Gesunken, gekappt, gehortet, gestiegen

Die Verbraucherpreise sanken in Deutschland im Juli um 0,1  Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Schnellschätzung des Statistischen Bundesamts zur Inflationsrate am Donnerstag war mit Spannung erwartet worden, weil seit Juli die niedrigere Mehrwertsteuer gilt.

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Rein rechnerisch, so hatten die Statistiker im Vorfeld ermittelt, hätte die zur Konjunktur- und Krisenbewältigung beschlossene Maßnahme das Potenzial, einen Rückgang der Verbraucherpreise um 1,6 Prozent zu verursachen. Aber eben nur, wenn Handel, Gastronomie, Handwerk und andere Branchen die Mehrwertsteuersenkung voll an die Verbraucher weitergeben würden. Zwar könnte die Inflationsrate wegen dieses Effekts im gesamten zweiten Halbjahr in negatives Terrain rutschen. Ein Rückgang der Verbraucherpreise aufgrund der Mehrwertsteuersenkung wäre aber nur eine künstliche Deflation. Darauf weisen etliche Ökonomen hin. „Mit echter Deflation hat das nichts zu tun“, sagt beispielsweise Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Befürchtungen, dass sich bei rück­läufigen Preisen die Verbraucher mit Käufen zurückhielten und auf noch niedrigere Preise warteten, seien in diesem Fall völlig unbegründet.

Der DAX zeigte sich am Freitag von seiner wackeligen Seite. Zu Handelsbeginn hatten noch die starken Quartalszahlen der US-Technologie-Unternehmen Amazon, Apple, Facebook und Alphabet den Leitindex beflügelt. Die überraschend starken Zahlen von Apple, Amazon und Facebook kamen als Erleichterung für die Börsianer, die zuvor aus Furcht vor einer zweiten Corona-Welle in Deckung gegangen waren. In Deutschland bröselten die Kurse dann aber kurz nach der Eröffnung ab. Zum Beispiel wurde ProSiebenSat.1 abgeduscht. Viel weniger TV-Werbespots als geplant haben die Unterföhringer im Lockdown verkauft und schlitterten in die roten Zahlen. Wie bei anderen TV-Sendern in Deutschland stieg zwar das Interesse der Zuschauer an Inhalten – aber die wichtige Ertragssäule Fernsehwerbung knickte ein. Die im MDax notierte Aktie verlor deutlich an Boden.

Auch die Volkswagen-Nutzfahrzeugholding Traton kann wegen der Kaufzurückhaltung der Kunden einen Verlust im Gesamtjahr nicht mehr ausschließen. Zwar ist der neue Traton-Chef Matthias Gründler zuversichtlich für eine gewisse Erholung in der zweiten Jahreshälfte. „Da sich unser Geschäft nach dem starken Einbruch im April langsam stabilisiert hat, rechnen wir für das laufende Quartal mit einer schrittweisen Erholung der Verkäufe, sofern die Zahl der Neuinfektionen nicht erneut ansteigt“, sagte der Manager.

Der Triebwerksbauer MTU wagt nach dem absehbaren Geschäftseinbruch durch die Corona-Krise neue Prognosen für das laufende Jahr. Der Umsatz dürfte zwischen 4,0 und 4,4 Milliarden Euro erreichen, teilte der Dax-Konzern am Freitag in München mit. Davon sollen zwischen neun und zehn Prozent als operativer Gewinn beim Unternehmen hängen bleiben. Im Vorjahr hatte MTU einen Umsatz von gut 4,6 Milliarden Euro und eine bereinigte Marge von 16,4 Prozent erreicht. Die in der Corona-Krise schwer gebeutelte MTU-Aktie legte nach den Neuigkeiten um rund drei Prozent zu.

Mit dem Verkauf seiner Aufzugssparte für 17,2 Milliarden Euro hat sich der schwer angeschlagene Stahl- und Industriekonzern Thyssenkrupp finanziell erst einmal Luft verschafft. Durch das am Freitag abgewickelte Geschäft verliert Thyssenkrupp aber zugleich seinen wertvollsten Unternehmenszweig und derzeit einzigen nennenswerten Gewinnbringer sowie mehr als 50.000 Mitarbeiter.

Unerwartet starke Quartalszahlen dreier Branchen-Giganten trieben am späten Freitag die wichtigsten US-Technologie-Indizes an. Auch der Dow Jones Industrial machte zwischenzeitliche Verluste wett und schloss 0,4 Prozent höher bei 26.428 Punkten. Auf Wochensicht ergibt dies ein Minus von knapp 0,2 Prozent. Die Monatsbilanz hingegen zeigt ein Plus von gut zwei Prozent. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag sogar um 0,8 Prozent auf 3.271 Zähler aufwärts. Der technologielastige NASDAQ 100 zog um 1,8 Prozent auf 10.906 Zähler an.

