Hirten ohne Schafe oder der Kirche laufen die Gläubigen davon

Die katholische Kirche in ihrem heutigen staatskonformen Auftreten wird keinen Bestand haben. Ein schmales Buch zeigt die Gründe für den Abschied aus der Kirche - und den Versuch, trotzdem noch dabei bleiben zu wollen.

Allein 2022 traten aus der katholischen Kirche 522.821 Menschen aus. Es ist ein neuer, aber wohl auch nur vorläufiger Austrittsrekord. Damit versiegen auch die Kirchensteuereinnahmen. Obwohl einerseits ungeheuer reich, insbesondere an Immobilien, gerät die katholische Kirche in eine Art kirchlichen Haushaltsnotstand.

Nach den Worten des Finanzdirektors Gordon Sobbeck gebe es in dem noch reichsten Bistum Deutschlands „mehr Alarmsignale als Hoffnungszeichen“; die Finanzkraft, so Sobbeck, werde „mit wachsender Geschwindigkeit erodieren“. Im Jahr 2023 konnte das Erzbistum noch einen Überschuss von gut 30 Millionen Euro verbuchen. Für 2024 plant es mit einem Defizit von derzeit 25 Millionen Euro.

Mitgliederschwund
Kirchen in Deutschland: Massenflucht reißt große Finanzlöcher
Aber es geht um mehr als Geld und formaler Zugehörigkeit, sondern um Religiosität allgemein und christliche Glaubensvorstellungen und um Vertrauen in die Kirche. Diese sind deutlichen Erosionsprozessen unterworfen. Auf einer Skala von 1, also „überhaupt kein Vertrauen“, bis 7 für „sehr großes Vertrauen“ kommt die katholische Kirche auf einen Wert von 2,3 und landet damit nur knapp vor dem  Islam auf dem vorletzten Platz. Auch bei denen, die noch in der Kirche verblieben sind, sagen nur noch ein Drittel, dass ein Kirchenaustritt für sie nicht in Frage komme.

Die Zahlen sind erschütternd. Sie zeigen eine Institution im glanzvollen Ornat, die inhaltlich entleert ist. Es sind riesige Gebäude, in deren Gemäuer sich immer weniger Menschen zeigen. Es ist ein gewaltiger, versteinerter Bau ohne Leben, und an der Spitze agieren hilflose, ältere Männer, die dem Verfall nichts entgegenzustellen haben, außer leeren Sprüchen und billiges Anbiedern an die Politik, von der man sich noch ein paar gnadenvolle Millionen erhofft, um die eigene Rente zu sichern.

In diese für die Kirchen trostlosen Zeiten fällt ein schmaler Band von engagierten Katholikinnen aus der Frauen-Bewegung „Maria 2.0″ mit dem programmatischen Titel „Die verirrten Hirten“. Da wird mit dem Missbrauchsskandal abgerechnet, der Vertuschung und Schönrednerei.

Rekord bei Kirchenaustritten
Kirche ohne Volk
Knapp und montiert wird die aktuelle Diskussion zusammengefasst. Das ist hilfreich, denn angesichts der vielen einzelnen Berichte geht schnell der Überblick verloren. Auch der Reichtum der Kirchen wird adressiert und das gewaltige Vermögen taucht wie ein Eisberg in Umrissen auf: Transparenz ist keine Qualität der katholischen Kirche. Es ist das, was man eine schonungslose Abrechnung nennt.

Aber es ist auch ein wenig mehr. Das spannendste Kapitel ist: Warum verbleiben die Autorinnen in der Kirche, in der sie als lokale Repräsentantinnen die höchstmögliche Stellung unterhalb und innerhalb der männlich dominierten Amtskirchenträger errungen haben? Die Hoffnung stirbt auch hier zuletzt. Die Aktion „Maria 2.0“ ist ja nicht gerade beliebt bei den Kirchenfürsten; nur die dienende Magd ist beliebt an den Höfen der Kirchenfürsten, solange sie in Demut den Schnabel hält und den Kirchenboden feucht wischt. Und ausgerechnet die Lästigen bleiben?

Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung da, wo die herkömmlichen Amtsträger versagt haben. Kirche wächst aus dem Widerspruch, nicht aus dem Gehorsam, der Anpassung, dem beamteten Versorgungsapparat. TE empfiehlt dieses Buch und wird in den kommenden Wochen auch über neue Formen der Religiosität berichten.

Maria 2.0 Frankfurt, Die verirrten Hirten. Vom Missbrauch in der katholischen Kirche. Quell Edition, Paperback, 96 Seiten, 12,90 €.


Mit Ihrem Einkauf im TE-Shop unterstützen Sie den unabhängigen Journalismus von Tichys Einblick! Dafür unseren herzlichen Dank!!>>>

Unterstützung
oder

Kommentare ( 23 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

23 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
c0benzl
4 Monate her

Um da mal die Lanze fuer die Kirche zu halten – die hatten so 2000 Jahre Zeit, diese Assets zusammenzukratzen. Ohne Kohle laesst sich schlecht Glaube, Ideologie oder Politik verbreiten 😉.

Trotzdem, da ist frischer Wind noetig. Die KK muss da weder die Traditionen brechen noch sich Zeitgeist und Politik anbiedern.

Christliche Basis und solide Lebenshaltung ist durchaus gefragt. Vielleicht (oder hoffentlich) mehr als missverstandene Toleranz.

ErikaR.
4 Monate her

Staatskonform zu sein ist Sinn und Zweck von Kirchen. Wofür sollen sie sonst da sein, wenn nicht, den Mächtigen geistige Schützenhilfe zu geben und die ohnmächtigen Schäflein auf den rechten Weg des gehorsamen Untertanen zurückzuführen. Es gab keine Zeit in der Geschichte, in der die Kirchen nicht den Herrschenden dienten. Das ist ihr Selbstverständnis und steckt in ihrer DNA. Dafür wurden sie zu allen Zeiten beschützt, gefördert und mit viel Geld gepampert. Nach jedem Machtwechsel gelang es der Kirche, sich geschmeidig den neuen Machthabern anzudienen.

Ali Mente
4 Monate her

Natürlich sind die Übergriffe in der Katholischen Kirche ein ernstzunehmendes Problem, aber nicht das einzige und vermutlich auch nicht das entscheidende für die vielen Kirchenaustritte. Das größte Problem der Kirchen sehe ihnen deren Anbiederung an den grünen Zeitgeist! Plötzlich stellten sich die Prediger und deren Vordenker gegen die über Jahrhunderte gepflegte Idee der Schöpfung, gegen die Familie, waren plötzlich für Gender und letztendlich auch für den Klimakampf, kümmern sich mehr um Zugewanderte als um ihre eigentlichen Schäfchen, verrieten ihren Glauben in dem sie die Zeichen ihres Christentums versteckten. Eine Kirche, die eigentlich nicht mehr hat, als den Glauben ihrer Mitglieder,… Mehr

Mausi
4 Monate her

Es zeigt sich überall. Wo immer wir Bewohner Ds noch frei sind, entscheiden wir uns gegen die Plattitüden und Ziele, die irgendeine Mode vorgibt. Und genau das ist der Grund, warum unsere Freiheit immer mehr eingeschränkt wird. BMZ zu Zivilgesellschaft: „Die Zivilgesellschaft umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürger eines Landes“. Zivilgesellschaft als Engagement. Interessant. Ich dachte immer, Gesellschaft bestünde aus Menschen. „…Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und den Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen.“ Wieso muss ich engagiert sein? Und wer bestimmt in der idealen Gesellschaft, worauf ich… Mehr

