Anne Will: Steuer-Oasen, zweite Heimat der Ehrenwerten Gesellschaft

Die Sendung war eher eine Werbung für die kommenden Veröffentlichungen, schließlich gehören auch NDR und WDR zum Recherche-Netzwerk, da kann man ja mal ein wenig trommeln.

Screenshot, ARD

Wer nicht ganz unterbelichtet ist in wirtschaftlichen Dingen, der hat schon oft von Briefkastenfirmen gehört. Die befinden sich gern in exotischen Gegenden, wie der Karibik, aber auch an der Ostküste der USA, wo Flüsse und Wälder die Landschaft prägen. Nett ist es auch auf Jersey oder Guernsey im Ärmelkanal. Ziemlich zugig hingegen auf der Isle of Man, aber die Besitzer solcher Firmen interessieren sich eh nicht fürs Wetter. Sie begeistern sich für die Ruhe vor Steuerfahndern oder anderen Neugierigen, die sich für ihre Geschäfte interessieren.

Natürlich aus gutem Grund. Der Drogen- und Waffenhändler wäscht sein Geld, von Embargos eingeschränkte Staaten versuchen Embargos zu unterlaufen, Schwarzgeldbesitzer kaufen über solche Firmen Yachten oder Schlösser, und Steuerhinterzieher hinterziehen so ihre Steuern und alle Möglichen tarnen so Schmiergeld-Zahlungen. Nicht überraschend, dass auch FIFA-Bosse Offshore-Firmen besitzen. Aber warum, um Gottes Willen, parkt ein König da seine Kohle?

Das müsste man mal Salman ibn Abd al-Asis, den König von Saudi-Arabien fragen. Der taucht als einer der prominenten Namen in den „Panama Papers“ auf. Werden dort die Schmiermittel der weltweiten Rüstungsindustrie bewegt? Es soll zum Üblichen gehören, dass der ganze riesige Königs- und Prinzenclan aus dem Cashback überteuerter Rüstungsrechnungen feudal alimentiert wird, die der saudische Staat bezahlt.

Ach, wie schön ist Panama

„Panama Papers“, das klingt nach einem Spionage-Thriller, und dazu passte, dass bei Anne Will am Sonntag von einer Kanzlei die Rede war, die klang wie „Mossad Fonseca“. Das war aber ein Hörfehler. Die panamesische Kanzlei heißt Mossack Fonseca, weil sie von einem Jürgen Mossack vor 40 Jahren gegründet wurde. 200.000 Briefkastenfirmen, oft Scheindirektoren inklusive, hat die gegründet, in Zusammenarbeit mit 1.000 Banken und Anwaltskanzleien, darunter viele renommierte Häuser, die ihren Kunden geholfen haben sollen, Gelder zu verstecken.

„Grundsätzlich sind jegliche Arten von Offshore-Firmen legal“, stellte extra noch einmal die NZZ klar. „Doch werden solche Firmen oft dazu missbraucht, um Finanzströme zu anonymisieren oder um Geld zu verstecken“. Oder um Besitzverhältnisse zu verschleiern, wollen wir hinzufügen.

Warum kriegen wir den Spionage-Thriller nur nicht aus dem Kopf?

Vielleicht, weil 2,7 Terrabyte Daten, beziehungsweise 11,5 Millionen Dokumente, „E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente von rund 214.000 Gesellschaften“ Journalisten zugespielt wurden. In Deutschland der „Süddeutschen Zeitung“, die die Recherchen daraufhin mit dem „Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten“ in Washington organisierte, an dem 400 Journalisten in fast 80 Ländern mitwirkten. Von wem geleakt? Für Geld oder Ehre? Wir wissen es nicht.

