Das Märchen vom unaufhaltsamen Siegeszug des E-Autos

Verbrenner stehen weltweit vor dem Aus, predigen Grüne und grün-affine Medien. Ein Blick auf den Weltmarkt zeigt ein ganz anderes Bild.

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Folgt man den Grünen, besonders ihrem wirtschaftspolitischen Sprecher im Bundestag Andreas Audretsch, dann schaufelt die Bundesregierung gerade der deutschen Autoindustrie das Grab – weil sie das EU-Verbrennerverbot ab 2035 in Frage stellt.

Die Logik von Audretsch lautet: „Die CDU zerstört Jobs. Mit Kampagnen gegeben E-Mobilität gefährden Merz, Söder, Spahn u. Reiche die deutschen Autobauer.“ Ohne diese Kampagne, meint der grüne Vize-Fraktionschef, würden die Deutschen massenhaft die bisher zum großen Teil auf Halde produzierten Elektrowagen kaufen und die Finger von den Verbrennern lassen.

— Andreas Audretsch (@AnAudretsch) October 12, 2025

 

Staatlicher Zwang für Unternehmen und Verbraucher rettet in dieser Wahrnehmungswelt die Wirtschaft, während die freie Entscheidung am Markt sie in den Ruin treibt. Um das zu untermauern, zeichnen die Grünen und größere Teilen der Medien das Bild einer Welt, die sich längst weg von Benzin und Diesel bewegt. Nur die verstockten Deutschen, beeinflusst von Friedrich Merz und „Gas-Kathi“ – so die grüne Bezeichnung für Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche – würden die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Damit vermitteln die politischen Electricity-Only-Prediger allerdings ein Bild, das mit der globalen Realität nicht das Geringste zu tun hat. Und das es so auch nur in Deutschland gibt.

In einem Beitrag unter der Überschrift „Carmakers steer back towards more lucrative petrol vehicles“ (Autohersteller steuern zurück zu lukrativeren Verbrennern) zieht die „Financial Times“ in ihrer Wochenendausgabe eine vorläufige Bilanz der E-Auto-Entwicklung. Nach ihren Daten stiegen in den USA die Verkäufe reiner Batterieautos von 2024 zum bisherigen Jahresverlauf 2025 nicht weiter an, in der EU gingen sie sogar deutlich zurück. Und in China, dem weltweit größten Herstellerland von E- und Hybridautos, kamen 2025 bislang sogar mehr reine Verbrenner auf die Straße als im Vergleichszeitraum 2024. Auch dort stagnierte die Zahl der reinen Elektroautos, während die Verkaufszahlen für Hybridmodelle leicht sanken.

Das Blatt zitiert Ford-CEO Jim Farley mit der Bemerkung, die Tendenz zugunsten des Verbrenners sei eine „Multimilliarden-Gelegenheit“. General Motors, heißt es in dem Beitrag weiter, investiere 900 Millionen Dollar in die Weiterentwicklung eines abgasärmeren V 8-Motors, der sich in Hybridautos einsetzen lässt – aber auch in reinen Verbrennerfahrzeugen. Seit 30. September 2025 gibt es in den USA keine „tax credits“, also Kaufprämien mehr für Elektrofahrzeuge. Das, so Ford-Chef Farley, sei ein „game changer“. Auch in Deutschland ging der Absatz der Batterieautos deutlich zurück, als die staatlichen Verkaufsanreize endeten. Ohne diese steuergetriebene Hilfe entscheiden sich viele Verbraucher für einen Verbrenner oder zumindest eine Hybridlösung – und tun das vermutlich auch in Zukunft, solange der Markt beides anbietet.

Ein anderes Zitat in dem FT-Text stammt vom Finanzchef von General Motors Paul Jacobson: „Der tail Verbrenners ist jetzt dicker und länger, als jeder bisher glaubte.“ Der Begriff „long tail“ bezeichnet das Ausschwingen einer Glockenkurven-Grafik, also eine Linie, die irgendwann bei Null endet, aber noch lange braucht, um diesen Punkt zu erreichen. Der Präsident des Marktanalysten AutoForcastSolutions Joseph Mccabe meint: „Der Tod des Verbrenners wird sich nicht zu unseren Lebzeiten ereignen.“

