Dunkle Wolken über der nicht mehr ganz so rosigen Tesla-Welt

Es läuft in den letzten Monaten im Musk-Imperium nicht mehr rund. Die negativen Nachrichten mehren sich. Das bekommen jetzt auch die Mitarbeiter von Tesla zu spüren. Offenbar sind 10.000 Stellen gefährdet.

IMAGO / Political-Moments
Elon Musk, Tesla-Chef und Gründer, bei der Eröffnung der Giga-Factory in Grünheide, 22.03.2022

Elon Musk wird nervös. Nicht etwa, weil er plötzlich – durch was oder wen auch immer – vom reichsten zum ärmsten Mann auf dem Globus zu werden drohte. Und er deswegen umtriebig die Migration auf den Mars mit einer Space-X-Rakete vorbereiten würde; ein Model 3 hat er ja schon mal vorsichtshalber vor längerer Zeit vorausgeschickt. Nein, die Gründe liegen woanders.

Es läuft in den letzten Monaten im Musk-Imperium nicht mehr rund. Die Anzahl der Negativ-Meldungen häufen sich: 

  • über Musk selber wegen angeblicher sexueller Nötigung einer Flugbegleiterin in einem Privatjet 2016, oder wegen der vorerst abgesagten 40-Milliarden-Mega- Übernahme der Kommunikations-Plattform Twitter;
  • über Tesla wegen anhaltender Schwierigkeiten beim Hochlaufen von Giga-Berlin in Grünheide, Kurseinbrüchen an der Börse, Qualitätsmängel quer durch die Tesla-Modell-Palette, und zuletzt wegen seltsamen Präsenzanordnungen für sein Personal.
  • Und also Höhepunkt die Meldung zum Pfingstfest: Musk hat ein „superschlechtes Gefühl“! Der Tesla-Chef Musk fürchtet einen Konjunktureinbruch und kündigt drastische Einschnitte an. Laut Handelsblatt plant Musk einer internen Mail zufolge offenbar, mehr als 10.000 Stellen zu streichen. – In Deutschland wird bislang weiter eingestellt – die Frage ist, wie lange noch?

All das wirft plötzlich Schatten auf das Profil des über viele Jahre immer strahlenden und immer erfolgreichen und polyglotten „Daniel Düsentriebs der Elektromobilität“ Elon Musk (50) – ein unternehmerischer Tausendsassa, ein Entrepreneur im Sinne Josef Schumpeters.

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Altgediente Kenner von Unternehmens-Geschichte wie Unternehmer-Geschichten stellen sich die Frage: Hat sich Elon  Musk (50, vier Ehefrauen und sechs Kinder, seit Ende 2021 wieder solo), etwa übernommen? Natürlich nicht finanziell, mit über 200 Milliarden US-Dollar Vermögen im Rücken wären Zweifel vermessen. Aber möglicherweise als unternehmerischer Spring-ins-Feld, mit Tanz auf vielen Hochzeiten gleichzeitig, hin und wieder auch auf der eigenen?

Für Elon Musk selber ist die Tesla-Welt in Ordnung, die Zukunft des Konzerns sei „rosig“. Dies hat er vor kurzem in einem Interview mit der Financial Times (FT) geäußert. Neben anderen wesentlichen Ansichten, zum Beispiel über den chinesischen Markt, die Wertigkeit von VW, über autonomes Fahren etc. (zitiert nach Burckhard Riering, Chefredakteur Automobilwoche):

  • Teslas Zukunft ist „unglaublich rosig“

Den Tesla-Chef graust vor nichts, er hat vor der Zukunft und vor neuen Herausforderungen keine Angst. Tesla habe keine Geldprobleme, sei schuldenfrei, verfüge über viel Bargeld und sei im Grunde völlig über den Börsenwert finanziert. Die Marktkapitalisierung liegt aktuell bei rund 700 Milliarden Euro. Auch seien einige der jüngsten Probleme wie etwa die stockende Produktion in Shanghai wegen des Covid-Lockdowns bald behoben. Musk: „Die Zukunft von Tesla ist unglaublich rosig.“

  • Keine Übernahmen im Autobereich, dafür aber im Rohstoffbereich

Für Musk ist es unwahrscheinlich, dass Tesla einen anderen Autohersteller übernimmt. Eher könne er sich den Kauf eines Bergbauunternehmens vorstellen, wenn die Übernahme helfe, Tesla die wichtigen natürlichen Ressourcen zu sichern. Tesla hatte kürzlich eine Vereinbarung mit dem brasilianischen Bergbauunternehmen Vale über den Kauf von Nickel für seine Batterien getroffen.

