Eisen. Gold- und Silbermünzen waren um 1000 n. Chr. in China ungebräuchlich geworden.
Kosten des Geldverkehrs gesenkt
Anstelle der Übergabe von 250 Kilogramm Eisenkäsch waren durch die Einführung des Papiergeldes plötzlich nur noch 20 Jiaozi-Scheine für den oben erwähnten Stoffballen zu überreichen – das senkte die Kosten des Handels, in diesem Fall der Wertelogistik, ganz erheblich. Die Akzeptanz im Volk wurde hergestellt, indem auch die Steuern fortan in Jiaozi entrichtet werden konnten und die Noten zunächst auch durch die kaiserlichen Gold- und Silbervorräte der Song gedeckt waren.
Doch dabei blieb es nicht. Wie schon in den vergangenen Jahrhunderten nutzten die nachfolgenden Kaiser auch mit dem neuen Papiergeld weiterhin die leistungslose Erweiterung der Geldmenge (Inflation), um ihre nicht durch Steuereinnahmen gedeckten horrenden (Militär-)Ausgaben zu finanzieren. Dabei entwickelte sich aufgrund des übermäßigen Banknotendruckes die Einlösbarkeit in Gold und Silber zum zunehmenden Problem.
Während der Yuan-Dynastie ab 1279 schaffte Kublai Khan, der Nachfolger von Dschingis Khan, die Einlösbarkeit des Papiergeldes in Wertmetalle konsequenterweise ab und etablierte damit erstmals das sogenannte Fiat Money, das ungedeckte Kreditgeld – abgeleitet vom lateinischen „fiat“, zu Deutsch „es werde“.
Der staatliche Wechsel wurde damit erstmals zu einem Schuldschein ohne Verfallsdatum, mit der Besonderheit, dass jegliche staatliche oder private Instanz fehlte, die einen gleichbleibenden Umtauschkurs in einen realen Wert garantierte – Blaupause auch für unser heutiges Eurogeld. Parallel wurde damals in China der private Silber- und Goldbesitz verboten und eine Zwangsabgabe an die Regierung verordnet.
Damit finanzierte Kublai Khan eine gigantische Militärmacht, die berüchtigten mongolischen Horden, mit denen er bis zu seinem Tod 1295 das territorial größte Staatengebilde der Weltgeschichte schuf, das sich annähernd über den ganzen eurasischen Kontinent erstreckte.
Die folgenden 150 Jahre waren geprägt von regelmäßigen Hyperinflationen mit anschließenden Währungsreformen, oft bestand eine Währung nur etwa 20 Jahre. In der Ming-Dynastie, in der es den Chinesen endlich gelang, die mongolische Fremdherrschaft zu überwinden, wurde dann ab 1450 staatlicherseits die Herstellung von Banknoten beendet und ein Silberstandard als Währungssystem eingeführt, der bis 1935 beibehalten wurde.
Die stabile Währung spiegelte sich in einer vergleichsweise friedlichen Blütezeit Chinas wider, die erst im 19. Jahrhundert mit den sogenannten Opiumkriegen endete. Und wie wurde dieser Imperialkrieg der britischen Krone gegen das chinesische Kaiserreich finanziert? Der Leser ahnt es schon: Mit dem britischen Pfund, der ersten westlichen Fiat-Money-Währung.
Wie Wechsel funktionieren
Oft wurde gelehrt, Papiergeld sei die Weiterentwicklung eines Lagerscheines auf reale Werte. Schaut man sich die Geburtsstunde des Papiergeldes in Chengdu an, werden andere Zusammenhänge sichtbar.
Bereits seit Jahrhunderten waren in dieser westchinesischen Region Wechsel insbesondere für hochwertige Güter wie Tee, Salz und Baumwolle gebräuchlich. Der Wechsel ist ein umlauffähiger Schuldschein, der in Abgrenzung zum Kerbholz, das bereits seit frühester Menschheitsgeschichte recht fälschungssichere Schuldverhältnisse dokumentierte, erheblich mehr Bestimmungen enthielt und insbesondere für kurzfristige Schuldverhältnisse, meist drei Monate, eingesetzt wurde.
In Chengdu sah ein typischer Wechsel so aus, dass sich zum Beispiel ein Baumwollproduzent, dem vor seiner Erntezeit die Lebensmittelvorräte ausgingen, gegenüber einem Reisbauern, der ihm sofort Reis lieferte, verpflichtete, nach seiner Baumwollernte in zwei Monaten eine bestimmte Menge an Baumwolle als Kompensation zu liefern. Der Reisbauer wurde also Gläubiger, der Baumwollproduzent Schuldner mit persönlicher Haftung.
Für die Dauer des Schuldverhältnisses wurde durch den Wechsel ein temporäres Kreditgeld geschaffen, das fungibel war. Der Reisbauer konnte den Wechsel selbst wiederum als Zahlungsmittel einsetzen – und zum Beispiel im Austausch gegen Holz an eine andere Person weitergeben, die dann zur Fälligkeit beim Baumwollproduzenten die Baumwolle einfordern konnte.
Lieferte der Baumwollproduzent pünktlich, wurde der Schuldschein zerrissen, das
Kreditgeld war wieder aus der Welt. Auch wenn Schuldverhältnisse grundsätzlich Risiken bergen, waren jahrtausendelang derartige realwert- und personenbezogene Schuldscheine eine praktikable Lösung, um kurzfristigen Liquiditätsbedarf unter seriösen Handelspartnern zu finanzieren.
Die Reputation des Schuldners war damals wie heute von entscheidender Bedeutung, eine Nichteinlösung des Schuldversprechens war ein öffentlichkeitswirksamer Skandal (Wechselprotest), der bis zur gesellschaftlichen Ächtung des Schuldners führte. Heute sind Wechsel in Deutschland zwar selten im Einsatz, dennoch unverändert zulässig. Die Bestimmungen regelt das Wechselgesetz.


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