In diesen Tagen wird Heinrich „Heiner“ Weiss im engsten Kreis der Familie beerdigt. Mit 83 Jahren ist er verstorben. Er war einer der großen Unternehmer der letzten Jahrzehnte. Mit ihm droht auch eine große industrielle Tradition abzureißen – der Maschinen- und Anlagenbau.
picture alliance/dpa | Uli Deck
Das von ihm geschmiedete Familienunternehmen SMS steht für die Tradition deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, die im Zuge der deutschen Deindustrialisierung verschwinden könnten, jedenfalls aus ihrem traditionellen Habitat, dem Siegerland und Ruhrgebiet.
SMS ist der weltgrößte Hersteller von Stahlfabriken. 1871 gegründet in Siegen, weil der aus dem württembergischen Obertürkheim stammende Schmied auf Wanderschaft Karl Eberhard Weiss sich in Siegen in Christian Katharina verliebte und deshalb dort beantragte, in den „Preussischen Unterthanenverband“ aufgenommen zu werden – Begriffe, die uns fremd sind wie die Vorstellung, dass die Bürger eines Staates einen gemeinsamen Verband bilden.
Der Weg des Unternehmens, das er als Werkzeugfabrik gründete, hat der Historiker Gregor Schöllgen in einem großen Werk nachgezeichnet.
Heiner Weiss jedenfalls hat letztlich daraus nach vielen Umwegen ein Familienunternehmen geschaffen, das weltweit Stahl- und Walzwerke baut – riesige Fabriken, gewaltige Anlagen. Der Konzern steht für alle Stahlstandorte der Welt – für die Werke in der früheren Sowjetunion und dem heutigen Russland in Magnitogorsk, am Beginn der Industrialisierung im indischen Rourkela, oder in „Big River Steel“ in Arkansas. Die erste digitale Fabrik dieser Art.
Während andere Familienunternehmen meistens in anonymen Aktiengesellschaften aufgingen, hat Weiss das Unternehmen wieder in der Familie gebündelt. Schon das ist eine Besonderheit. Mehr als fünf Jahrzehnte prägte Weiss Strategie und Kultur des Unternehmens – als langjähriger Vorstandschef, später als Aufsichtsrats- und Gesellschafterausschuss-Vorsitzender. Er steht für Internationalisierung, Technologie-Führerschaft und die Verbindung von Ingenieurskunst mit unternehmerischer Verantwortung.
Es ist aber auch das, was man früher vielleicht als Unternehmen eng mit Deutschland und deutschen Tugenden verbunden hat. Eisen und Schmiedearbeit. Das Schmelzen von Erz und das Schmieden von Metall ist ein mythischer Vorgang. Hephaistos, den die Römer dann Vulkan nannten, ist der Götterschmied. Unter seinem Hammer entstanden das Schild des Achill, der Panzer des Herakles, der goldene Thron der Hera. Wieland, der Schmied der germanischen Götterwelt, steht für überragende Schwerter und Rüstungen und das Motiv von Gefangenschaft und Rache.
Stahl ist ein männliches Produkt; ohne Stahl ist die Welt nicht denkbar, ohne Stahl bleibt nur die Steinzeit. Es geht um gewaltige Arbeiten, um höllische Hitze, drohende Hammerschläge, gefährliche Waffen und in der modernen Welt um riesige Maschinenanlagen, nicht um flackernde Bits und Bytes, sondern um rotblühenden, im schlimmsten Fall mörderischen Stahl. SMS steht dafür. Heiner Weiss ist kein Schmied hinter der Lederschürze, sondern eher ein feinsinniger Intellektueller.
Er baute den ersten Elektro-BMW, der zur Eröffnung der Olympischen Spiele in das Münchner Stadtion einfuhr, an der Spitze der deutschen Mannschaft. Er war Rennfahrer auf Langstrecke und auf der schwersten Rennstrecke der Welt, dem Nürburgring. Er war Pilot mit Zulassung von Flugzeugen mit Strahltriebwerken und flog selbst die langen Strecken zu den globalen Werkstätten. Er galt als gradlinig und kantig. Als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie wirkte er nicht lange, aber er hatte den Mut, Helmut Kohl für dessen zu wenig wirtschaftsorientierte Politik zu kritisieren.
Weiss war Mitglied der CDU und von 1983 bis 1988 Bundesvorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates. Später trat er aus der CDU wegen Zweifeln an der wirtschaftlichen Kompetenz der Partei aus.
Die Koalition „ist ein Totalausfall bezüglich der wirtschaftlichen Zukunftsgestaltung unseres Landes. Unter Frau Merkel hat sich die CDU zu einer populistischen Partei entwickelt, die keine Vision bietet, sondern kurzfristig – oft nach Umfrageergebnissen – regiert. Im Bundestag existiert kaum noch eine Opposition, weil auch die Grünen meistens mit der Großen Koalition stimmen.“
Das sagte er 2017 über Merkels Große Koalition.
Es hat sich wenig gebessert seither. SMS ist ein Anlagenbauer, wie man sie aus Deutschland kennt. Innovativ, präzise und engagiert. Es sind Tugenden, die heute keinen Platz mehr haben sollen und deren Existenz in Deutschland durch Regulierung, Energiepreise, Work-Live-Balance und grüne Phantasien gefährdet sind. Man meint, diese archaischen Technologien, obwohl sie längst die digitale Welt inkorporieren, nicht mehr zu gebrauchen. Dabei baut SMS ein Werk für grünen Stahl, so für das schwedische Start-up-Unternehmen H2 Green Steel in Schwedens Region Norrbotten, wo die Energie billig und das Land weit ist. SMS wird es weiter geben. Aber wie viel davon in Deutschland?


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Dieser Unternehmer hat wenigstens noch den Mut besessen aus der CDU auszutreten, weil er die Stümperhaftigkeit von Merkel nicht mehr ertragen konnte und leider gibt es bis heute zu wenige davon, die ihren gleichermaßen unfähigen Nachfolgern noch die Stange halten, obwohl sie große Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und seiner Mitarbeiter tragen und das ist mit ein Grund warum sich die Politiker über alles hinweg setzen, weil man ihnen nicht gebührend begegnet, damit sie die Lust am regieren verlieren. Das einzige was sie noch verjagen könnte ist die Not der Menschen und die wird über kurz oder lang zum Selbstläufer werden,… Mehr
Ein Gigant.
Er ruhe in Frieden.
Danke für diesen Nachruf. Er zeigt uns das Ziel unseres Lebens.
Danke für den schönen Nachruf.
Leider konnte sich Heiner Weiß, offensichtlich wider besseres Wissen, nicht dazu durchringen, sich zur einzigen Partei die evtl. für Besserung sorgen könnte, offen zu bekennen.
Was das betrifft, ging es Heiner Weiß dabei auch nicht besser, als so manchen TE-Autor.
Ja, das verstehe ich auch nicht. Woher kommt diese blinde Nibelungentreue Parteien gegenüber ?
Gerade von eigentlich politischen informierten Menschen.
Auch hier, in diesem Magazin.