  • Tesla bleibt auf den Automobilbereich fokussiert

Elon Musk schließt aus, ein Mischkonzern (Konglomerat) aus einigen oder allen seinen Unternehmen zu bilden. Ihm gehören neben Tesla auch SpaceX, SolarCity und andere Firmen. „Ich sehe keinen großen Vorteil darin, sie zu kombinieren“ – Wozu auch!

  • Pläne für kleinere Segmente

Um wie geplant jährlich um 50 Prozent zu expandieren, muss Musk in Zukunft alle Segmente im Fahrzeugbau bedienen. Pläne dazu bestehen. Bereits im Sommer 2021 sagte er in einem Interview in der Automobilwoche, dass es für Tesla möglich sei, „etwas Kleineres“ als das Model 3 für den Massenmarkt zu bauen. Bereits öfter wurde über einen Kleinwagen speziell für Europa spekuliert („Model 2“). – Geschehen ist allerdings bisher nichts, wäre dafür doch wiederum der Bau einer neuen Giga-Factory notwendig.

  • Große Abhängigkeit von China

Musk geht davon aus, dass China in Zukunft bis zu 30 Prozent des Tesla-Absatzes aufnehmen wird. Dies bedeutet rund 10 Millionen verkaufte Tesla pro Jahr, auf Basis der geplanten 30 Millionen Jahresabsatz bis 2030. 

Das impliziert eine hohe Abhängigkeit vom chinesischen Markt. Aber gefährlicher für das Tesla-Unternehmen als die gleiche Quote bei den deutschen Herstellern, die über ihre Verbrenner-Modelle strukturelle wie vor allem regionale Kompensations-Potenziale haben. 

  • Viel Lob für Volkswagen

Aber nichts scheint unmöglich! 

Musk zeigt sich von VW und manchen chinesischen Elektroauto-Start-ups sehr beeindruckt. Auf die Frage, wen er auf dem Markt gerade imposant finde, nannte Musk zuerst Volkswagen. Obwohl kein Start-up, beeindrucke ihn VW deswegen, weil das deutsche Unternehmen am meisten für die Elektromobilität tue. 

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Musk und VW-Chef Diess pflegen bekanntlich ein gutes Miteinander. Bereits 2015 hat Musk Diess ein Angebot gemacht, als Vorstand zu Tesla zu gehen. Die raschen Führungskräftewechsel bei Tesla fortgeschrieben, wäre Diess dann heute vielleicht Werkleiter in Grünheide. 

Für China gerät Musk ins Schwärmen. Es gebe dort einige interessante Unternehmen, deren Beschäftigte hart daran arbeiteten, Projekte voranzutreiben. Musk: „Sie arbeiten nicht nur bis Mitternacht, sondern auch bis drei Uhr morgens. In Amerika versuchen die Leute, gar nicht zur Arbeit zu gehen.“

  • Teslas Pläne zum autonomen Fahren

Nach Elon Musk sind die Autos von Tesla schon 2022 in der Lage, ein höheres Sicherheitsniveau zu bieten als Menschen am Steuer. „Wir stehen kurz davor, selbstfahrende Autos auf ein Sicherheitsniveau zu bringen, das besser ist als das des Menschen. Und meine beste Vermutung ist, dass wir das noch in diesem Jahr erreichen könnten.“ Allerdings: „Es gibt viele Fehlschläge“, räumt er die Entwicklung einer sicheren, selbstfahrenden Technologie ein. Es gab immer wieder Streit mit den amerikanischen Sicherheitsbehörden um den sogenannten „Autopiloten“ des E-Pioniers.

Mercedes ist mit der neuen S-Klasse Musk damit zuvorgekommen. Das Luxusauto darf in Deutschland auf der Autobahn kurzzeitig schon mit Tempo 60 autonom unterwegs sein. –  Mercedes wurde von Musk nirgends erwähnt.

Dass die Tesla Zukunft dann doch nicht so rosig ist, wie Musk sie schildert, zeigen eine Reihe von Merkwürdigkeiten der letzten Wochen und Monate. Als da sind:

Ablehnung von Homeoffice

Die jüngste Meldung, die Nervosität des Chefs verrät, ist eine Ablehnung von Homeoffice von Musk bei seinen Angestellten nach Lockerung der LockdownAuflagen. Tesla-Beschäftigte haben die Wahl: Sie können ins Büro zurückkommen – oder sie kündigen. Genauer: Sie werden gekündigt.

