Covestro in den Wellen des Ausverkaufs

Abu Dhabis Staatskonzern ADNOC erwirbt beinahe sämtliche Aktien des Chemieriesen Covestro. Deutschland verliert Stück für Stück seine strategische Position in zentralen Sektoren der Industrie. Der Ausverkauf beschleunigt sich.

picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Erinnern Sie sich noch an das große Medien-Event „MADE FOR GERMANY“ im Juli dieses Jahres? Damals inszenierte Bundeskanzler Friedrich Merz ein Treffen mit 61 Konzernchefs und verkündete voller Stolz angebliche Zukunftsinvestitionen von 631 Milliarden Euro.

Doch mit Blick auf die anhaltende Kapitalflucht aus Deutschland war schon damals klar, dass es sich vor allem um ein medienpolitisches Schauspiel handelte – ein trauriger Versuch, die Öffentlichkeit über den tatsächlichen Zustand des Wirtschaftsstandorts hinwegzutäuschen.

Seit jenem Tag hat sich der Ausverkauf der deutschen Industrie nicht verlangsamt, sondern beschleunigt. Die Unternehmen haben ihr Urteil längst gefällt: über eine erstickende Regulierungspolitik, die explodierenden Compliance-Kosten im Namen der Klimapolitik und das administrativ-feindselige Umfeld, in dem Investitionen zum Risiko geworden sind.

Kurz gesagt: Die Industrieproduktion wird vom Gesetzgeber mit System und willentlich eliminiert.

In der vergangenen Woche rückte nun der deutsche Chemieriese Covestro ins Zentrum der Schlagzeilen. Dieses Mal war es der Staatskonzern ADNOC aus Abu Dhabi, der auf Schnäppchenjagd zuschlug – Black Friday ist im Grunde zur täglichen Routine geworden.

Für rund 62 Euro je Aktie und einen Transaktionswert von 15 Milliarden Euro stockte ADNOC seine Beteiligung auf über 95 Prozent auf – und übernimmt damit künftig die Kontrolle über die Firmenpolitik.

Verlust von Kapital und Knowhow

Kapitalgewinne fließen künftig nicht mehr nach Deutschland, sondern nach Abu Dhabi. Strategische Entscheidungen über Investitionen und Standortpolitik treffen nun Eigentümer im fernen Ausland.

Und das ausgerechnet bei einem Unternehmen von klarer strategischer Bedeutung: Covestros Hochleistungskunststoffe und Polyurethane zählen zu den unverzichtbaren Grundstoffen der deutschen Schlüsselindustrien – vom Automobilbau und Maschinenbau über die Bauwirtschaft bis hin zur Elektrotechnik. Covestro ist damit ein zentrales Element der industriellen Wertschöpfungskette, deren Stabilität über die Zukunft des gesamten Standorts mitentscheidet.

Noch immer arbeiten rund 40 Prozent der 15.000 Beschäftigten am Heimatstandort, viele von ihnen am Firmensitz Leverkusen. Doch auch Covestro konnte sich in den vergangenen Jahren der allgemeinen Entwicklung nicht entziehen. Die deutsche Chemieindustrie produziert heute mit einer Kapazitätsauslastung von nur 71 Prozent, ein Einbruch von über 20 Prozent gegenüber dem Rekordjahr 2018 – ein Sektor, der in zunehmend schwerer See operiert.

Covestro verzeichnete in den letzten Jahren ein negatives Nettoergebnis, während das operative Ergebnis (EBIT) zwischen 2023 und 2024 um mehr als 50 Prozent auf 87 Millionen Euro sank. Der Druck aus internationaler Konkurrenz, hohen Energiekosten und einer zunehmend komplexen Regulierungspolitik aus Brüssel hat das Unternehmen an die Grenzen seiner Wettbewerbsfähigkeit gebracht.

Allgemeiner Trend

Der Trend des Ausverkaufs deutscher Industrie-Kronjuwelen wurde sichtbar mit dem Verkauf des Augsburger Roboter- und Automatisierungsspezialisten KUKA im Jahr 2016. Seinerzeit erwarb die chinesische Midea Group für 4,6 Milliarden Euro die Mehrheit am Unternehmen.

Und schon damals bot sich dasselbe Schauspiel: Der neue Investor versprach öffentlich Standort- und Jobgarantien, wechselte jedoch rasch in einen Modus, in dem strategische Entscheidungen konsequent an Renditeerwartungen und Standortqualität gekoppelt wurden.

Für pathetischen Traditions- und Standort-Kitsch ist in dieser Welt schlicht kein Platz mehr. Die globale Industrie dreht sich weiter – und niemand außerhalb Europas teilt die hiesige Passion für eine klimapolitische Hasardeurspolitik.

