Von der Leyen beklagt Wettbewerbsschwäche der EU

Mit Blick auf die ausgezehrte EU-Wirtschaft fordert Kommissionspräsidentin von der Leyen einen Schub für die Wettbewerbsfähigkeit. Dass es ausgerechnet die öko-sozialistische Ausrichtung ihrer eigenen Behörde ist, die die Union wirtschaftlich in ihrer Existenz bedroht, kommt ihr dabei nicht in den Sinn.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Wiktor Dabkowski

Jede Erzählung braucht ihren Helden. Im Märchen von der prosperierenden und expandierenden Europäischen Union wurde Mario Draghi – einst Präsident der Europäischen Zentralbank und später nicht gewählter, technokratischer Ministerpräsident Italiens – von den Medien zum Retter der Eurozone und damit auch der EU verklärt.

Sein berühmter „Whatever-it-takes“-Kurs inmitten der Staatsschuldenkrise vor eineinhalb Jahrzehnten wirkt bis heute nach: Er machte die EZB zur Gelddruckmaschine Brüssels. Aus der vermeintlich heroischen Staatenrettung mit der Kreditpumpe entstand ein Machtapparat, der heute eine ökologistische Planwirtschaft betreibt. Dabei hat man vergessen, dass Kapital aus Sparprozessen entsteht – und nicht per Knopfdruck im EZB-Tower erzeugt wird.

„Whatever it takes“ - mal wieder
Mario Draghi und die EU-Kriegswirtschaft
Dieses eigentümliche Verständnis von Ökonomie gepaart mit ostentativer Ignoranz der wirtschaftlichen Realität ist zum Markenzeichen der Brüsseler Politik geworden. Tatsächliche Probleme existieren nur so lange, bis man sie am grünen Tisch mit einem neuen Subventionsfonds aus der Welt reguliert hat.

Und immer, wenn es eng wird – insbesondere mit Blick auf die Staatsfinanzen der tragenden Säulen der EU wie Frankreich, Italien und zunehmend auch Deutschland – tritt Mario Draghi wie aus dem Nebel des Niedergangs hervor, stilisiert zum strahlenden Retter. Auch diesmal, im Schatten der anhaltenden Deindustrialisierung und Dauerrezession der Eurozone, hat der Italiener einen seiner berüchtigten Berichte vorgelegt.

Euro-Debakel

Draghi präsentiert darin im staubtrockenen Technokratenstil auf 383 Seiten seine Ideen und Visionen. Diese zielen darauf, die Euro-Ökonomie wieder flottzumachen. Das ist auch dringend nötig, denn diese steckt seit geraumer Zeit in der Rezession. Die hohe Staatsnachfrage verfälscht den statistischen Befund: Bei einer Staatsquote von regelmäßig über 50 Prozent und einer Netto-Neuverschuldung von rund 4 Prozent und dem offiziellen Wachstum von etwa 1 Prozent kann das nur eines bedeuten: Die Privatwirtschaft schrumpft – in der Eurozone um etwa 3 Prozent, in Deutschland sogar um 4,5 Prozent im laufenden Jahr.

In ihrem Befund liegen von der Leyen und Draghi vollkommen richtig: Die Euro-Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden, insbesondere gegenüber den großen Playern auf dem globalen Schachbrett: China und USA.

Doppelte Misstrauensanträge
Wieder Misstrauen im EU-Parlament – und von der Leyen wankt immer heftiger
Es bräuchte dringender denn je einen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, ein Ende der Regulierungsflut, Abwicklung des Green Deal – und damit im Kern die Demontage der gesamten Eurokratie, jenes aufgeblähten Bürokratismus in Brüssel und seiner Filialstellen in den Hauptstädten Europas.

Doch das bleibt eine Utopie. Jeder Bürokrat klammert sich mit aller Macht an seinen Posten, verteidigt sein Budget und betrachtet die Privatwirtschaft lediglich als lästiges Übel, dessen einziger Zweck es ist, durch Steuern den eigenen Unterhalt zu sichern. Herausgekommen ist ein Sozialismus mit vorgeschaltetem marktwirtschaftlichem Motor – gerade ausreichend, um den großen Zusammenbruch noch hinauszuzögern.