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Das hat der Tesla-Chef jetzt in einer internen E-Mail klargestellt, über die verschiedene Medien berichten. Darin droht er Beschäftigten unverhohlen mit Kündigung, wenn sie nicht wieder im Büro arbeiten. Homeoffice soll nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein, die er persönlich definiert. Der Tesla-Chef beordert seine Mitarbeiter ultimativ ins Büro zurück – und wer das nicht befolgt, kann gehen.

„Jeder bei Tesla muss mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro verbringen“, schrieb Musk in einer E-Mail an die Beschäftigten des US-Elektroautobauers (laut  Nachrichtenagentur Reuters) Und weiter: „Wenn jemand nicht erscheint, müssen wir davon ausgehen, dass diese Person das Unternehmen verlassen hat.“ Zwei Tesla-Insider bestätigten die Echtheit der E-Mail. Tesla selbst antwortete nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.

In einem Live-Interview mit der Financial Times erklärte Musk jetzt, dass er die Chinesen bewundere, weil sie viel mehr arbeiteten. „Sie werden nicht nur das Mitternachtsöl verbrennen, sie werden das 3-Uhr-Öl verbrennen“, sagte Musk in Anspielung darauf, dass Menschen in vor-elektrischen Zeiten mit der Öllampe bis Mitternacht arbeiteten. „Sie werden nicht einmal die Fabrik verlassen.“ Über die Amerikaner sagte er dagegen, dass sie versuchten, „überhaupt nicht zur Arbeit zu gehen“.

Musk hatte offenbar noch eine weitere E-Mail zum Thema geschickt, aber nur an den  Kreis der Führungskräfte. Darin formuliert er seinen Anspruch noch deutlicher: Wer die Präsenzpflicht von mindestens 40 Wochenstunden nicht einhalte, müsse “Tesla verlassen“. Von einem Twitter-Follower auf diese Mail angesprochen und befragt,  was er von Leuten halte, die Präsenzpflicht für ein veraltetes Konzept hielten, war Musks Antwort: Die sollten bei einem anderen Arbeitgeber so tun, als würden sie arbeiten.

Ein Schelm, wer Musk unterstellt, das soziale Netzwerk Twitter deswegen übernehmen zu wollen, um es besser zensieren zu können. Hat er doch als Übernahmegrund mehr Meinungsfreiheit vorgegeben. 

Große Probleme beim Twitter-Übernahmekampf

Doch so schnell wird es dazu nicht kommen. Und das ist der nächste Schatten über dem Erfolgsmenschen Musk: erst das Vorpreschen und die überraschende Ankündigung, Twitter zu einem abenteuerlichen Preis von 44 Milliarden Dollar zu übernehmen. Entsprechend war der Twitter-Aktienkurs hochgeschnellt. Und dann die ebenso überraschende Aussetzung der Offerte mit der Begründung von berechtigten Zweifeln an der Anzahl der wirklichen Twitter-Nutzer – mit entsprechendem Absturz der Twitter-Aktie. 

Die Ähnlichkeit des Vorgehens Musks und ähnliche Entwicklungen bei Bitcoin drängen sich dem Betrachter auf. Fakt ist, dass Musk den geplanten Twitter-Kauf bis auf Weiteres auf Eis gelegt hat, aber weiterhin Interesse bekundet. Unklar ist, was der Tesla-Chef damit erreichen will.

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Das Problem sind angeblich die Fake-Accounts. Twitter nannte für das erste Quartal die Zahl von 229 Millionen Nutzern, wobei eindeutig identifizierte Fake-Accounts von Twitter in den Nutzerzahlen nicht gezählt werden. Allerdings hatte Twitter zuletzt aber einräumen müssen, dass wegen eines Fehlers seit 2019 leicht überhöhte Nutzerzahlen gemeldet wurden. Die Abweichungen waren aber mit maximal knapp zwei Millionen Nutzern eher gering.

Finanz-Profi und Tech-Milliardär Musk erklärte, er wolle erst Berechnungen dazu abwarten, dass Accounts, hinter denen keine echten Nutzer stecken, tatsächlich weniger als fünf Prozent ausmachen. Schließlich hatte er auf eine übliche Prüfung der Twitter-Bücher vor der Vereinbarung verzichtet. Sehr ungewöhnlich für Deals dieser Größenordnung!

Die Twitter-Aktie fiel nach Musks Tweet rasch um fast ein Viertel und notierte bei etwa 34,50 US-Dollar. Später erholte sich der Kurs etwas auf rund 38 Dollar. Das ist weit entfernt von den 54,20 Dollar je Aktie, die Musk den Aktionären in Aussicht gestellt hatte.

