Bei Anne Will ging die Regie nicht auf

Sollte die Quote einen kleinen Tick nach oben gegangen sein, dann wohl deshalb, weil der Zuschauer den Titel der Sendung „Zwischen Höchstleistung und Überlastung - wann macht Arbeit krank?“ schlicht so übersetzt haben dürfte: Was ist mit Sahra Wagenknecht wirklich los? Warum zieht sie sich bei der Linken zurück?

Screenprint: ARD/Anne Will

Leider haben wir im deutschen Gemeinwohlfernsehen keine Oprah Winfrey, die deshalb so viel verdient wie alle deutschen TV-Prominenten zusammen (und noch mehr), weil sie einfach jede Auster knacken kann. Diplomjournalistin Will scheitert schon an der angeschlagenen Sahra.

Mancher dürfte sich geärgert haben, wegen solcher Sahra-Banalitäten – „Dauerstress nicht mehr ausgehalten“, wenn man „ausgebrannt“ ist, „innere Leere“ – eingeschaltet zu haben. „Toll, dass Sie hier sitzen“, weckte Will die Erwartungen, aber wir erfuhren lediglich „Nichts ging mehr“, und Sahra habe sich „krank schreiben lassen“. Einmal fragt die Diplomjournalistin sogar knallhart nach. Was war mit Mobbing? Mobbing? Nö. Doch! Und Will legte ein Zitat vor, das ahnen ließ, welch menschenfeindlicher Saustall die linke Partei mittlerweile ist. „Ach, wissen Sie, ich möchte da nicht nachtreten… Politiker beschäftigen sich größtenteils mit sich selbst …“ Ach komm, Sahra! Niemand möchte mit Katja Kipping und Bernd Riexinger in einem Raum eingesperrt sein!

Die Diplomjournalistin ließ Sahra jedenfalls vom Haken und die machte sich befreit unter Absingen der bekannten Lieder auf in ihre Komfortzone. „Wir Politiker können ja jederzeit aufhören, verdienen viel Geld“, aber die anderen Menschen, die unter Burnout leiden …

Für die saß der aus diversen Talkshows bekannte, sympathische Pfleger Alexander Jorde da, und wir vernahmen, dass er inzwischen vom Team SPD eingekauft wurde. Schade. Schon war die Authentizität verloren. Dass die Pflege ein mies bezahlter Job ist, die Privatisierung in diesem Bereich (von der SPD eingetütet) die Lage nicht besser machte, und auch Spahn bislang nicht viel auf die Reihe bekommen hat – geschenkt.

Für uns stand immer noch der Widerspruch „Höchstleistung“ und Politiker-Burnout im Fokus des Interesses, erst recht, weil wir am selben Tag gelesen hatten, dass Emmanuel Macron, Höchstleistungs-Vorbild aller deutscher Polit-Darsteller zum Ski-Urlaub in die Pyrenäen aufgebrochen war, obwohl seit 18 Wochen seine Hauptstadt brennt. Der war natürlich nicht bei Will, er zog es dann doch vor, seinen Job zu machen. Dafür war Thomas de Maizière ein vollwertiger Ersatz. Der geneigte Leser mit etwas Zeit mag ja mal die Höchstleistungen vom treuen Thomas zusammensuchen, der 13 Jahre lang Minister, mal für Grenzen, mal für deren militärisches Überschreiten zuständig. Zur Ehrenrettung der Misere muss gesagt werden, dass er sich keineswegs überlastet fühlte, er sei „im Gegenteil gut zurecht gekommen.“

Sicher gab es „Belastungen während der Flüchtlingskrise“, „Besuche von Terrorschauplätzen“, „Opferbesuche“. Wir erinnern uns, die „Flüchtlingskrise“ war das große Ruhmesblatt in der Geschichte von Thomas de Maizière.

