Maischberger bietet Raum für den Krieg und Gefühle

Die AfD erlebt bei Maischberger ein Comeback in deutschen Talkshows. Dort zeigt ihre Vorsitzende Alice Weidel, dass die Partei zwar die Fehler der Regierung aufzeigt – aber kein eigenes Konzept entgegenzusetzen hat.

Screenprint ARD / Maischberger

Die Einladungen in Talkshows sind ein Politikum. Der Aufstieg der AfD hing auch damit zusammen, dass die Vertreter der Partei es verstanden, in den Sendungen die Unzufriedenen zu bedienen. In diesem Jahr haben ARD und ZDF faktisch einen Bann über die zweitgrößte Oppositionspartei ausgesprochen – und ihre Vertreter gar nicht mehr eingeladen. Anders als die der Linken, die nur noch wegen Direktmandaten im Bundestag sitzt, die sie der zweifelhaft verlaufenen Wahl in der Stadt Berlin verdankt.

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Nun ist die AfD zurück in den Talkshows. Spät. Im Jahr. Aber auch in der Uhrzeit. Maischberger lässt zuerst eine Runde zu Wort kommen, in der zwei Journalisten sitzen und der Komiker Oliver Kalkofe. Der erklärt, er wolle keine Witze machen, über die „von der falschen Seite“ gelacht werde. Deswegen lasse er Robert Habeck (Grüne) in Ruhe. Egal, wie viel Stoff für Parodien der Wirtschaftsminister liefert, vor Kalkofes Spott ist er sicher.

In diesen Runden sitzt bei Maischberger immer eine grün-rote Quotenjournalistin. Immer in der Mitte, eingerahmt von den beiden anderen Gästen. Die sagt dieses Mal, sie habe das Gefühl, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe sich in der Frage der Waffenlieferungen Kanzler Olaf Scholz (SPD) gebeugt und akzeptiere, dass Deutschland keine Kampfpanzer in die Ukraine schickt. Kalkofe sagt zur Ukraine-Frage: „Von meinem Gefühl her sage ich, dass man helfen muss.“ Es ist tröstlich, wenn es in Zeiten von Not und Krieg noch Raum für Gefühle gibt. Danach folgt ein Block, in der (wieder einmal) Wolfgang Ischinger die Lage in Russland einschätzen darf. Als langjähriger Chef der Münchener Sicherheitskonferenz galt er auch als Berater der Bundesregierung. Zehn Jahre danebengelegen zu haben als Referenz dafür, weiter den Fachmann zu geben.

Dann kommt Alice Weidel. Es ist 23.40 Uhr. Für manchen typischen ARD-Zuschauer liegt das Aufstehen da zeitlich näher als das Schlafengehen. Die AfD ist zurück in den Talkshows und bleibt es bis kurz nach der Geisterstunde. Die ARD und Maischberger brauchen sie. Für die Dramaturgie. Die öffentlich-rechtlichen Sender können scheinbar immer nur ein Thema gleichzeitig. Über mehr als zwei Jahre war das Corona, dann für einige Monate der Ukraine-Krieg und danach, für ein kurzes Zeitfenster, die Energiekrise, die Privatleute und Unternehmen gleichermaßen in die Pleite zu ziehen droht.

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Am Sonntag kehrte Anne Will aus der Sommerpause zurück. Mit dem Krieg als Thema. Nun widmet auch Sandra Maischberger ihre ganze Sendung der Frage. Die Energiekrise kommt nur als Aspekt dieses Themas vor. Doch über wie viele Wochen kann man den Zuschauern Sendungen präsentieren, in denen Leute, die stark für deutsches Engagement in der Ukraine sind, mit Leuten diskutieren, die sehr stark für deutsches Engagement in der Ukraine sind? Es braucht Gegenstimmen. Und die Experten, die eine rasche Niederlage der Ukraine vorhergesagt haben, sind nach der Gegenoffensive von Charkiw verstummt.

Also muss Alice Weidel her. Eine der wenigen Politiker, die es schaffen, die Verteidigungsexpertin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, gut aussehen zu lassen. Allerdings gehört Strack-Zimmermann genauso zu den wenigen Politikern, die Weidel gut aussehen lassen. Das hört sich nach einer gruseligen Debatte an? Das ist eine gruselige Debatte. Obwohl sich Maischberger wirklich redlich bemüht, zu verhindern, dass die beiden Politikerinnen sich einfach nur gegenseitig permanent ins Wort fallen, bleibt der Erkenntnisgewinn aus diesem Gespräch überschaubar.

Was sich jedoch zeigt: Die AfD und Weidel leben davon, wenn sie auf die Fehler der Regierung hinweisen können. Material ist genug da. Schlecht wird Weidel, wenn sie eine eigene Politik skizzieren muss. Maischberger führt die AfD-Chefin zu diesem Punkt mit hartnäckigen Nachfragen, die sie gerne auch bei anderen Gästen zeigen könnte. Selbst in dieser Ausgabe. Strack-Zimmermann verteidigt das deutsche Engagement für die Ukraine und gegen Russland damit, dass es eine Frage der gemeinsamen Werte sei. Die Frage, was denn mit den gemeinsamen Werten zum christlichen Armenien ist, das gerade vom deutschen Gaslieferanten Aserbaidschan angegriffen wird … Diese Frage erspart Maischberger Strack-Zimmermann.

