Bei Anne Will: Klima-Amazonen diskutieren nicht

Staatsfunk für groß und klein: Autos sind böse, auf Autos herumtrampeln ist toll. Andi Scheuers Klimapläne sind blöd. Ach, soll Cem Özdemir einen neuen Job bekommen?

Screenshot ARD

Wir dachten ja auch schon gelegentlich, selbstkritisch wie wir sind, dass wir den Informations-Mehrwert der Anne-Will-Talk-Shows oft nicht verstanden haben, und deshalb ein wenig ungerecht mit der Diplomjournalistin Anne Will und ihren Gästen in der Sendung umgesprungen sind. Aber dann hörten wir sie sagen, dass auch im eigenen Familienkreise das Verständnis oft fehle: „Morgen ruft mich meine Mutter wieder an und sagt, ich habe keinen Satz verstanden“. Wenn also selbst die werte Frau Mama der Moderatorin, durch Mutterliebe zur Nachsicht verpflichtet, mit dem Geschwätz nicht viel anfangen kann, sehen wir uns weiter auf dem richtigen Kurs.

Heute ging es um die rhetorische Frage, ob Klimaschutz radikal sein muss. Das lässt sich leicht klären. Wenn Sie – wie die Greenpeace-Aktivistin Marion Tiemann – der Ansicht sind, dass nicht nur der Regenwald in Flammen steht, sondern auch „die Arktis brennt“, dann sollten schleunigst Sprengsätze an allen (deutschen) Automobilen angebracht werden. Weitere Diskussionen unnötig. Und wenn sie der Ansicht sind – wie die „Zeit“-Redakteurin Elisabeth Raether –, dass die Leute gar nichts gegen Verbote (oder den Zuzug von Millionen Unberechtigten in die Sozialsysteme) haben, sondern dass man „das“ den Leuten nur besser erklären muss, reicht womöglich ein Zwangsabo der „Zeit“, eingetrieben durch die GEZ, schon aus, um den Untergang noch abzuwenden.

— Phil Hackemann (@PhilHackemann) September 15, 2019

Aber der Scheuer Andi hat sich verkalkuliert wie bei der PKW-Maut. Denn seit der Söder Markus die bayerische CSU zur besten Klimapartei Bayerns, Deutschlands und der Welt ausgerufen hat, dachte er wohl, man sei quasi unter sich, Klimawandler aller Fraktionen vereinigt euch. Es war doch der Andi, der Verkehrsminister, der die Initiative „Elektro-Tretroller sollen die Busspur benutzen“ ins Leben gerufen hat. Außerdem fährt er „oft mit Rad und Tretroller durch Berlin“, das muss doch der Staatsfunk wissen!

Den Scheuer Andi, Lehramtsstudent aus Niederbayern, hat quasi der Spitzenpersonalmangel der CSU Anfang des 3. Jahrtausends – wir sagen nur Huber & Beckstein – nach oben gespült, außerdem gehört er der Generation an, die glaubt, man könne gefahrlos mit Maoisten im Jangtse schwimmen – die wollen doch nur spielen. Nun, wie gesagt, der Scheuer Andi hatte sich getäuscht, er war der Watschenmann.

Zuschauer, die nicht so oft vor dem Politikerkarussell stehen wie wir, mögen sich gewundert haben, warum der Sozialpädagoge Cem Özdemir in der Runde saß. Nun, Özdemir hat zwar als Grüner in verschiedenen Funktionen ordentlich Rentenpunkte gesammelt, aber das kann es doch nicht gewesen sein! Nur weil jetzt der fliegende Robert Habeck da ist! Also ist er mit seiner Psychiaterin Kirsten Kappert-Gonther (aus dem zweiten grünen Musterländle Bremen) angetreten, um zunächst den Hofreiter Toni und Kathrin Göring-Eckardt als Fraktionsvorsitzender zu beerben, und dann sieht man weiter.

So schnell gerät man in Vergessenheit. Aber sofort war uns Cem Özdemir wieder vertraut mit diesem aufmerksamen Forrest-Gump-Blick, als habe er trotz aller Mühen Schwierigkeiten, der Unterhaltung zu folgen. Auf der anderen Seite dieses übertriebene Koalitions-Nicken („Ich verstehe Sie ja, Arbeitsplätze…“) – Özdemir ist noch ganz der Alte. Weil er aber Punkte bei den Parteigenossen machen muss (s.o.), ging er mit Zetteln und Witzle auf den Scheuer Andi los. Dessen einzige Leistung seien Gratis-Luftpumpen vor dem Verkehrsministerium (Haha), zu wenig Geld für die Schiene, und als Will Scheuer fragte, warum das Kanzleramt seinem vielversprechenden CO2-Gutachten nicht traue, und der beleidigt konterte, dann könne sie, Anne Will, ja am Freitag ins Kabinett gehen, kalauerte Cem Özdemir: keine schlechte Idee (nochmal haha).

Würde es wirklich um Inhalte gehen bei Anne Will und nicht um billige Propaganda für Klimafreaks, dann hätte Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender eines Autozulieferers, wirklich weiterführen können in einer Debatte. Wiederholt, wie ergebnislos, lud er Aktivistin Tiemann ein, sich die neuesten technologischen Entwicklungen anzuschauen, sich zu informieren. Aber die zeigte ihm verbal den Finger.

Mit den ehrfürchtigen Worten „Sie waren ja in Frankfurt dabei“ hatte Will Tiemann eingeführt. „Sie waren sogar in Polizeigewahrsam. Zu Recht?“ Aus der Not heraus, erzählte die dann kokett unter den bewundernden Blicken von Anne Will, habe sie auf Autos herumgetrampelt, „nicht zum Spaß“. „Ich werde Tante, und dem Scheuer ist das egal!“

Alle (vor allem Scheuer und der Autoboss) mussten dann pflichtschuldig den SUV-Unfall von Berlin verdammen, so als hätten sie mitgelenkt. Während der Todesfahrer von Stuttgart, der mit einem gemieteten 550 PS starken Jaguar durch die Innenstadt raste und ein junges Paar aus dem Rheinland tötete, wohl nicht ins Bild passte – obwohl längst nicht alle SUVs 550 PS haben. Aber der Fahrer, ein 20jähriger aus einem „Kulturkreis, in dem andere Sitten gelten als in deutschen Familien“ (Gutachter) passte wohl nicht ins Gesamtkonzept.

Am Freitag wird nun also in Berlin klimagemerkelt (ohne Anne Will) und wir warten auf den nächsten CO2-Steuerbescheid.

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