Dass auf der Plattform auch Fake-Accounts sind, dürfte keine Überraschung für Musk gewesen sein. Denn er hatte als eines seiner Ziele für den Twitter-Kauf erklärt, er wolle Profile, die etwa zum Versenden von Spam-Nachrichten eingesetzt werden, von der Plattform verbannen. Ob Musk den Vorwurf, Twitter habe ungenaue Angaben zur Zahl der gefälschten Accounts gemacht, für einen Ausstieg aus dem Deal oder eine Absenkung seines Gebots nutzen könnte, ist unklar. Schließlich hatte er auf eine übliche Prüfung der Twitter-Bücher vor der Vereinbarung verzichtet.

Was konkret Musk mit Twitter will, ist unklar. Twitter und Musk vereinbarten zwar eine Strafe von jeweils einer Milliarde Dollar für den Fall, dass eine der Seiten den Deal aufkündigen sollte. Doch Experten gehen nicht davon aus, dass dies bedeutet, Musk könne sich einfach ohne Begründung umentscheiden und mit einer Milliarde Dollar aus dem Schneider sein. 

Für Outsider ähnelt das ganze einem Pokerspiel. Der Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla hatte sich zwar mit dem Twitter-Verwaltungsrat Parag Agrawal auf einen rund 44 Milliarden Dollar schweren Deal geeinigt. Der Deal sollte bis Ende des Jahres durch sein. Dabei ist Musk aber noch darauf angewiesen, dass ihm genug Aktionäre ihre Anteile abtreten wollen. Er kaufte in den vergangenen Monaten bereits einen Anteil von gut neun Prozent an Twitter an der Börse. 

Twitter und Musk wollten die Übernahme bislang bis Jahresende abschließen. Inzwischen zeichnen sich aber neue Probleme für den Deal ab. Musk wollte ursprünglich für rund zwölf Milliarden Dollar des Kaufpreises Kredite aufnehmen, die mit seinen Tesla-Aktien besichert wären. Aber nachdem der Kurs der Tesla-Aktie von zuvor rund 1000 Dollar auf nur noch 728 Dollar am Donnerstag abgesackt war, wurde dieser Plan zunehmend ungünstig für ihn. Laut Finanzdienst Bloomberg sucht Musk jetzt nach anderen Finanzierungswegen anstelle des mit Aktien besicherten Kredits. 

Die Tesla-Aktie kletterte nach Musks Tweet der Denkpause wieder in Richtung der Marke von 770 Dollar. Immerhin das hat er geschafft!

Da ziehen zwei Partner auf Augenhöhe am gleichen Strick – aber an unterschiedlichen Enden! Musks Ankündigung der kritischen Prüfung wirft aber auch ein neues Licht auf den Twitter-Chef Parag Agrawal. Er hat umgehend den Produkt-Verantwortlichen und den für die Umsatzentwicklung zuständigen Top-Manager entlassen sowie einen Einstellungsstopp verhängt.

Tesla-Rauswurf aus dem Nachhaltigkeitsindex von S&P

Wie kann es sein, dass ein Unternehmen, das sich der Transformation zu nachhaltiger Energie verschrieben hat, nicht als nachhaltig gilt? Tesla-Chef Elon Musk ist not amused, der E-Autobauer Tesla ist im Mai aus dem Nachhaltigkeitsindex von S&P rausgeflogen.

Nachhaltigkeit ist in den USA zu einem wichtigen Kriterium für Investitionsentscheidungen geworden. Wer nicht nachhaltig arbeitet, muss mit Abstrafungen am Finanzmarkt rechnen. Nachhaltigkeit – Sustainability – hat drei Dimensionen: die ökologische (environmental), die soziale (social) sowie die der verantwortungsvollen Unternehmensführung (governance) – kurz: ESG. 

Kothaufen getwittert
Elon Musk verursacht Twitter-Gewitter um die Fake-Accounts
Standard & Poors hat im Mai den Elektroautohersteller Tesla aus seinem Nachhaltigkeitsindex geworfen. Auch wenn Tesla nach Expertenmeinung seinen Teil dazu beiträgt, dass umweltschädliche, benzinbetriebene Autos von der Straße verschwinden, ist das Unternehmen bei einer weiter gefassten ESG-Betrachtung hinter seine Konkurrenten zurückgefallen. Tesla stehe nun auf einer Ebene mit Berkshire Hathaway, Johnson & Johnson und Meta (Facebook), die ebenfalls aus dem Index geflogen sind. 