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Gegenüber Weidel zeigt Maischberger aber diese Hartnäckigkeit. Sie spricht die AfD-Chefin darauf an, ob Wladimir Putin ein Diktator und Massenmörder sei – die verneint. Ein Massenmörder sei er nicht, sondern nur jemand, der einen „völkerrechtswidrigen Angriff“ gestartet habe. Und die Meinung, dass Putin kein Diktator sei, vertritt außerhalb der AfD prominent eigentlich nur noch Altkanzler Gerd Schröder (SPD). Letztlich sind das aber auch nur Einschätzungen. Interessant wird es, als Maischberger von Weidel einen eigenen Politikentwurf einfordert. Da kann die nicht liefern.

Was denn nach Meinung der AfD Kanzler Scholz tun solle, will Maischberger wissen. Er soll Friedensverhandlungen herbeiführen, antwortet Weidel. Nur: Wie soll das gehen? Von Berlin aus? Da hakt Maischberger erfreulich intensiv nach und da scheint Weidel blank zu sein. Letztlich ist es Strack-Zimmermann, die der AfD-Chefin hilft. Weil sie das Wasser nicht halten kann. Weil sie immer wieder dazwischenredet, wie ein störrisches Kind – während Maischberger eigentlich gerade dabei ist, Weidel gekonnt vorzuführen.

Krieg in der Ukraine statt wirtschaftlicher Not zu Hause – die eigentlich spannende Frage lautet, ob ARD und ZDF das zum Kernthema der nächsten Wochen machen? Ob ihnen da nicht die Zuschauer weglaufen? Zumindest Strack-Zimmermann glaubt an das Interesse: „Die Menschen haben in diesem Land ein sehr, sehr gutes Gefühl dafür, was gerade passiert.“ Es ist schön, wenn es in Zeiten der Not und des Krieges noch Raum für Gefühle gibt.

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Kommentare ( 114 )

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Evero
1 Jahr her

Maischberger, das ist potenzierte Volksverdummung. Dieses Format sollte verboten werden in einem Staat, der sich als Demokratie bezeichnet. Dieses Format zeichnet sich dadurch aus, dass es stets um eine schon vorher festgelegte „Wahrheit“ kreist und Protagonisten mit abweichender Meinung nur einlädt, um diese kollektiv fertig zu machen.
Die Fortsetzung des Schwarzen Kanals aus dem DDR-Fernsehen.

Franzl
1 Jahr her

Konzept der Oppositionsparteien?
In diesen Zeiten ganz einfach:
In vielen Dingen das Gegenteil von dem zu tun, was die derzeitige Regierung tut.

Deutscher
1 Jahr her

„Dort zeigt ihre Vorsitzende Alice Weidel, dass die Partei zwar die Fehler der Regierung aufzeigt – aber kein eigenes Konzept entgegenzusetzen hat.“

Und welches Konzept schlagen Sie vor, Herr Thurnes? Ihren Worten entnehme ich, dass Fehler nur aufzeigen darf, wer ein Konzept vorlegt.

F.Peter
1 Jahr her
Antworten an  Deutscher

Es war noch nie Aufgabe der Opposition,der Regierung die Arbeit abzunehmen! Oder hab ich hier etwas Ähnliches über die CDU mal lesen können? Der AfD darf man solches aber vorhalten……

hoho
1 Jahr her
Antworten an  Deutscher

Das ist spiel mit Feuer. Selbst wenn wir gewinnen – was bedeutet das dann? Ich nehme folgendes: Russland schwach ev. zerfällt oder auch nicht aber die Sanktionen werden nicht aufgehoben. Die zerfallendes marodes Militär wird weder alle die Konfliktherden an den Grenzen nicht löschen können noch sich über alle die Vernichtungswaffen kümmern. Das ist doch das Ziel der ganzen Aktion oder? Ukraine hat eine ultra-nationalistische Regierung die jeden Widerstand genauso zerstört wie man das jetzt den Russen vorwirft. Die russische Minderheit wird wohl das Land verlassen müssen und die bleibende Teil davon ihre Kultur in geheimen ausleben. Das ist auch… Mehr

antizeitgeist
1 Jahr her

Ich muss dem Autor widersprechen.
Fr. Weidel hat im Bundestag die Alternativen zur aktuellen Politik ausführlich dargelegt.

miscellaneous
1 Jahr her

Kein Ruhmesblatt Herr Thurnes. Habe alle Kommentare zu ihrem Artikel gelesen und habe die Sendung gesehen. Wie die meisten hier wegen Frau Weidel und in der Hoffnung auf Regierungskritik. Daß man Frau Weidel nicht gestatten würde sachlich und angemessen die Bundesregierung zu kritisieren und gleichzeitig eigene Konzepte vorzutragen, hätte ihnen als Talkshowprotokolleur doch klar sein müssen. Um ihren Auftritt bestmöglich zu konterkarieren wurde ihr das zurzeit böswilligste Wesen der deutschen Politik entgegengesetzt. Diese Mischung aus Frau Künast, Herrn Stegner und Michel Friedmann auf Koks bot wie erwartet einen unterirdischen Auftritt und versprühte wahrlich puren Hass. Wahrscheinlich tut es ihnen ebenso… Mehr