Herrlich, wie er sich selber zum Obst machte. Während der Ungarnkrise (Grenzöffnung) habe er mit 40 Fieber im Bett gelegen. Während wir dann die Bilder von Menschenzügen großer Anzahl (überwiegend Männer) an den deutschen Grenzen geliefert bekamen, schoss die „Bild“ die Misere auf Mallorca ab – wo er sich zur Hebung der „Resilienz“ aufhielt, wie der anwesende Psycho-Prof. Klaus Lieb die psychische Widerstandskraft beschrieb. „Bild“ habe sich entschuldigt, behauptete Thomas, dem der Zusammenhang – die Karre steckt im Dreck …, der Minister urlaubt auf Malle – bis heute nicht frivol vorkommt, genauso wenig wie Rudolf „Bin Baden“ Scharping, mit dem de Maizière interessanterweise auch die Sprachtonalität teilt.

De Maiziére sollte aber auch nicht als Überarbeitungsgeschädigter bei Will auftreten, sondern als klassisches Mobbing-Opfer. Immerhin wurde er zwei Mal aus dem Job gemobbt. Ja, das war schon schwer, in zwei Tagen ein neues Büro zu beziehen, erinnerte er sich. Schmerzhaft auch, den endgültigen Rausschmiss aus der Zeitung zu erfahren. Zum Trost habe es ein Abendessen mit Merkel gegeben. Verdrängung nannte das der Professor, jedenfalls lief es darauf hinaus. Und das sei gut, besser als, Sie wissen schon …

Warum war Katja Suding von der Hamburger FDP da? Ach ja, es ging ja um die Arbeitsplatzverhältnisse, die krank machen, und die durch den Kapitalismus überhaupt erst so schlimm geworden seien, und die FDP steht ja für den Kapitalismus. Suding dreht das Gespräch flott auf Digitalisierung (Typisch, so Will), und de Maiziére mischte sich ein und sagt, man könne das Glück am Arbeitsplatz nicht durch Gesetze regeln.

Wir bleiben hier an der Oberfläche, weil für uns das Thema nun mal nicht Pflege war, und außerdem über Burn-Out mehr Titelgeschichten geschrieben und Studien durchgeführt wurden als über das Klima.

Jedenfalls, meinte de Maiziére zu Recht, man solle mal die Kirche im Dorf lassen, und wenn es wichtig sei, könne der Chef auch am Feierabend mal kurz durchrufen. Und dann führt er ein Beispiel an, das zweifellos der Satz des Abends war:

„Wenn es bei einem Militärangriff nur einen IT Spezialisten gibt, dann muss man den auch mal anrufen können …“ Ein einziger IT-Spezialist im deutschen Land, wenn der Cyber-Russe kommt? Sagt der (Ex-)Verteidigungsminister? Schade, dass er nicht Gesundheitsminister war, vielleicht hätte er aus Versehen Cannabis freigegeben wie in vielen Staaten der USA – dann kann der Russe kommen, kriegt eh keiner mit.

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Kommentare ( 29 )

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robbyb
4 Jahre her

Man kann die entscheidenden Fragen auch gut überhören bzw. neudeutsch „framen“.

Die entscheidende Frage – formuliert von Frau Wagenknecht – ist:
Wollen wir einer Gesellschaft leben in der der Mensch der Wirtschft dient oder in einer in der die Wirtschaft dem Menschen dient.

Stony
5 Jahre her

Wagenknecht: „Wir Politiker können ja jederzeit aufhören, verdienen viel Geld“

Genau da liegt eines der Probleme unseres Systems. Im Bundestag wimmelt es (insbesondere im linksgrünen Spektrum) nach meinem Eindruck von Leuten, die dort offenkundig nur des bequemen Geldes wegen sitzen, und die oftmals mangels anderer Qualifikation als Quasseln und selbstbezogenem Auftreten schlechte Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätten. Politiker sollte man nur aus Überzeugung und Berufung werden und nicht des Geldes wegen. Dieser Typus von Politiker ist heutzutage leider die Ausnahme in Deutschland.