Bei der ESG-Bewertung von Tesla geht es denn auch nicht darum, wie ökologisch sinnvoll ein Elektroauto über seinen gesamten Lebenszyklus ist. Die Index-Experten haben vor allem Bedenken bezüglich der verantwortungsvollen Unternehmensführung. Zuletzt waren Vorwürfe wegen Rassismus und schlechter Arbeitsbedingungen in den Werken laut geworden, zudem bereiten Unfälle mit dem Autopiloten beim autonomen Fahren Sorgen. 

Wegen Rassendiskriminierung im Werk Fremont wurde Tesla vor einem Gericht dazu verurteilt, 15 Millionen Dollar an den ehemaligen, schwarzen Leiharbeiter Owen Diaz zu zahlen, der im Werk systematisch diskriminiert wurde. Der Richter nannte die Beweise „verstörend“. Und Tesla habe nichts gegen die Vorgänge getan. Nun verklagt auch der Staat Kalifornien Tesla wegen Rassismus gegenüber schwarzen Mitarbeitern in der San Francisco Bay Area.

Zudem zog S&P Tesla Indexpunkte wegen schlechter Arbeitsbedingungen ab. Tesla wird vorgeworfen, seine Mitarbeiter schlecht zu behandeln. Das Unternehmen soll die Belegschaft unterdurchschnittlich bezahlen und zudem zu Überstunden drängen. Mitarbeiter müssten auch unfaire Verschwiegenheitsvereinbarungen unterschreiben. Um ihnen die Einhaltung zu erleichtern, hat Musk offensichtlich Homeoffice-Tätigkeiten verboten und Anwesenheitspflicht im Büro verhängt. Der Workaholic Musk verlangt von seinen Mitarbeitern stets mehr als den vollen Einsatz. Gewerkschaften sind ihm ein Graus. Als die Corona-Krise ausbrach und Kalifornien als Vorsichtsmaßnahme einen Lockdown verordnete, weil Tausende Menschen starben, beschimpfte Musk die Behörden.

Als weiteren Grund für den Rauswurf nennt S&P den Umgang Teslas mit der Unfall-Untersuchung von Todesfällen mit dem Tesla „Autopilot“ zum autonomen Fahren. Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) untersucht seit Jahren immer wieder tödliche Unfälle mit Tesla-Modellen, während Tesla sich dagegenstemmt. 

Musk twitterte nach Bekanntwerden des Rauswurfs: „ESG is a scam“ („ESG ist ein Schwindel“).

Aktienkurs, Produktion und Absatz schrumpfen

Auch die Betriebswirtschaft von Tesla zeigt neuerdings Schwächen, was sich im Aktienkurs niederschlägt. Der E-Autobauer hat aufgrund von Produktionsausfällen wegen Corona und Speicherchip-Mangels ähnlich große Schwierigkeiten, Autos zu produzieren, wie alle übrigen Hersteller auch. Tesla spezifisch ist hingegen, dass die neuen Werke in Austin/Texas und Grünheide/Brandenburg vor allem mit großen Schwierigkeiten bei den Produktionsanläufen zu kämpfen haben.

Teslas Aktienkurs ist aber weitaus stärker gefallen als die Aktienmärkte insgesamt. Die Gründe sind vielfältig.

Mangels eigener Pressestelle (?!) nutzt Musk Twitter nicht nur, um über seine verschiedenen Unternehmen zu sprechen, sondern auch, um „polarisierende politische Meinungen“ (Finanzunternehmen Jefferies) zu heiklen politischen und sozialen Fragen zu kommunizieren; zum Beispiel, dass in USA der Kauf von Sturmgewehren erleichtert werden solle und dass Italien mangels Nachwuchs eine aussterbende Nation werde.

Dies hat Analysten dazu veranlasst, sich Sorgen über die finanzielle Leistung seines Autounternehmens zu machen. Musk hielt auf Twitter dagegen, dass er trotz des derzeitigen wirtschaftlichen Gegenwinds glaube, „dass Tesla das Potenzial hat, das wertvollste Unternehmen aller Zeiten zu werden“.

Für die Weltautoindustrie alleine gilt das schon. Ende Mai lagen die Tesla-Aktien im bisherigen Jahresverlauf mehr als 40 Prozent im Minus – bei 710,66 US-Dollar. Zum Vergleich: Der Rekordschlusskurs der Tesla-Aktie lag am 4. November 2021 bei 1229,91 Dollar. 

Im Vergleich dazu ist der gesamte Nasdaq Composite im selben Zeitraum um 26 Prozent gefallen. Analysten halten das für die Folgen der wochenlangen Schließung des riesigen Tesla-Werks in Shanghai, aber auch wegen der Häufung negativer Nachrichten.

