„Kanzlersuppe“ im Deidesheimer Hof

Die „Kanzlersuppe“ steht heute noch auf der Speisekarte des Restaurants Sankt Urban im Deidesheimer Hof. Hier ging Bundeskanzler Helmut Kohl aus und ein und nötigte seine Staatsgäste, mit ihm pfälzischen Saumagen zu essen. Fotos an den Wänden zeugen von glorreichen Zeiten. Von Georg Etscheit und aufgegessen.info

picture alliance / imageBROKER | Gerald Abele

Der Deidesheimer Hof in – richtig: – Deidesheim an der pfälzischen Weinstraße hat große Zeiten erlebt. Hier ging dereinst Bundeskanzler Helmut Kohl aus und ein und nötigte seine Staatsgäste, darunter Michail Gorbatschow und Margaret Thatcher, mit ihm pfälzischen Saumagen zu essen, eine etwas derbe Spezialität seiner Heimat, die jedoch, raffiniert zubereitet, eine gute Figur machen kann. Fotos an den Wänden der Treppe zur Toilette zeugen von glorreichen Zeiten.

Außerdem soll die „Kanzlersuppe“, eine Kraftbrühe mit Gemüseeinlage, Markklöschen und frischem Liebstöckel, zu Zeiten des Oggersheimers Standard bei Staatsempfängen gewesen sein. Gewissermaßen das teutonische Pendant zur von Paul Bocuse 1975 zu Ehren des französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing kreierten Geflügelkraftbrühe V.G.E. mit Gänsestopflebereinlage und schwarzem Trüffel unter einer Blätterteighaube.

Die ebenso schnörkellose wie wohlschmeckende „Kanzlersuppe“ steht auch heute noch auf der Speisekarte des Restaurants Sankt Urban im Deidesheimer Hof und sie schmeckt tadellos. Allerdings ist die Portion so überschaubar bemessen, dass sie wohl kaum für den mit enormer Leibesfülle ausgestatteten Kanzler ausgereicht hätte.

Natürlich darf der Saumagen im Sankt Urban nicht fehlen, wo bodenständige Kost serviert wird, während im Untergeschoss das Gourmetrestaurant „Schwarzer Hahn“ residiert. Die geröstete Spezialität aus in einen Schweinemagen gefülltem Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln kommt zusammen mit Bratwurst und Leberknödel als Magen sprengendes „Pfälzer Lieblingsgericht“ auf den Tisch, begleitet von Sauerkraut und Kartoffelpüree. Man merkt, dass das Elsass mit seinem berühmten Choucroute garni nicht weit ist.

Wir beobachteten, wie sich Gäste am Nachbartisch mit der Riesenportion abmühten, und wandten uns lieber einem normal dimensionierten Kotelett vom zugegebenermaßen etwas modischen Iberico-Schwein zu, einem aromatischen Stück Fleisch, das jedes Steak in den Schatten zu stellen vermag, mit einem Gemüse von Schnibbel- und Buschbohnen, Tomaten und Pilzen nebst körniger Senfsauce. Anstelle der pappigen, scharf gewürzten Portion Reis mit überflüssiger Garnitur von frittierten Zwiebelringen und Mandelsplittern hätten wir das Kartoffelpüree vom Nachbartisch bevorzugt.

Der Service glänzte durch Kenntnislosigkeit, was Weinbegleitung, Herkunft und Zubereitung der Speisen anbelangt. Die Weißweinschorle war recht dünn, die zum Schwein empfohlene pfälzische Rotwein-Cuvée schmeckte aufdringlich parfümiert. Alles in allem ein durchwachsener Eindruck. Der Deidesheimer Hof ist sicher noch einen Abstecher wert, doch scheint man sich ein wenig zu innig auf einstmals erworbenem Lorbeer auszuruhen. Übrigens vermochte die junge Servierdame nicht zu sagen, auf welchen deutschen Politiker sich die Kanzlersuppe bezieht. Sic transit gloria mundi!

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Kommentare ( 9 )

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LanR
3 Monate her

Wir kommen eben zurück von einem Tagesausflug, war eine Tageswanderung, oberhalb von Deidesheim. Oberhalb von Deidenheim liegt der Eckkopf, samt Aussichtturm. Der Wald dort ist traumhaft. Nicht überlaufen, Wanderer, Biker. Man grüßt sich. Deidenheim wegen Weinfest für Durchgangsverkehr gesperrt, habenes nur tangiert. Wir haben keine Hundertschaften Polizei gesehen, also es wird wohl ruhig dort gewesen sein.
Die Pfalz ist immer eine Reise wert, auch wenn der Deideheimer Hof wohl mal mehr im Weltgeschehen gestanden hat. Und die Bedienung war vielleicht einfach zu jung, um mit unserer „Birne“ etwas anfangen zu können. So what?
Zum Wohl, die Pfalz.

Last edited 3 Monate her by LanR
Raul Gutmann
3 Monate her
Antworten an  LanR

Und die Bedienung war vielleicht einfach zu jung, um mit unserer „Birne“ etwas anfangen zu können.

Zweifelsohne.
Doch in bürgerlichen Zeiten durfte man nicht nur Kenntnisse des Weltschehens besitzen, die vor der eigenen Geburt stattfanden, sondern soll zuweilen sogar stolz auf jene gewesen sein. Zumal der Zusammenhang zwischen der Speisekarte und besagtem Politiker derart eng sind, daß es der Geschäftsführung zur Unehre gereicht, ihr Personal in zeitgeistig repräsentativer Unkenntnis zu belassen.
Doch das nur nebenbei.