Draghis Ideenkatalog

Blicken wir in Draghis Maßnahmenkatalog, so präsentiert sich uns eine altbackene, vielfach an der Wirklichkeit gescheiterte Strategie: mehr Staat, mehr Schulden, mehr zentrale Steuerung. Draghi fordert ein gigantisches Investitionsprogramm von 800 Milliarden Euro jährlich – vier bis fünf Prozent des EU-BIP –, finanziert über gemeinsame Schulden oder nationale Koalitionen.

Und es liest sich so überzeugend, so strategisch klar: Europa soll mit einem kräftigen Schub in den Bereichen der Künstlichen Intelligenz, seiner Infrastruktur, selbstverständlich auch der grünen Technologie und seiner Verteidigungsfähigkeit zur großen Konkurrenz aufschließen. Vier Fliegen auf einen Streich – wäre es doch nur so einfach.

Selbst heilige Kühe wie die „General Data Protection Regulation“ (GDPR) und AI-Act sollen vorübergehend gestutzt werden – jedoch nicht, um dem Markt endlich Luft zu verschaffen, sondern um der staatlichen Industriepolitik neue Spielräume zu verschaffen.

Das Ganze läuft auf keynesianische Nachfragepolitik hinaus: öffentliche Ausgaben als „Hebel“ für private Investitionen, flankiert von mehr Brüsseler Koordination. Ein Plan des Zentralplaners Draghi – staatliche Dauertherapie statt echter Marktwirtschaft, idealerweise über gemeinsame Fonds finanziert.

Immer wieder Eurobonds

Und da ist sie wieder: die gemeinschaftliche Finanzierung neuer EU-Schulden. In Brüssel will man nicht wahrhaben, dass längst eine neue Staatsschuldenkrise vor der Türe steht. Frankreich hätte warnendes Beispiel sein müssen – doch auch dieses Signal überhören die Eurokraten geflissentlich. Sie leben in einer Traumblase, einer Machbarkeitsillusion, in der der Hyperstaat bereits Gestalt annimmt. Ein Gebilde, das seine Macht tief in die Privatsphäre der Bürger ausdehnt: abgesichert durch Zensurgesetze, durch die Kontrolle digitaler Plattformen und schließlich bis hinein in private Chats.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Das ist die EU der Gegenwart – ein Konstrukt aus Schulden, Illusionen und Machtgier.

Ob wir über Eurobonds sprechen, die wachsende Platzierung von Staatsschuldtiteln durch die Europäische Kommission oder über gemeinsame Kriegsanleihen, die mit dem Schreckgespenst einer russischen Invasion begründet werden: Die EU betreibt ein falsches Spiel. Sie besaß niemals das Recht auf fiskalische Souveränität. Doch Ursula von der Leyen und ihre Kommission haben sich schamlos über dieses Grundprinzip hinweggesetzt.

Aus all diesen Entwicklungen lässt sich nur ein Ziel erkennen: die nationalen Schulden unter dem Schirm der Europäischen Kommission zu bündeln und sie mit der Kreditpumpe der Europäischen Zentralbank in einem zunehmend nervösen Anleihenmarkt künstlich liquide zu halten. Damit aber verliert die Politik jeglichen Anreiz zur Haushaltskonsolidierung. Die Schuldenspirale wird sich schneller drehen – bis zum unvermeidlichen Kollaps.

Von der Leyens Antwort

Im selben Geist des Zentralismus antwortet Ursula von der Leyens Kommission auf den Draghi-Report: mit noch mehr Planung, noch mehr Subventionen und konsequenter zentraler Steuerung.

Kernstück ist ein „European Competitiveness Fund“ über 400 Milliarden Euro, flankiert von einer Verdopplung der Forschungsgelder, einer Verfünffachung der Digital-Investitionen und einer Versechsfachung der grünen Technologie-Milliarden. Mit dem „Competitiveness Compass“ will Brüssel die Agenda durchdeklinieren, während eine „Single Market Roadmap 2028“ das Binnenmarkt-Mantra in neuen Regulierungs-Papierschlachten fortführt.

Der Freiheit den Kampf angesagt
Ursula von der Leyens Universalmonarchie
Es ist die Fortsetzung des Green Deal mit doppeltem Einsatz: Der an der Medizin erkrankte Patient erhält die doppelte Dosis, in der Hoffnung auf eine Wunderheilung. Zugleich beschwört man Leitmärkte für Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung, garniert mit einem „Battery Booster Package“ und der Binnenmarktfreiheit für Wissen und Innovation – Brüsseler Größenwahn, verpackt in einen Sieben-Jahres-Plan, ganz in sozialistischer Tradition.