Zwar sind andere Automobilwerte wie zum Beispiel Ford im bisherigen Jahresverlauf ähnlich stark gefallen wie Tesla. Der Kursrückgang bei Tesla kommt jedoch zu einem Zeitpunkt, an dem Analysten für das laufende Jahr ein starkes Wachstum bei den Fahrzeugverkäufen und Gewinnen prognostizierten, während herkömmliche Autohersteller mit einer sinkenden Produktion aufgrund von Teilengpässen zu kämpfen haben. Tesla reduzierte seine Produktionsprognose für das Gesamtjahr um 85.000 Fahrzeuge auf 1,4 Millionen, wies aber darauf hin, dass dies immer noch ein jährliches Wachstum von 52 Prozent für den Automobilhersteller bedeutet.

Große Anlaufschwierigkeiten im neuen Werk in Grünheide

Die Experten sprechen von „Grünheide im Kampf mit dem Hochlauf“ (Automobilwoche). In der Tat ringt der amerikanische Elektropionier Tesla mit dem Produktionshochlauf in der neuen Gigafactory in Austin (Texas) wie in Brandenburgs Grünheide. Tesla-Chef Musk selber hat bei der letzten Quartalskonferenz eingeräumt, dass sich der Hochlauf der Produktion in der deutschen Gigafactory von Tesla in Grünheide bei Berlin sehr mühsam gestalte. 

Das ist in der Autobranche nichts Ungewöhnliches: Der Neustart eines Werkes ist eine der schwierigsten Übungen für einen Autohersteller, da er nicht alltäglich passiert. Musk ist dennoch zuversichtlich, dass nach dem Hochlauf Tesla in Grünheide in eine exponentielle Phase eintreten würde. „Nur: Wann beginnt die“, fragt die Automobilwoche?

Täglich soll Tesla derzeit erst 86 Model-Y-Performance in der deutschen Fabrik produzieren, im April waren es 70 (laut Portal „teslamag“). Die Arbeit an den einzelnen Stationen dauere statt geplanter 90 Sekunden etwa doppelt so lang. Anschließend müssten die Fahrzeuge noch intensiv überarbeitet werden, das heißt die Qualität stimmt nicht. Die Einheiten müssen nachbearbeitet werden – und es sei zu wenig Personal vorhanden. Laut Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach waren Anfang Mai „etwas mehr als 4000 Mitarbeitende“ in dem Werk beschäftigt.

Als die Giga-Factory sich noch in der Genehmigungsphase befand, hatte Elon Musk verkündet, in Grünheide einmal 500.000 Autos jährlich zu bauen und 12.000 Menschen zu beschäftigen.

Davon ist gegenwärtig keine Rede mehr. Die Produktion in Grünheide hatte Ende März begonnen. Berechnungen der Automobilwoche ergaben, dass Tesla 2022 dort nicht mehr als 30.000 Autos bauen wird. Inzwischen tauchen neue Probleme auf. Im Juni soll zwar in Grünheide die lokale Produktion von Antrieben beginnen, die bisher noch immer aus der Gigafactory in Shanghai zugeliefert werden sollten. Aber Shanghai befindet sich im Lockdown, die Produktion dort ist drastisch reduziert und es finden keine Verschiffungen statt. Auch Batterien als Energie-Speicher könnten demnächst in Grünheide knapp werden.

Für Musk drängt aber die Zeit, weil er seinem Unternehmen ein jährliches Absatzwachstum von mindestens 50 Prozent verordnet hat. 

Keine Trucks für Europa

Musk plante, seine Modellpalette in 2022/23 auch mit einem Pick-up (Cybertruck) und einem Lastwagen (Semi) zu erweitern. Doch die Möglichkeit der Reservierung für den Truck wurde jetzt zumindest von den europäischen Websites entfernt. 

Das lässt Rückschlüsse zu, dass vorerst nicht mit einem Serienproduktionsanlauf des Lkw zu rechnen ist. Tesla hatte 2021 eingeräumt, dass die Entwicklung des Semi nicht rund laufe, obwohl das Modell bereits 2017 vorgestellt wurde. Der zuständige Vorstand, Jerome Guillen, ein einstiger Daimler-Manager, hat das Unternehmen verlassen müssen. Der Produktionsbeginn ist nach wie vor offen. Und wird es womöglich auch bleiben, weil elektrisch betriebene Lkw nur für absolute Flach-Gelände sinnvoll sind. Auch der geplante Pick-up (Cybertruck) könnte ein lokales US-Phänomen bleiben. Offenbar lässt sich dieses  Science-Fiction-Auto nur in Nordamerika bestellen. Die Automobilwoche hatte bereits Ende 2019 berichtet, dass der Cybertruck in seiner vorgestellten Version keine Typzulassung für Europa bekommen würde.