Dramatische Folgen

Covestro und KUKA sind dabei nur zwei prominente Beispiele eines Trends. Jahr für Jahr verliert der deutsche Wirtschaftsstandort netto an Direktinvestitionen. Allein im vergangenen Jahr flossen 64,5 Milliarden Euro ab – Kapital, das andernorts in neue Produktionskapazitäten investiert wird. Wichtig zur korrekten Lesart dieser Zahl: Es handelt sich um einen Nettobetrag, der in diesem Jahr aller Voraussicht nach noch deutlich höher ausfallen dürfte.

Die deutsche Ökonomie blutet regelrecht aus, während die politische Führung mit einer Mischung aus halbherzigen industriepolitischen Subventionen – etwa der Mogelpackung „Industriestrompreis“ – und immer neuen Regulierungen reagiert. Viele Unternehmen dürften schon aufgrund des antizipierten Kosten-Tsunamis durch den CO₂-Zertifikatehandel ab 2027 das Weite suchen.

Immer wieder USA

Vor allem die Vereinigten Staaten locken als alternativer Produktionsstandort. Die Regierung von Präsident Donald Trump hat unmissverständlich klargemacht, dass sie mit allen verfügbaren Hebeln, zu denen auch zollpolitischer Druck zählt, eine Re-Industrialisierung des Landes vorantreiben wird. Das umfasst die Deregulierung des Energiesektors, das Ende kostspieliger Experimente im Bereich der erneuerbaren Energien und eine Industriepolitik, die Investoren nicht vergrault, sondern mit offenen Armen empfängt.

Hinzu kommen die Zusagen gerade jener arabischen Staaten wie Abu Dhabi oder Saudi-Arabien, Billionenbeträge in den Produktionsstandort USA zu investieren – handfeste Belege dafür, wie ernst es Washington meint. „Made for USA“ wird als politische Kampflinie in den kommenden Jahren massiv an Bedeutung gewinnen. Die amerikanische Wirtschaft wächst derzeit mit einer Rate von über vier Prozent, was die globale Umlenkung von Kapitalströmen zusätzlich beschleunigen dürfte.

Und die Liste deutscher Unternehmen, die sich dem amerikanischen Standort zuwenden, wächst. Unter den bekannten Markenherstellern gehören der Hamburger Metallproduzent Aurubis sowie die Automobilkonzerne Stellantis und Zulieferer Bosch zu jenen Firmen, die mit Milliardensummen künftig die Wirtschaft in Nordamerika stärken werden.

Niemand opfert den grünen Gott

Es wäre allerdings viel zu billig, diese fatale Tendenz allein der aggressiven Zollpolitik der Vereinigten Staaten anzulasten. Lange bevor Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrte, war klar, dass sich Industrieproduktion am Standort Deutschland – und in der gesamten Europäischen Union – nicht mehr rentieren kann. Solange die nationale Politik unter Brüsseler Diktat den Green Deal und sein Regime der „grünen Transformation“ durchpeitscht, wird sich daran nichts ändern.

Niemand wagt es, den grünen Gott, die zerstörerische CO2-Erzählung, die zum Niederbruch der Ökonomie führt, final zu opfern.

Das halbherzige Aufbegehren von Mittelstandsverbänden wie den Familienunternehmern in der Debatte um die Öffnung des politischen Diskurses hin zur Alternative für Deutschland – und deren scharfe politische und mediale Zurückweisung – zeigt, dass man in Deutschland noch immer nicht den Ernst der Lage erkennen will.

Mit jedem Großkonzern, der seinen Schwerpunkt ins Ausland verlagert, wird auch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, der in die Wertschöpfungsketten fest integrierte Mittelstand, massiv geschwächt. Dass der öffentliche Sektor in den vergangenen Jahren rund eine halbe Million Menschen eingestellt hat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrie in den letzten Jahren Hunderttausende von Jobs gestrichen hat – und in den kommenden Jahren weiter an Wertschöpfung verlieren wird.

Dass man in Berlin die Wiedereinführung einer E-Auto-Prämie als großen industriepolitischen Schritt feiert, ist im Kern nichts anderes als eine Bankrotterklärung der ökosozialistischen Politik, die das Land in eine Armutsspirale katapultiert hat.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 21 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

21 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
NurEinPhilosoph
14 Tage her

Einfach alle Deutschen verbeamten, dann gibt es einen Inflationsausgleich und eine gute Pension.

siebenlauter
14 Tage her

Im Logo die Farben des falschen Regenbogens …

GR
14 Tage her

Man kann die Klimaziele nur durch Deindustrialisierung und Verarmung erreichen. Also habt euch nicht so.