Last edited 4 Monate her by Mausi
Warte nicht auf bessre zeiten
4 Monate her

Ehrlich gesagt, weiß ich nach dieser Rezension nicht, warum ich das Buch lesen sollte. Deshalb habe ich mal kurz nach Maria 2.0 gegoogelt. Die Frauen kämpfen für eine „geschlechtergerechte Kirche“ … Sie werden so den Niedergang weiter beschleunigen, der aber ohnehin nicht aufzuhalten ist und auch wenig mit Fehlverhalten von Kirchenleuten zu tun hat. Eine geistige Welt ist einfach in Auflösung. So etwas kommt immer wieder vor. 2000 Jahre sind für den geschichtlichen Menschen eine lange Zeit. Die Kirchenvertreter verursachen nicht den Niedergang, sondern sind nur Ausdruck desselben. Wenn man es geschichtsphilosophisch sehen will: Erst schufen sich die Menschen Götter… Mehr

Elias Deininger
4 Monate her

„Nach den Worten des Finanzdirektors Gordon Sobbeck gebe es in dem noch reichsten Bistum Deutschlands …“
Lieber Herr Tichy, hier fehlt die Nennung des Bistums. Gemeint ist wohl das Erzbistum Köln!?
Ähnlich wie ein Großteil der Politik meinen auch die beiden christlichen Kirchen, sie könnten unbeirrt an ihren Bürgern bzw. Gläubigen vorbei agieren. Das geht inzwischen mehr und mehr „voll in die Hose“, die Betroffenen stimmen mit den Füßen ab. Richtig so!

Andreas1-7
4 Monate her

Ein „minderjähriger unbegleiteter Flüchtling“ in den Pfoten von Caritas,Diakonie und Konsorten bringt mehr wie 50 durchschnittliche Kirchensteuerzahler.
Das erklärt so Einiges in diesen Tagen.

Georg J
4 Monate her

Die evangelische und die katholische Kirche hatten während der zutiefst unchristlichen Coronamaßnahmenzeit eine Jahrhundertchance sich vom autoritären Staat zu distanzieren und christliche Barmherzigkeit für die Kinder, Kranken, Alten, ja, und auch für die „Ungeimpften“ einzufordern. Sie haben krachend versagt. Kirche lebt ausschließlich von gelebter Glaubwürdigkeit. Diese kann sie nur erlangen wenn sie staatsfern die wesentlichen religiösen Inhalte ihrer Lehre authentisch lebt, egal was der Staat gerade tagesaktuell für gut oder richtig hält. Eine Kirche aber, die Anhänger einer bestimmten politischen Partei (AfD) aus ihren Gremien ausschließen möchte, wie dies die evangelische Kirche teilweise fordert, eine solche Kirche ist keine Kirche… Mehr

Last edited 4 Monate her by Georg J
Nibelung
4 Monate her

Richtig so, denn damit schädigen sie die politischen Handlanger der Grünen und Schwarzen, die in trauter Gemeinsamkeit zusammen mit anderen Gottlosen diesen Staat zum Einsturz bringen und ihre Kirchen ebenso, weil sie zwischenzeitlich dem Teufel huldigen und ihren eigentlichen Auftrag nicht mehr erfüllen und dazu benötigt man sie nicht mehr, denn wer an die Allmacht Gottes glaubt, kann auch direkt mit ihm kommunizieren oder sich eine Ersatzkirche suchen, die den biblischen Auftrag noch ernst nimmt, im Gegensatz zu diesen Ketzern, das sie nun selbst darstellen, ohne zu überlegen, wie sie sich dabei selbst schädigen und damit auch den Herrgott verleugnen.

hansr
4 Monate her

Man sollte wert darauf legen sich zu vergegenwärtigen, dass der Austritt aus der Institution/Organisation Kirche nicht heißt, man sei ungläubig! Der/die Austretende sieht, soweit ich Gespräche höre, dass die Institution/Organisation Kirche Diener des Staates geworden ist, was nicht akzeptiert wird.

Luke
4 Monate her
Antworten an  hansr

So war es zumindest in meinem Fall. Ich habe mich eine Zeit lang als Atheist bezeichnet, bin aber (eher aus Trägheit) in der katholischen Kirche geblieben. Heute bekenne ich mich wieder zum Christentum, bin aber gerade auch deshalb aus der Kirche ausgetreten. Beide Amtskirchen haben mit Christentum heute nicht mehr allzu viel zu tun.