Absalon von Lund
5 Jahre her

Herr Paetow, wenn Sie auf Ihre Stromrechnung schauen, stehen da Kilowattstunden (kWh). Arbeit ist also Leistung mal Zeit. Man kann auch einfach lange da sein und nichts leisten und darf es Arbeit nennen, sogar HARTE Arbeit, wie Katjas Christian, der Lindner uns immer erklärt. Diese Form des Daseins führt zum BurnOUT, weil das keine Seele aushält, weil der Wirkungsgrad NULL ist. Nun ist es so, daß die physikalischen Gesetze zeimlich stabil sind. Deswegen kann man die Physik mit Freude ergebnisorientiert betreiben. Die physikalischen Gesetze der Seele sind, ob man es glaubt oder nicht, die 10 Gebote. Wenn man sie befolgt,… Mehr

herbert b.
5 Jahre her

Ein Abendessen bei und mit Frau Merkel, das ist natürlich superr –
jedenfalls besser als…Sie wissen schon (hinter vorgehaltener Hand,
flüsternd:)…vorgesehen war ja eigentlich ein…(Arbeits-)Frühstück.
Ja, ja und nochmals ja: Im Leben, im Leben, geht…nicht immer jede
Rechnung auf. Aber als Ehemaliger hat er sich eigentlich doch gut
verteidigt – oder? Aber was soll ich lange reden, lieber Herr Paetow,
seien Sie ganz unbesorgt, mitgekriegt hab‘ ich schon, wen Sie da alles
zum Haken geführt haben (bin ja schließlich AntiCannabiliker).
Einfach troll.

Carlotta
5 Jahre her

ich finde, das Tingeln von einer Talk-Show zur nächsten kann schon Burn-out verursachen, besonders dann, wenn zwischen den Aufnahmestudios gelaufen werden muss, weil kein Taxi die kurze Strecke fahren kann oder will. Und ständig unter den heißen Beleuchtungskörpern zu sitzen, wo die zuvor vom/von der Maskenbildner*in aufgetragene Schminke schmelzen kann, trägt zu dem Zustand ebenfalls bei. Na, und dann sich noch das Geschwätz der weiteren ‚Diskussionsredner*innen‘ anhören zu müssen – Stress pur. Und kehrt man zurück in die Parteizentrale, sitzt dort schon wieder die linker als linke KIPPING mit ihrem neidischen Getue.

Bambu
5 Jahre her

Das ganz Thema Burnout beschränkt auf Politikerzusammenbrüche und die Krankenpflege, ist eindeutig zu kurz gegriffen. Die Ursachen und die treffen sehr viele Menschen, liegen weitaus tiefer und beschränken sich nicht nur auf das Arbeitsumfeld. Die Menschen fühlen sich zunehmend in einem Hamsterrad. Themen wie die innere Sicherheit, niedrige Zinsen und die Angst das erarbeitete Geld und damit die Altervorsorge zu verlieren, die Angst die Wohnung nicht mehr bezahlen zu können, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, immer mehr Vorschriften, die Angst bei Meinungsäußerung in die rechte Ecke geschoben zu werden, immer mehr Bürokratismus, Umwelthysterie, die Aushebelung des Rechts….Es gibt sehr viele… Mehr

SystemKritiker
5 Jahre her

Die armen Politiker leiden an Mobbing, Stress und Überlastung? Ich lache mic kaputt, weder Will noch andere anwesende Deppen haben auch nur die geringste Ahnung was Stress ist. Wie man als Arbeitnehmer 8h am Tag, in drei Schichten, 50km Fahrt pro Strecke, monotoner Lärm, sklavenähnliche Treiberei durch Teamleiter und 1.200Eur Netto aushalten mus. Beispiel Tagesablauf: 5.40 Uhr rein in den Betrieb, Umziehen, spätestens 5.59 Stempeln (Chip), dann 10min Austausch mit dem von der Vorschicht, schneller Überblick über 4 Maschinen, erster Ausrüstungscheck und dann zur Qualtitätskontrolle, wieder zurück zu den Maschinen, Korrekturen eingeben, Nachkontrolle der Werkstücke, zwischendurch Behälter leeren, neue Rohteile… Mehr

Stony
5 Jahre her
Antworten an  SystemKritiker

Ich finde der Job klingt so, dass Merkel da mal dringend ein Betriebspraktikum machen sollte. Nur um mal zu erfahren, wo und wie der Wohlstand erwirtschaftet wird, den sie mit beiden Händen in der Welt verteilt.