JamesBond
14 Tage her

Alles kein Problem, wer die Parteien der DDR 2.0 und die der EUdssr wählt und das tun immer noch 75% der Wahlberechtigten, dem kann auch die AfD nicht mehr helfen ….

hansgunther
14 Tage her

Dieses Land wird schon seit Jahren einfach so verhökert. Es lohnt sich, sich zu jeder Firmengeschichte, die offizielles Thema wird, die Eigentümerverhältnisse anzuschauen. Das Internet ist die Quelle, Google sehr ergiebig, das Opfer Deutschland und sein Leistungspotential in der ganzen Breite seiner Leistungsträger. Denn hier bleibt schon lange kein Stein auf dem anderen: Ausländisches Kapital hat einen übergroßen Einfluss und saugt die Gewinne, die Wertschöpfung, Wissen und Patente, nicht selten die ganze Firma, natürlich ohne ihre deutschen Leistungsträger, ab. Schlüsselpositionen werden mitgenommen, der Branchenwert, die Technik und die oft einmalige Stellung auf dem Weltmarkt, der Name als Türöffner auf den… Mehr

Last edited 14 Tage her by hansgunther
Axel Fachtan
14 Tage her

Habeck hatte der deutschen Wirtschaft den Krieg erklärt.
Von der Leyen führt den Krieg.
Merkel hat den Krieg geführt.
Söder und Aiwanger sprengen die Energieversorgung weg.
Merz macht eine Politik, die er bis zu den Wahlen für
kompletten Irrsinn erklärt hat.
Jetzt hat Bärbel Bas auch noch den Unternehmern den Bürgerkrieg erklärt.
Wer sollte da noch den Wunsch verspüren, irgendnuretwas aufzubauen oder am Laufen zu halten ?
Abhauen wird zur Bürgerpflicht, wenn 69 Millionen versuchen, die 15 Millionen, die noch etwas leisten grenzenlos auszuplündern und wirtschaftlich niederzumetzeln.

LiKoDe
15 Tage her

Dem Verkauf von Covestro gingen Jahre/Jahrzehnte von fehlerhaften, falschen und schädlichen Entscheidungen von Grossaktionären, Aufsichtsräten und Vorständen voraus.

Covestro entstand erst aus der von Grossaktionären und Aufsichtsrägen sowie Vorständen vorangetriebenen Zerlegung der BAYER AG in Teilgesellschaften.

Dabei spielten auch Regulierungen der EU eine Rolle, damit einzelne Unternehmen keine Marktbeherrschung erreichen. Infolgedessen wurden bereits andere grosse Konzerne an aussereuropäische Investoren verkauft.

Und natürlich wurden/werden auch innerhalb EUropas Konzerne umstrukturiert bzw. Teilstücke verkauft und so die Industrie neu geordnet. Deutschland ist da keine Ausnahme.

Wer die EU ständig erweitert, muss mit solchen Aktionen rechnen.

Raul Gutmann
15 Tage her

Das Gute an der Meldung besteht darin, daß außerhalb von „Lalaland“ augenscheinlich noch positive Zukunftsaussicht für Unternehmen bestehen, die in vergangenen Zeiten als deutsch galten.
Wessen Lebenszeit es zuläßt, darf beobachten, wie sich jene Erwartungen realisieren.

murphy
15 Tage her

Ich bin kein Psychiater auch habe ich mich mit Merz und Weimer nie darüber unterhalten und kann auch deshalb keine Diagnose auf krankhaftes narzistisches Lügen stellen. Aber es scheint so, als ob wir von schwer Erkrankten gesteuert werden. Als Beispiel für diese Erkrankung ist u.a. Berlusconi, in diesem Artikel beschrieben https://freiheitsfunken.info/2025/11/26/23573-pathologie-der-macht-der-luegner-und-die-hofschranzen Man kann unsere Zustände beklagen. Besser wäre es, sie zu ändern. Nach Hitler sollte es gute Gründe geben sich über wirksame Schutzmaßnahmen Gedanken zu machen. Dabei ist ein Schutzmechanismus bereits im GG verankert: Es ist das Wort „Abstimmungen“ im Artikel 20.2 . Das wurde allerdings bereits von Adenauer/CDU sabotiert,… Mehr

Last edited 15 Tage her by murphy
Tom-K
15 Tage her

Ziel dieser seit einigen Jahrzehnten immer wieder stattfindenden Verkäufe ist es an die Patente zu gelangen. Die Firmen selbst werden nach wenigen Jahren zerschlagen oder total „umorganisiert“. Und falls diese Firmen jemals wieder unter deutsche Führung erstehen, sind die Patente nicht mehr da (die sind dann halt wo anders).
Im Prinzip eine durch unsere „Regierung“ gebilligte (angestrebte?) etwas modernere Umsetzung des Morgenthau-Plans aus 1944.