Die US-Orderbücher seien voll für drei Jahre, hatte Musk in einem Live-Interview mit der Financial Times gesagt. Die Produktion wurde aber bereits mehrere Male verschoben und soll nun im ersten Quartal 2023 beginnen. Was wiederum die alte Automobilweisheut bestätigt: Je länger sich der Produktionsbeginn in die Zukunft verschiebt, desto voller werden die Auftragsbücher, nicht die Ergebniskonten.

Alles in allem drängt sich für unvoreingenommene Beobachter der Eindruck auf, dass die Strahlkraft des „Magiers“ Elon Musk verblasst. Die Probleme häufen sich, nicht nur bei der Automarke Tesla, sondern im gesamten Musk-Konzern. Nach dem vorerst gescheiterten Giga-Giga-Deal mit Twitter ist das Repertoire an neuen, die Fantasie der Anleger anregenden neuen Unternehmungen Musks geschrumpft. Geplante Werkserweiterungen für Lackierereien oder Abstellplätze für Neufahrzeuge bringen Börsianer nicht aus der Ruhe. Strukturelle Erweiterungen der Tesla-Modellpalette in den Massenmarkt nach unten sind nicht in Sicht. Der Wettbewerb holt auf, siehe BMW iX und der Daimler S-Klasse-Stromer EQS mit Reichweite von 770 Kilometern und Super-Akku. 

Keine guten Vorzeichen für Elon Musk, wie von ihm geplant, bis 2030 mit Tesla ein Drittel des Weltmarktes zu erobern. 

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Kommentare ( 31 )

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Rolfo
1 Jahr her

Immerhin hat es Musk mit der angekündigten Twitter-Übernahme geschafft, ein grelles Licht auf einen Zensier-Konzern zu werfen, der alles andere als seine linke Meinung nicht mag und immer rechts zensiert, weil der Kampf gegen Rechts das Dogma des ehemals freien Westens geworden ist.
Also, der lauthals Plärrenden.

Autour
1 Jahr her

Also nun doch nicht mehr so euphorisch Herr Becker über ihren Musterschüler Tesla?
Ja der Hype um diese Elektroklitsche legt sich schneller als es der gute Elon gehofft hatte. Wenn man sich mal so umhört sagen doch einige Teslafahrer, das war mein erster und letzter Tesla auf Grund von katastrophaler Qualität und Service.
Aber gut wer es noch nicht mal schafft ein Elektroauto mit durchschnittlichem Qualitätsniveau zu bauen der wird es schwer haben auch wenn man noch ein gutes Polster an Teslafanboys hat!

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

„Den Tesla-Chef graust vor nichts, er hat vor der Zukunft und vor neuen Herausforderungen keine Angst.“ Das macht in Deutschland natürlich höchst verdächtig. Der Mann ist Unternehmer und hat es zu erstaunlichem Reichtum gebracht. Ein klein wenig wird er wohl auch an seinem Erfolg schuld sein, vermute ich. Der Mann wagt Großartiges. Damit kann man auch großartig scheitern. Das ist sein Risiko. Bislang hat sich sein angeblich so riskantes Verhalten wohl gelohnt. Es wird auch Rückschläge geben. Ob die E-Mobilität wirklich der Renner wird, wage auch ich zu bezweifeln. Aber ich bin ja auch nur ein kleines Licht. Man kann… Mehr

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

„Laut Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach waren Anfang Mai „etwas mehr als 4000 Mitarbeitende“ in dem Werk beschäftigt“

Von wie vielen Mitarbeitern insgesamt?

Tizian
1 Jahr her

Das E-Autokonzept wird scheitern, nicht nur das von Tesla. Wobei das Problem weniger die Autos selbst sind, hier wird man immer effektiver arbeiten können, sondern die notwendige und bezahlbare Ladeinfrastruktur. Wenn selbst ein noch modernes und das wirtschaftlich stärkste Land Europas nicht in der Lage ist, für diese Infrastruktur zu sorgen und sie für die E-Autonutzer bezahlbar zu machen, wie soll das generell weltweit klappen? Zumal die meisten Länder dieser Welt überhaupt nicht an diese Technik denken, sondern weiterhin die allzeiterprobten und und unter allen Bedingungen leistungsfähigen Verbrenner setzen. Das E-Autothema wird dem dekadenten Westen genauso unbezahlbar und Massen von… Mehr