In der realen Welt verabschiedet sich derweil das Kapital vom alten Kontinent, während die EU unbeirrt auf die altbekannte Rezeptur aus Schulden, Lenkung und Machbarkeitsillusion setzt. Allein der Standort Deutschland verlor im vergangenen Jahr 64,5 Milliarden Euro an das Ausland, ein Großteil dieses Kapitals hat die Europäische Union längst verlassen. Es sind die Ressourcen, die sich unmittelbar in Betriebsvermögen, Jobs und Wachstum umsetzen und auch nicht wiederkehren.

Von der Leyen verspricht zudem eine Entlastung bei der Bürokratie um 8 Milliarden Euro – ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn allein Deutschland Jahr für Jahr 60 Milliarden an Bürokratiekosten schultern muss. Ein PR-Gag, kein Befreiungsschlag.

Hinzu kommen die 130 Milliarden Euro für Europas Wehretat und den Aufbau der Kriegswirtschaft. Sie werden weder die Wettbewerbsfähigkeit der Privatwirtschaft stärken noch irgendeinen nennenswerten Wohlfahrtseffekt erzeugen. Alle diese Ressourcen werden auf die eine oder andere Weise über Steuern, Kapitalmarktmechanismen oder spätere Inflation dem produktiven Sektor entzogen.

Mit dem Digitaleuro wird die Mauer geschlossen

In Brüssel bleibt alles beim Alten. Die Vision eines freien Binnenmarktes ist längst von der Korrosion des Bürokratismus zerfressen. Statt Wettbewerb gibt es Detailsteuerung und energiepolitischen Dirigismus. Das kann nur in einer ökonomischen Katastrophe enden – und mit jeder Intervention schrumpft der Restspielraum des Marktes, den Schaden noch zu begrenzen.

Das Schiff „Euro“ steuert mit Volldampf gegen den seit Längerem sichtbaren Eisberg. Die Akteure wissen längst, dass ihre Politik der Zentralplanung und des ökologischen Umbaus gescheitert ist, und arbeiten bereits unter Hochdruck daran, die unvermeidliche Kapitalflucht zu stoppen.

Der nun vorbereitete digitale Euro, bald von nationalen Parlamenten abgesegnet, soll das Ausbluten der Eurozone eindämmen. Unter dem Deckmantel digitalen Fortschritts verbirgt sich die schärfste Kapitalverkehrskontrolle, die Brüssel je in der Hand hielt – ein letzter, verzweifelter Versuch, die strauchelnde Union vor dem heraufziehenden Sturm am Kapitalmarkt abzuschirmen, indem die Burgtore hochgezogen werden.

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Kommentare ( 65 )

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Tin
2 Monate her

Die griffbereiten Verhöhnmärchen aus der Schreibtischschublade hat ihr höchstwahrscheinlich der „get wakzineitit“-Opa aus Davos hinterlegt.

Kassandra
2 Monate her

Beklagt vdL die Wettbewerbsschwäche der EU ist das ähnlich, wenn Reker sich nach doppelter Amtszeit über die Versiffung Kölns beschwert.
Hat sie nicht in Schottland mit leichter Hand den Zöllen Trumps zugestimmt, leichtfertig 600 Milliarden Euro Investments von EU-Unternehmen in den USA versprochen, Sanktionspakete gegen Russland zuhauf geschnürt, was uns die billige Energie nimmt – um im Anschluss den USA für 750 Milliarden teures LNG abkaufen zu müssen, um nicht gänzlich ohne Gas dazustehen?

Last edited 2 Monate her by Kassandra
Maja Schneider
2 Monate her

Die EU hat fertig! Es hilft nur ein Neuanfang mit ganz anderen Strukturen und vor allem mit neuem, kompetenten Personal! Vermutlich ist es schon zu spät, das Schiff Europa ist längst in stürmische See geraten und erreicht das rettende Land nicht mehr, weil die bisherige Führung der Realität hinterherläuft und weiterhin von den Vereinigten Staaten Europa träumt, und zwar mit dem Sonnenhof in Brüssel und seiner Kaiserin Ursula v.d.Leyen. Träumt weiter, es wird bitter enden.

tiptoppinguin
2 Monate her

Die gut funktionierende Motorkutsche mit Karacho und überhöhter Geschwindigkeit an die Wand fahren und dann über die Scheißqualität und schlechte Verarbeitung jammern. Vorher aber alle Telemetriedaten löschen und behaupten, sie hab sich selbständig gemacht und sei selbst dorthin gefahren.