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  miscellaneous

Einen Treffer konnte der Letztgenannte wohl landen: „Die Sanktionen gegen #Russland sind eine intellektuelle Fehlleistung, ein Rohrkrepierer und Schuss ins eigene Knie. Die Bundesregierung führt Wirtschaftskrieg gegen die eigene Bevölkerung!“ https://twitter.com/Hartes_Geld/status/1572848483455082498?cxt=HHwWhIDR3ZjX8NMrAAAA
Nach dem Konzept da wieder raus wurde er wahrscheinlich aber gar nicht erst gefragt!

Karl Schmidt
1 Jahr her

Die Opposition soll den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine lösen und Herr Thurnes meint, dazu (!) müsse die deutsche Opposition ein Konzept vorlegen. Nun, die Ablenkungsmanöver der Linken sitzen jedenfalls noch und treffen offenbar auf ein leicht ansprechbares Publikum. Ich bin ganz sicher, dass das nicht die Aufgabe der Opposition ist – und ganz bestimmt steht es nicht oben auf der Tagesordnung, denn der Konflikt ist auch nicht – wie diese Sendung offenbar erneut erfolgreich suggeriert hat – die Ursache der deutschen Probleme in der Wirtschaft. Dafür ist die verfehlte Energiepolitik verantwortlich, die planwirtschaftlich organisiert ist, und nur noch… Mehr

Detlev Schmidet
1 Jahr her
Antworten an  Karl Schmidt

Sie bohren den Finger in genau die richtige Wunde. Im Grunde, folgt man Blättern wie Tichy, die zwar einerseits als einzige überhaupt noch in der Lage scheinen, die Regierung angemessen zu kritisieren, aber dennoch nicht umhin können, sich bei jeder Gelegenheit von der „Schwefelpartei“ zu distanzieren, warum auch immer, offenbar will man dennoch vom Establishment und dem Mainstream gemocht werden, müsste man zum Nichtwähler werden. Erstaunlicherweise beklagen aber auch dies die Journalisten von Tichy, der Achse und anderen. Journalismus paradox.

November Man
1 Jahr her

Die AfD ist übrigens Oppositionspartei, welche die Regierungsarbeit strengstens zu überwachen und wenn nötig zu kritisieren hat. Die AfD muss als Oppositionspartei keine eigenen Konzepte vorlegen. Das ist alleinige Sache und Aufgabe der Regierungspartien. Wie diese Regierung Friedensverhandlungen, wenn sie überhaupt was zu melden hat, mit dem russischen Staatspräsidenten Herrn Putin zu führen hat, ist ausschließlich Angelegenheit und Aufgabe der deutschen Regierung, und nicht die der Opposition. Und diese Regierung hat nichts zu bieten. Keine Vorschläge und schon gar keine Lösungen zu Gunsten Deutschlands. In keinem Bereich. Diese Regierungsparteien und ihre Regierungsmitglieder schaden unserem Land mehr als sie ihm nutzen.

November Man
1 Jahr her

Der Strack-Zimmermann ist wohl auch nicht bekannt, dass fast alle EU-Hilfsgüter offenbar auf dem Schwarzmarkt landen und dort verkauft werden. Aus der Ukraine geleakte und von unabhängigen Beobachtern bestätigte Informationen geben einmal mehr einen Einblick in die allgegenwärtige Korruption, die in dem Land vorherrscht: Laut Angaben der zum Europarat gehörenden Staatengruppe Group of States against Corruption (GRECO) wurden Hilfsgelder von mehr als 55 Millionen Euro abgezweigt. Das ist nicht alles: Demnach wurden in den letzten sechs Monaten in der Region 22 Schiffscontainer, 389 Eisenbahnwaggons und 220 Lastwagen mit humanitärer Hilfe aus der Region Saporoschje gestohlen. Dies entspricht fast 100 Prozent… Mehr

SB
1 Jahr her

Gut, daß ich jetzt auch mal weiß, wie Oliver Kalkofe tickt. Ein „Satiriker“, bei dem die Beißhemmung einsetzt, wenn’s der rot-grünen Sache gefährlich werden könnte… Eben ein waschechter „95%-er“ mit Haltung. Schade, fand seine „Mattscheibe“ eigentlich immer witzig.

Michael M.
1 Jahr her

Werter H. Thurnes, ihnen ist aber hoffentlich schon klar, dass die derzeitige und die Vorgängerregierungen das derzeitige Desaster zu verantworten haben. Ein Konzept bzw. eine Lösung kann ich bei der derzeitigen Regierung überhaupt nicht erkennen, daher frage ich mich wie Sie darauf kommen, dass eine Oppositionspartei eines haben müßte.