Last edited 3 Monate her by Raul Gutmann
hansgunther
3 Monate her

Nur soviel: „Man merkt, dass das Elsass! mit seinem berühmten Choucroute garni nicht weit ist“.
Sagen wir es auf Deutsch: Schlachtplatte mit Sauerkraut. Dem Elsässer dem Originalen ist das sowieso vertraut, es ist seine Muttersprache!
Der Deutsche liebt das Ausland und dessen Sprache bis zur Selbstaufgabe, auch wenn es als Landnehmer auftritt!
Die Vorlage haben Sie geliefert werter Herr Autor!
In Straßburg gibt es wieder zweisprachige Straßenschilder. Beispiel: „Isermann-Platz“, „Place de l’homme de fer“.Das Deutsche ist dort keine Fremdsprache und war es noch nie.

Last edited 3 Monate her by hansgunther
J. Braun
3 Monate her
Antworten an  hansgunther

Die Schlachtplatte ist nichts Elsässisches, sonst höchstens Schwäbisch/Alemannisch. Und man findet sie natürlich auch im Schwäbischen Kochbuch. Die Weißkrautlinie ist längst nicht auf das Linksrheinische begrenzt, auch in Baden und selbstverständlich auf den Fildern bei Stuttgart, wo das berühmte Filderkraut wächst, gehört es zur Eßkultur. Nicht ohne Grund ist die Firma Hengstenberg in Eßlingen einer der größten krautverarbeitenden Betriebe Deutschlands.
Und zweisprachige Straßenschilder im Ortskern von Straßburg sind nichts Neues. Sie gibt es mindestens seit Jahrzehnten, aber eben nicht auf Deutsch, sondern auf Alemannisch, von dem Nicht-Alemannen immer noch glauben, es wäre ein einfacher deutscher Dialekt.

hansgunther
2 Monate her
Antworten an  J. Braun

Lesen hilft: Als Alemannisch, im weiteren Sinne auch Alemannisch-Schwäbisch oder Westoberdeutsch, werden in der germanistischen Linguistik aufgrund gemeinsamer Sprachmerkmale diverse im Südwesten des deutschen Sprachraums gesprochene Dialekte bzw. Mundarten bezeichnet. Zusammen mit anderen Dialektgruppen zählen sie zum Oberdeutschen und somit auch zum Hochdeutschen. Die Bezeichnung „alemannisch“ greift den Volksnamen der Alemannen auf, wenngleich die alemannischen Dialekte keinesfalls mit deren Sprach- oder Dialektformen gleichgesetzt werden können (siehe Kapitel Dialekt- und Sprachgeschichte). Die Bezeichnung der alemannischen Dialektgruppe als „Westoberdeutsch“ ist daher sinnvoller, aber wie bei den Dialekt- bzw. Mundartbezeichnungen im übrigen deutschen Sprachraum haben sich auch hier die an die historischen Volksstämme… Mehr

Last edited 2 Monate her by hansgunther
NochNicht2022
3 Monate her

„Fotos an den Wänden der Treppe zur Toilette zeugen von glorreichen Zeiten“. – Manchmal ist der einfache Mensch – wie der Wirt vom „Deiodenheimer Hof“ – einfach genial und kann (im Unterbewußtsein) gut beurteilen „was hinten herausgekommen ist“. Besser kann man die Ergebnisse der Politik des Alt-Zentrum-Mannes Helmut Kohl nicht zusammenfassen: Abwärts und ihm Ergenis die „bunte“ Melange – um es höflich auszudrücken. Jeder weiß ja was bei der Mischung vieler Farben, z.B. der Regenbogenfarben, sprichwörtlich (hinten) „herauskommt“.

imapact
3 Monate her

Die Kellnerin war vermutlich nicht vom Fach, da kann man keine Sommelierkenntnisse erwarten. Daß sie aber nicht wußte, welcher Kanzler den Saumagen berühmt gemacht hat… . Ansonsten, gibt ja kaum noch Restaurants, die überhaupt so etwas wie traditionelle deutsche Küche anbieten, da machen es sich die wenig verbliebenen wohl etwas einfach.

Mausi
3 Monate her
Antworten an  imapact

Zunächst einmal muss man wissen, dass der Deidesheimer Hof ein 5 Sterne Hotel mit einem preisgekrönten Restaurant – von der Homepage: Ausgezeichnet mit einem BIB Gourmand im Guide Michelin – ist. Sie haben kein ausgebildetes Personal. Dabei kann das Personal wirklich liebenswert und eifrig sein. Personal, von dem man sich als Gast gerne bedienen lässt, weil es originär freundlich ist. Bestellung aufnehmen und servieren reicht einfach nicht, wenn dann das Rührei mehrmals bestellt werden muss und dennoch nicht kommt. Diese Helferlein können nichts dafür. Wenn niemand da ist, der den Überblick hat und das Personal sanft dorthin leitet, wohin es… Mehr

Last edited 3 Monate her by Mausi
Steuernzahlende Kartoffel
3 Monate her

Ich sage dazu 3erlei: 1. Inzwischen muss man froh sein, dass es noch kein Döner-Schuppen geworden ist. 2. Weiter muss man froh sein, heil und unbehelligt hin und zurück gekommen zu sein. 3. Ohnehin wird gegessen was aufn Tisch kommt;-))