Ein anderes zitiertes Analyseunternehmen, Alix Partners, rechnet damit, dass 2026 in den USA 7 Prozent aller verkauften Autos rein batterieelektrisch sein werden, 22 Prozent Hybrids – und 68 Prozent reine Diesel- oder Benzinfahrzeuge. Selbst für 2030 prognostiziert Alix nur einen Anteil von 18 Prozent reiner E-Fahrzeuge in den USA, 40 Prozent in Europa und 51 Prozent in China. Das liegt zum einen daran, dass in der Fläche nach wie vor nur eine dürftige Ladeinfrastruktur existiert, der Wiederverkaufswert eines reinen Batterieautos niedriger liegt als bei einem mit Kolbenmotor – und auch an dem Umstand, dass es nach wie vor keine kostengünstige rein elektrische Lösung für schwere Fahrzeuge gibt, die lange Strecken zurücklegen müssen.

Auch eine andere Zahl aus der FT findet sich in kaum einem deutschen Medium: Im vergangenen Jahr bauten chinesische Autounternehmen immer noch 18,6 Millionen Benzin- und Dieselfahrzeuge, davon vier Millionen für den Export. Auf diesem Gebiet fällt es dem Land allerdings immer noch schwer, westlichen und vor allem deutschen Herstellern größere Marktanteile abzujagen. Das gelingt ihnen mit günstigen Elektrofahrzeugen deutlich besser.

Deutsche Hersteller zogen schon 2024 die Konsequenzen aus der internationalen Marktentwicklung, die eben nicht nach einem schnellen und totalen Sieg der E-Autos aussieht. Mercedes-CEO Ola Källenius kassierte die „Electric Only“-Strategie, die vorsah, ab 2030 keine Fahrzeuge mit Kolbenmotor mehr zu bauen. „In den kommenden Jahren wird es beides geben: Elektroautos und hochmoderne elektrifizierte Verbrenner“, so Källenius: „Wenn die Nachfrage da ist, bis deutlich in die 2030er-Jahre.“ Porsche bezahlt sein Vorpreschen bei puren Elektromodellen, die seine Kunden offenbar in diesen Stückzahlen nicht wollen, und die daraus resultierende Strategieänderung mit einem Rückgang von 1,8 Milliarden Euro beim operativen Gewinn.

93 Prozent aus China importiert
Seltene Erden: China kann eine Million Arbeitsplätze in Deutschland gefährden
Es zeichnet sich also eine lange und teure Bremsspur ab. In diesem Jahr gehen mutmaßlich noch einmal 50.000 Jobs bei deutschen Autoherstellern und ihren Zulieferern verloren. Würden die Firmen dem Rat der Grünen und der grün-affinen Medien folgen, ginge es um ihre Existenz. Bei einer reinen Elektrostrategie, selbst wenn es die ursprünglich erhofften Käufer gäbe, würden sich die Hersteller extrem von China abhängig machen, da das Land mittlerweile 70 Prozent der weltweiten Batterieherstellung und einen großen Teil der dafür nötigen seltenen Erden beherrscht.

Auch die alte Prognose, Öl und damit Benzin und Diesel würden immer teurer, und schon diese Entwicklung würde ausreichen, um Käufer zum E-Auto zu treiben, bewahrheitete sich nicht. Der weltweit größte Ölförderer, das saudische Unternehmen Aramco, will allein 2025 insgesamt 58 Milliarden Dollar investieren. British Petrol kündigte an, neue Öl- und Gasfelder in der Nordsee zu erschließen. Vom Höhepunkt im Februar 2022 bei 107 Dollar je Fass der Ölsorte Brent fiel der Preis wieder auf etwas über 60 Dollar. Die Erschließung neuer Felder weltweit lässt nicht erwarten, dass die Preise langfristig stark ansteigen.

Dass die Entwicklung weder beim von grünen deutschen Auguren immer wieder ausgerufenen Niedergang der Kernkraft noch bei den E-Autos so verläuft wie prognostiziert, beeindruckt die Parteispitze allerdings nicht. Im Interview mit der WELT meinte Grünen-Chef Felix Banaszak kürzlich: „Ich stehe nicht dafür, Dinge zu erhalten, die keine Zukunft haben. Geschäftsmodelle, die auf Gewinnung, Transport und Verbrennung fossiler Energieträger beruhen, müssen enden.“

In Wirklichkeit enden sie auf absehbare Zeit nicht. Sie würden einfach anderswo weiterlaufen, falls es beim EU-Verbrennerverbot bleibt.

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