Und weil zunächst hauptsächlich die üblichen Verdächtigen aus Schurkenstaaten und ein paar Trottel geoutet wurden, bleibt der Spionage-Touch. Als Trottel, so eine Art Collateral Damage, fungieren der Premierminister, der Finanzminister und die Innenministerin von Island. Oder Lionel Messi. Oder Poroschenko und der Präsident von Pakistan. Aber den Hauptteil der Berichterstattung der SZ, und wohl auch weltweit, macht Wladimir Putin aus. Denn dessen bester Freund (und noch ein paar mehr aus Putins direktem Umfeld), der Cellist Sergej Roldugin, ist in den „Panama Papers“ eine große Nummer. Obwohl sich der renommierte Musiker immer als talentfreien Geschäftsmann bezeichnete, sollen über Firmen in seinem Namen Milliardenwerte geschoben worden sein.

Wann kommt denn endlich Frau Anne Will in unserer kleinen Geschichte, werden Sie zu Recht fragen, aber die lange Vorrede musste sein. Wer überraschend und unvorbereitet in die Sendung schaltete, konnte das Thema sonst gar nicht erfassen.

Georg Mascolo saß da, stolzes Mitglied im Investigativ-Team, das die Akten studieren durfte, Simone Kämpfer, eine fesche Anwältin in kurzem Rock mit Lederstiefeln, Staatssekretär Michael Meister vom Finanzministerium, Rudolf Elmer, der einst die Daten deutscher Steuerflüchtlinge beim Schweizer Bankhaus Julius Bär leakte, und Gregor Gysi, der aber leider nichts zu den verschwundenen SED-Milliarden sagte, aber auch nicht danach gefragt wurde.

Wenn es in einer der Haupttalksendungen ruhig und sachlich zugeht, und auch der Zuschauer nicht auf die Palme gebracht wird, dann kommt einem das inzwischen komisch vor. Man vermisst den volkspädagogischen Aspekt.

„Wenn das Geld in der Sonne liegt – Wer trocknet die Steuer-Oasen aus?“ hieß das Thema, aber das kam eigentlich nicht zur Sprache.

Die Sendung war eher eine Werbung für die kommenden Veröffentlichungen, schließlich gehören auch NDR und WDR zum Recherche-Netzwerk, da kann man ja mal ein wenig trommeln.

Die Gesprächspartner hatten auch nicht viel dazu zu sagen. Die Anwältin betonte noch einmal, dass Offshore-Gesellschaften nicht verboten sind, der Staatssekretär wusste, dass, selbst wenn Panama jetzt einen Schlag abbekommt, eben woanders weitergemacht wird. Da muss die Kanzlerin ran, nicht nur Europa- sondern weltweit, obwohl, schon, wenn Großbritannien mitzöge, mehr als die Hälfte der sogenannten Steueroasen verschwunden wären.

Gysi, wie immer eloquent und gesprächig, machte – wohl zur Überraschung vieler Parteifreunde – noch mal klar, dass Steuerschlupflöcher erst von den Parlamenten geschaffen, und von eben diesen auch geschlossen werden müssten.

Mascolo ließ unsere Parlamentsmitglieder aufatmen, als er sagte, es seien auch Deutsche in den Dateien, aber keine deutschen Politiker, und Gysi war noch wichtig zu betonen, dass er die Sanktionspolitik der USA und EU gegen Russland für falsch hält.

Aber die „Panama Papers“ Story sei halt trotzdem spannend. „Ja,“ sagte die Anwältin, „aber es sei sehr problematisch, eine Verdachtsberichterstattung gegen Putin zu fahren“. Weil – nach dem Motto: Wo Rauch ist, ist auch Feuer – immer etwas hängen bleibt.

In der Süddeutschen findet sich auch der Satz „Putins Name selbst taucht in den Unterlagen nicht auf“. Vielleicht sind die „Panama Papers“ ja doch (noch?) kein Spionage-Thriller? Ein Scoop, der das angekratzte Image des investigativen Journalismus aufpoliert, ist es allemal – aber Vorsicht: die Haltbarkeitsfrist ist kurz.

 

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