Unter den Tech-Werte überzeugten die Aktien von Amazon, Facebook und Apple, die um zwischen fast vier und gut zehn Prozent anzogen. Apple und Facebook erreichten jeweils Rekordhochs. Die Papiere der Google-Mutter Alphabet hingegen fielen um gut drei Prozent.

Amazon profitierte inmitten der Corona-Pandemie weiter stark vom Shopping-Boom im Internet und das Geschäft von Apple erwies sich als immun gegen die Krise. Beim weltgrößten Online-Netzwerk Facebook zeigte zwar der fragwürdige Boykott durch Werbekunden (aus Protest gegen Hassrede) Wirkung, dennoch übertrafen die Quartalszahlen die Markterwartungen. Höhere Kosten und sinkende Werbeeinnahmen während der Pandemie hingegen belasteten den Google-Mutterkonzern Alphabet.

Neben den Technologiewerten standen die Aktien von Ölkonzernen im Fokus. Die beiden größten US-Ölmultis ExxonMobil und Chevron rutschten im zweiten Quartal tief in die roten Zahlen. Der globale Konjunktureinbruch wegen der Pandemie ließ die Nachfrage und die Preise am ohnehin schon schwächelnden Ölmarkt weiter sinken. Die Anteilscheine von Chevron knickten um 2,7 Prozent ein. Die Papiere von ExxonMobil hingegen drehten ins Plus und schlossen 0,5 Prozent höher.

Für erhebliche Irritationen dürfte die Borsa Istanbul in den vergangenen Tagen bei einigen Anlegern gesorgt haben. Denn viele Internetseiten zeigen für den türkischen Leitindex, den ISE 100, einen Verlust von 99 Prozent gegenüber der Vorwoche an. Die Erklärung ist einfach: Die Börse hat bei etlichen Aktienindizes zwei Nullen gestrichen, was die automatisierte Performanceberechnung der Internetseiten offensichtlich überforderte. Statt bei 119.000 Punkten wie am Freitag, stand der Leitindex deshalb am Montag bei 1.190 Zählern. Bis Mitte der Woche gaben die Notierungen zwar nach — ein Minus von knapp vier Prozent binnen einer Woche ist aber nicht annähernd so dramatisch, wie es zunächst den Anschein hatte.

Die meisten Bundesbürger horten kein Bargeld. Einer repräsentativen Umfrage der Bundesbank zufolge haben die Deutschen im Durchschnitt nur wenige Hundert Euro in bar zu Hause oder in Schließfächern. Rund 75 Prozent aller Befragten hielten höchstens 500 Euro in bar, lediglich fünf Prozent hätten Beträge von mehr als 5.000 Euro, die höchste genannte Summe war 1000.00 Euro. Im Schnitt bewahrten die Bürger außerhalb ihres Geldbeutels 1.364 Euro zu Hause oder in Bankschließfächern auf. Ein Blick auf den Median von 200 Euro — also den Wert, der bei einer Sortierung nach Größe der Summen exakt in der Mitte steht — zeigt indes, dass es ein paar Ausreißer gibt, die den Durchschnitt in die Höhe treiben.

Tendenziell hortet mehr Bargeld, wer mehr verdient. Auch das Alter spielt laut der Studie eine Rolle: Menschen im Alter von 55 bis 64 Jahren bewahren im Schnitt die höchsten Summen in bar auf. Bei der Frage nach den Gründen für das Halten von Bargeld verwiesen viele Befragte darauf, dass es bei den Banken sowieso kaum Zinsen gebe. Einen Zusammenhang mit Steuerhinterziehung konnte die Bundesbank in ihrer Studie hingegen nicht feststellen.


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Kommentare ( 3 )

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HGV
3 Jahre her

Die Inflationsrate bezieht sich immer auf einen bestimmten Warenkorb. Gibt es Zahlen dazu, wie sich der auf Basis der Bestandteile entwickelt? Was passiert mit den Leistungen die nicht im Warenkorb enthalten sind.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  HGV

Der Warenkorb wird auch manipuliert, um eine geringere Inflation zu errechnen. Nach dem Motto: „Der Verbraucher kauft immer billigere Produkte“ …

PS: die Inflation wird nicht zuletzt durch China-Importe niedrig gehalten.

Leif
3 Jahre her

0,1 %? Ich dachte die großzügige, temporäre Mehrwertsteuersenkung war deutlich höher. Die Frage ist, wo dieses „Geschenk“ der größten Kanzlerin aller Zeiten durch Teuerung verpufft ist.