SystemKritiker
4 Jahre her
Antworten an  Stony

Leider ist es so, mein Job (war) jahrelang eine stehende Tätiglkeit. Hinsetzen war in der Halle nicht gestattet, das alles im Rahmen auch noch in Leiharbeit. 2018 bin ich in Rente gegangen und jetzt kommen die Erlebnisse, die Sauereien denen man unterworfen war als Erinnerung zurück. Doch weiß auch, Millionen anderen geht/ging es genauso. Ob im Handel oder Produktion – nichts wurde/wird den Menschen gegönnt. Die Arbeitswelt ist geprägt von Profitgier und man schnippelt immer wieder an neuen Ideen, um Geld aus dem Arbeitnehmer abzupressen. Das sind Themen, wo sich die Linken/Sozis und diese Schein-gewerkschaften nie gekümmert hatten. Anstelle dessen… Mehr

Stony
4 Jahre her
Antworten an  SystemKritiker

Immerhin haben Sie diese Phase des Arbeitslebens hinter sich. Und rententechnisch dürfte es Ihnen noch besser ergehen als es den künftigen Rentnergenerationen gehen wird. Denn die immer noch praktizierte Politik der unbegrenzten Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme wird „alternativlos“ auf Kosten der breiten Mehrheit der Werktätigen gehen. Also versuchen wir den Tag zu genießen, solange wir können.

Grumpler
5 Jahre her

Für diesen und ähnlichen Mist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bringen wir etwa 8 Mrd. — ausgeschrieben: 8.000.000.000 — Euro pro Jahr auf!

Gelbwesten? Wir müssten mittlerweile 24/7/52 nackt ums Kanzleramt tanzen!

Stony
5 Jahre her
Antworten an  Grumpler

Wollen Sie etwa die Kanzlerin erschrecken?

Bauzaunversteher
5 Jahre her

So funktioniert eben Framing

conferio
5 Jahre her

Überarbeitete Politiker? Falsch…überforderte Politiker muss das heißen. Bequem und dumm, ungeeignet für hohe Positionen, das kennzeichnet den Politker, der durch Partei Klüngel zu seinem Amt gekommen ist.
Dieses Land geht den Bach runter…..und der Wähler schläft weiter. Wie war das noch, der letzte macht das Licht aus…?

schwarzseher
5 Jahre her
Antworten an  conferio

Erinnern sich vielleicht die heute ach so gestressten Politiker an Helmut Schmidt, als der während des Jahre dauernden Terrors der linken RAF ( Entführungen von einzelnen Personen und ganzen Flugzeugen ) Entscheidungen über Leben und Tod treffen mußte, und auch die Intrigen zum Ende seine Kanzlerschaft. Der hat nie gejammert. Und jetzt jammern die gepamperten Politiker über “ burn out „, wenn sie mal auf gegenteilige Meinungen stoßen.

Stony
5 Jahre her
Antworten an  schwarzseher

In der Tat: Schmidt war noch von altem Schrot und Korn: belastbar, verantwortungsbewusst und geradlinig. Der breite Niedergang der Qualität des politischen Personals in Deutschlands seither aber spiegelt m. E. die allgemeine gesellschaftliche Dekadenz.

F.Peter
5 Jahre her
Antworten an  conferio

Bei den Milliarden, die aus dem Steuersäckel den externen Beratern ins Sparschwein gesteckt werden, ist es zweimal nicht nachvollziehbar, wie sie in der Politikerkaste jemand über“arbeiten“ könnte.
Nach meinem Dafürhalten gehen die eh nur zum Dienst, von Arbeit ist da keine Rede!