Alfonso
1 Jahr her

Es macht doch für die davon Betroffenen keinen Unterschied, ob Arbeitsstellen in einem jungen Unternehmen angebaut werden oder in einem Traditionsunternehmen.
Wenn Musk ein Scharlatan ist, dann trifft das doch auch auf die deutschen Autohersteller zu, die seit Jahren Musk/Tesla krampfhaft hinterherlaufen.
Wo gibt es denn Unternehmer und Konzerne, die ihr Unternehmen betreiben, um den Arbeitnehmer und der Gesellschaft Gutes zu tun? Das machen nicht einmal die Religionskonzerne wie z.B. die katholische u. die evangelische Kirche.

bkkopp
1 Jahr her

Herzlichen Glückwunsch zu dieser gründlichen Aufarbeitung von Tesla/Musk/Twitter usw. Die großen Freiheitsapostel werden dem Autor zumindest grollen, dass er ihre Freiheitsikone vom Sockel holt, und zumindest andeutet, dass Tesla, und damit der Buchwert von Musk’s Reichtum, nicht die Hälfte dessen wert ist, was aktuell am Papier steht. Es ist überhaupt viel wahrscheinlicher, dass es in 5-10 Jahren kein Tesla mehr gibt, weil die Konsumenten, die batterieelektrische Autos überhaupt kaufen (können), immer mehr bessere Fahrzeuge von traditionellen Autofirmen bekommen können, die auch Fahrzeuge herstellen können, die, in vergleichbarer Preislage, auch 15-20 Jahre laufen können. Ich respektiere Musk für seine unternehmerische Genialität,… Mehr

Geezer
1 Jahr her

Naja, alles ein bißchen zusammenkonstruiert. Fakt ist, dass Musk jetzt erstmalig Gegenwind aus der linksgrünen Blase bekommt, seit er seinen Twitter Deal bekanntgab und verkündete, dass er für Meinungsfreiheit eintreten werde. Der Absatzrückgang in der Automobilindustrie wird nicht nur Tesla betreffen. Musk hat schon erkannt, dass wir uns in einer Rezession befinden. Die hohen Energiepreise werden alle Hersteller von E-Fahrzeugen gleichermaßen treffen. Noch hat man einen hohen Auftragsbestand, der sich aber bis Ende 2023 auflösen wird, danach wird es Mau aussehen. Ich warte seit 18 Monaten auf meinen Hybrid eines deutschen Premiumherstellers. Was mir ein Assistent des Vorstandes hinsichtlich meiner… Mehr

Waldorf
1 Jahr her
Antworten an  Geezer

Völlig richtig und ja, auch ich setze hinter die Standortwahl Deutschland ein großes Fragezeichen. Allerdings sprechen 1 guter und 1 mäßiger Grund für D als Standort: der Gute: es gibt hier wirklich gut Ausgebildete Mitarbeiter, die in anderen Ländern gar nicht zu finden sind oder erst lange abgearbeitet werden müssen der Mäßige: unsere Politik kann sich das scheitern dieser Ansiedlung eines ausländischen Großinvestors gar nicht leisten und wird stets bereit sein, Geld zuzuschießen. Nur ist das kein spezifisch Deutsches Phänomen oder Prozedere, daß würde in Frankreich, Ungarn oder Schweden genauso laufen, nur dass wir über viel mehr verfügbare, gut ausgebildete… Mehr

Alfonso
1 Jahr her

Seit es Musk u. Tesla gibt, wird von deutschen Automarktexperten das Scheitern von Musk & Tesla erwartet und herbeigesehnt.

Ansonsten: In welcher Branche (außer der Impfstoffindustrie) sieht die nahe Zukunft derzeit denn rosig aus, sofern man nicht die Augen verschließt?

Waldorf
1 Jahr her

Naja… Die „Strahlkraft des Magiers“ ist keine absolute Größe, sondern kann nur relativ zu seinen Wettbewerbern sinnvolle Aussagen ergeben. Dass nach Corona und jetzt, mit Energiepreisexplosion, Inflation und jeder Menge Angst vor Crashs das unternehmerische Umfeld schwierig ist, dürfte eine Binse sein. Viele Industrien leiden – bei vollen Auftragsbüchern – unter Nachschubproblemen, soweit für mich erkennbar faktisch allesamt wegen China. Die Autoindustrie mag zusätzlich noch das Problem Kabelbäume/Ukraine besitzen, aber selbst bis zur amerikanischen Rüstungsindustrie fehlen Bauteile/Chips aus China. Lieferzeiten, die früher in Tagen gerechnet wurden, sind jetzt Monate, evtl auch erst nächstes Jahr… oder übernächstes … Homeoffice? Musk spricht… Mehr