Brexit, Boom, Blechschaden

Es sieht nicht gut aus für das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien. Bis Ende des Jahres sollten in Verhandlungen die weiteren Beziehungen nach 2020 festgelegt werden.

Thomas Lohnes/Getty Images

Nun sorgte London allerdings vergangene Woche mit der Ankündigung, es seien Änderungen an den Nord­irland-Vereinbarungen von 2019 geplant, für viel Missmut in Brüssel. In dem bereits ratifizierten Brexit-Vertrag hatte London unter anderem zugesichert, dass es keine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nord­irland geben werde. Großbritannien war zwar schon am 31. Januar aus der EU ausgetreten, doch gilt noch bis Jahresende eine Übergangsphase. Beide Seiten streben bis Mitte Oktober einen Vertragsabschluss an, der die künftigen Beziehungen regelt. Außerdem soll bis dahin ein bilaterales Freihandelsabkommen unterschriftsreif sein. Leidtragende eines Scheiterns wären beide Seiten. So hat sich das eisige Klima bereits auf das britische Pfund übertragen, das vergangene Woche unter Druck geraten ist. In EU-Europa, insbesondere in Deutschland, würden viele Unternehmen verlieren, sollten die Verhandlungen ergebnislos verlaufen und neue Zollschranken entstehen.

Nachhaltige Investments boomen. Dies gilt auch für die ETF-Branche. Denn mehr als die Hälfte aller neuen börsennotierten Indexfonds in Europa sind Produkte, die ökologische und soziale Kriterien sowie gute Unternehmensführung berücksichtigen. Knapp vier Milliarden Euro wurden dieses Jahr schon mit „grünen ETFs“ eingesammelt. Traditionelle Indexfonds ohne ESG-Ansatz kommen im gleichen Zeitraum auf 3,8 Milliarden Euro, wie die Citgroup festgestellt hat. Für den Verkauf nachhaltiger Produkte ist darüber hinaus ein weiterer Punkt sehr hilfreich: So hat der MSCI Europe ESG Leaders-Index in diesem Jahr den MSCI Europe um zehn ­Prozentpunkte hinter sich ge­lassen.

Die Corona-Krise hat in der Auto­branche große Schäden verursacht. Das ist das wenig überraschende Ergebnis einer Analyse des Beratungsunternehmens EY. Der Studie zufolge summierten sich die operativen Verluste der 17 größten Autokonzerne der Welt im zweiten Quartal auf fast elf Milliarden Euro — nach knapp 22 Milliarden Euro Gewinn im zweiten Quartal des Vorjahres. „Einen derartigen Einbruch bei Umsatz, Gewinn und Absatz hat es noch nie gegeben“, erklärte der Leiter des Bereichs Automotive & Transportation bei EY, Constantin M. Gall. Nur sechs Hersteller rutschten in diesem Zeitraum nicht in die roten Zahlen, einzig Tesla schnitt sogar besser ab als im Vorjahr und sprang laut EY damit auch gleich an die Spitze der Rangliste der profitabelsten Autokonzerne. Vor sinkenden Umsätzen konnte sich der Analyse zufolge zwischen April und Juni allerdings keiner der Hersteller retten. Insgesamt büßten die Autobauer fast 177 Milliarden Euro ein, das ist ein Rückgang um 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die drei deutschen Hersteller Volkswagen, BMW und Daimler lagen bei den Umsatz­verlusten im Mittelfeld.

Mehrere Wochen lang herrschte quasi Ruhe an den Märkten. Die Schwankungen waren gering, Börsianer hatten ihre Lieblinge auserkoren: In Technologiewerte floss massenhaft Geld. Der Onlineboom in der Corona-Krise und teils herausragende Bilanzen belegten die These, dass Digitalkonzerne auch dann wachsen, wenn es mit der Konjunktur insgesamt mau aussieht. Die jüngste Korrektur der Techs fiel angesichts der Vorschusslorbeeren allerdings heftig aus. Binnen drei Handelsitzungen verlor die US-Technologiebörse Nasdaq gegenüber ihrem gerade markierten Allzeithoch über zehn Prozent. War’s das mit der Tech-Hausse? Der Rebound der Nasdaq am Mittwoch zeigte: Die Digitalwirtschaft bleibt bei Investoren begehrt – auch wenn die Kurse am Donnerstag und Freitag wieder bröckelten. Ein Grund: Viele Verhaltensmuster von Konsumenten haben sich während der Pandemie geändert. Anleger sollten aber nicht eingleisig fahren. Mit sich verbessernden Konjunkturdaten werden die Zykliker wieder verstärkt in den Fokus rücken, viele Werte haben großes Nachholpotenzial.

Kein Wunder, dass nach den schwachen Vorgaben von der Wall Street den Kursen am deutschen Aktienmarkt am Freitag die Luft ausging. Der Dax schloss 0,1 Prozent niedriger bei 13.203 Punkten. Vorausgegangen war ein Hin- und Herpendeln um die Marke von 13.200 Punkten ohne klare Richtung. Auf Wochensicht steht aber ein Gewinn von knapp drei Prozent zu Buche. Auf diesem Niveau ist das Hoch aus der Vorwoche bei 13.460 Zählern unverändert in Reichweite. Der MDAX der mittelgroßen Börsentitel verlor am Freitag dagegen 0,5 Prozent auf 27.346 Zähler.

Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect machte den zuletzt festen Euro zum US-Dollar als Belastungsfaktor aus. Auch die jüngste Schwäche der Ölpreise sei ein Indiz dafür, dass es bis zu einer durchgreifenden Erholung der Konjunktur in Europa noch ein langer Weg sei. Der „Krebsgang“ des Dax vor dem Wochenende sei also nachvollziehbar.

Mit Blick auf Unternehmensnachrichten litten die Aktien von Knorr-Bremse darunter, dass Großaktionär Heinz Hermann Thiele seinen Anteil an dem Bremsenhersteller weiter reduziert. Er hatte am Vorabend 10 Millionen Aktien verkauft. Die Papiere fielen um sieben Prozent.

Bayer dagegen gehörten mit 0,5 Prozent zu den Gewinnern im Dax. Hier kam die Nachricht gut an, dass der Pharma- und Agrarchemiekonzern im US-Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat auf einen neuen Kompromiss mit US-Klägern zusteuert. Auch die Vertragsverlängerung für Konzernchef Werner Baumann werteten einige Marktteilnehmer positiv.

Zu Kursausschlägen kam es im MDax nach Analystenkommentaren. So setzten sich die Papiere von Fuchs Petrolub nach einer Kaufempfehlung der Commerzbank mit plus 5,6 Prozent an die Index-Spitze. Analyst Fabian Semon rechnet damit, dass die Geschäfte des Schmierstoffherstellers ab dem zweiten Halbjahr weiter an Schwung gewinnen. Fraport-Aktien büßten dagegen 4,1 Prozent ein. Händler merkten an, dass sich die Passagierzahlen am Frankfurter Flughafen nur langsam erholten. Evonik und Aurubis litten mit Abgaben von 0,7 und 0,8 Prozent etwas unter Abstufungen. Credit Suisse hatte Anlegern bei Evonik zum Verkauf geraten und die französische Bank Exane BNP bei Aurubis.

Auch Freitagabend hatten die Technologiewerte einen schweren Stand. Einem zögerlichen Stabilisierungsversuch im frühen Handel folgte an der Nasdaq ein Rutsch auf 10.945 Punkte, nden tiefsten Stand seit vier Wochen. Letztlich schloss der Auswahlindex der Tech-Börse dann 0,6 Prozent tiefer bei 11.087 Punkten. Von seinem Rekordhoch in der Vorwoche bei 12.439 Punkten hat er sich inzwischen deutlich entfernt.

Der Dow Jones Index konnte sich mit plus 0,5 Prozent dagegen auf 27.666 Punkte erholen. Nach der sehr schwachen Vorwoche mussten die Anleger damit in der feiertagsbedingt verkürzten Handelswoche einen weiteren Verlust von 1,7 Prozent hinnehmen. Der marktbreite S&P 500 verabschiedete sich mit plus 0,1 Prozent am Freitag kaum verändert auf 3.341 Punkten ins Wochenende. Für neuen Aufschwung könnte in der kommenden Woche die US-Zentralbank Federal Reserve sorgen, wenn sie abermals ihre lockere Geldpolitik bekräftigt.

An der Dow-Spitze erklommen Nike ein weiteres Rekordhoch und gewannen letztlich 2,8 Prozent. Seit die Anteilsscheine des Sportartikelherstellers im August erstmals einen neuen Höchststand erreichten, nutzen Anleger jede Gelegenheit zum Einstieg.

Noch stärker gefragt waren zuletzt Fedex, die mit plus 3,7 Prozent ein weiteres Hoch seit 2018 erklommen. Analyst Jordan Alliger von Goldman Sachs machte den Investoren Hoffnung auf einen guten Quartalsbericht in der kommenden Woche. Auch Boeing legten zu. Ihr nach zwei verheerenden Abstürzen weltweit mit Startverboten belegter Krisenjet 737 Max kommt einer Wiederzulassung näher.

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Peter Pascht
3 Jahre her

Es pfeifen doch schon längst die Spatzen von den Dächern, dass eine Einigung nicht zustande kommen kann und nicht wird, wegen der zu unterschiedlichen Interessen, was doch genau auch die Ursache des Austritts ist. Nur durch den Austritt verschwindet diese konträre Interessenslage nicht. Könnte man diese konträre Interessen durch eine Einigung beheben, ergäbe der Brexit keinen Sinn, denn dann hätte man den Briten auch ohne Austritt entgegenkommen können. Dieser erste Vertrag, der gar nichts verbindliches geregelt hat außer dem provisorischen Austrittsdatums, sollte doch blos über die unüberbrückbare Uneinigkeit hinweg täuschen nach dem Prinzip „Hoffnung“ ohne jedwelche faktische Basis der Besserung.… Mehr