Michael
2 Monate her

nur mal ein paar Kürzel googeln,mit diesen Richtlinien und Verordnungen macht uns die EU mit Ihren nicht gewählten Kommissaren das Leben noch viel schwerer,z.B.: EU-ETS1,EUDR,,CBAM,REDIII,ESPR usw.-eins ist sicher,nach unserer staatlichen bzw. privaten Pleite ist Ende mit diesem traurigen Verein,vielleicht auch schon früher wenn Ursula uns in den Krieg zieht,aber Ihre Kinder sind da nicht dabei wie Sie in einem Interview gesagt hat.

St.Elmo
2 Monate her

Der Brandstifter beschwert sich, dass das Haus brennt.

Klaus Winterhalder
2 Monate her

Diese Frau ist doch medizinisch krank, dass sagt mir Ihr Gesicht und der Augenbereich.
Woran ist Ihr Vater 2003 erkrankt im Alter von 73?
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Albrecht

Fernando
2 Monate her

Meine Voraussage: In ein paar Jahren wird es heissen, EU in Liquidation.

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Fernando

Wie viele Blackouts überstehen wir hier diesen Winter?
Wie viele weitere Sabotageakte? Ich weiß gar nicht, der Wievielte das innerhalb weniger Tage schon ist: https://www.gmx.net/magazine/panorama/durchtrennte-bahnkabel-polizei-sabotage-nrw-41405080
Was heißt, dass das Denken in Jahren zu weitreichend scheint.

Buck Fiden
2 Monate her

Soll sie doch zurücktreten, dann geht es mit der EU wieder bergauf. Meine Meinung.

Kassandra
2 Monate her
Antworten an  Buck Fiden

Wer aber will das? Die EU soll zum Sterben gegründet worden sein. Und bis dahin machen welche mit uns Kasse. Wenn Philipp de Villiers, 2-facher französischer Präsidentschaftskandidat, recht hat, dass die EU dem Ende entgegen driftet – und dass das schon mit Beginn der EWG so geplant war, sind wir jetzt, bereits ausgeräubert und Invasoren Preis gegeben, mitten drin – und ist eine vdL am passenden Platze: «Diese Governance arbeitet seit dreissig Jahren daran, nicht etwa ‹Europa aufzubauen› – das heisst, die historische Kontinuität einer Zivilisation zu sichern –, sondern im Gegenteil, alles zu dekonstruieren, um seine emotionalen Gemeinschaften zu… Mehr

Evero
2 Monate her
Antworten an  Kassandra

Kann ich mir nicht vorstellen, dass Europa mit 500 Millionen Menschen den Wettbewerb gegen die USA mit 300 Millionen verliert. Man muss die Vielfalt nur zur Wirkung kommen lassen, statt mit der EU die superbürokratische Gleichschaltung zu verordnen.
Freiheit und Unabhängigkeit sind der Motor für die Entfaltung von Kreativität und wirtschaftlicher Blüte.
Die EU ist ein Trojanisches Pferd, war es von Beginn an.

Last edited 2 Monate her by Evero
Nibelung
2 Monate her

Das verrückte an den Verwaltungsbegriffen der EU in Brüssel, sind abgedroschene Worthülsen der ehemaligen Sowjetunion, wo der oberste „Sowjet“ der Rat verdeutscht geheißen hat, also gleich Räterepublik und die Kommissare die Minister darstellten und diese zusammen führten das Kommando und niemand konnte sich dagegen auflehnen, wollte er nicht im Gulag landen. Der Gangart, der Bezeichnung und den Handlungen nach könnte man demzufolge annehmen, daß man hier etwas kopiert hat, entweder dabei nicht zu wissen was man macht, oder es bewußt herbeigeführt hat und dann könnten sich die meisten darüber ihren Reim machen, warum sie so selbstherrlich in Eigenermächtigung handeln, wie… Mehr