Optimisten ignorieren schlechte Nachrichten

Angesichts der Flut sinkender Gewinne, anschwellender Verluste und aufgegebener Prognosen erscheinen die Kurszuwächse im DAX bisweilen mysteriös. Die Bewertung ist inzwischen so hoch wie seit über 15 Jahren nicht mehr, nur die 11 .000er-Marke scheint ein Hindernis.

Thomas Lohnes/Getty Images

Wer sich wundert, dass es trotz der vielen abgestürzten Konjunkturindikatoren und katastrophalen Unternehmensnachrichten seit Wochen tendenziell mit den Kursen aufwärtsgeht, dem sei versichert, dass die Corona-Krise zumindest in diesem Punkt eine ganz normale Krise ist, 2009 etwa war das ähnlich. Die Börse handelt die Zukunft, Investoren wetten auf eine künftige wirtschaftliche Belebung. Zudem bilden Aktienindizes die Wirtschaft nicht eins zu eins ab. Im breiten US-Index S & P 500 etwa konzentriert sich rund ein Fünftel des Börsenwerts auf nur fünf Unternehmen — Techriesen wie Microsoft, die von der Krise sogar tendenziell profitieren Die Wall Street schiebt den DAX regelmäßig an. Gleichwohl ist der Index alles andere als immun gegen Corona. Deutliche Rückschläge sind deshalb jederzeit möglich.​
Entsprechend gemischt lief es in der vergangenen Woche. Die US-Aktienmärkte konnten sich am Freitag im späten Handel von ihren frühen Verlusten befreien und gingen mit moderaten Gewinnen ins Wochenende. Schwachen US-Konjunkturdaten als negative Einflussfaktoren standen weiter steigende Ölpreise gegenüber. Der Dow Jones Industrial schloss mit einem Plus von 0,3 Prozent bei 23.685 Punkten. Daraus resultierte für die abgelaufene Woche aber immer noch ein Minus von rund 2,7 Prozent. Der marktbreite S&P 500 gewann 0,4 Prozent auf 2.864 Zähler. Der technologielastige NASDAQ 100 stieg um 0,6 auf 9.153 Punkte.

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Neue Daten aus dem US-Einzelhandel offenbarten unterdessen wegen der Corona-Krise einen Rekord-Umsatzeinbruch im April. Zudem sackte die Industrieproduktion im April gegenüber dem Vormonat um 11,2 Prozent ein. Das war der stärkste Rückgang seit Erhebungsbeginn vor 101 Jahren. Analysten hatten im Mittel jedoch ein noch größeres Minus von 12,0 Prozent erwartet. Unter den Einzelwerten schossen Sorrento Therapeutics mit einem Kursgewinn von 158 Prozent den Vogel ab. Das Biotech-Unternehmen soll Medienberichten zufolge einen Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt haben.

Nach vier Verlusttagen in Folge ging auch der deutsche Aktienmarkt positiv ins Wochenende. Der Leitindex DAX schloss mit 1,2 Prozent im Plus bei 10.467 Punkten.

Mit 10.160 Punkten war der DAX am Donnerstag noch auf den tiefsten Stand seit fünf Wochen gerutscht. Auf Wochensicht steht ein Minus von fast fünf Prozent zu Buche.

Gewinner im DAX war die VW-Aktie mit 3,7 Prozent im Plus. Dabei ließen sich die Schnäppchenjäger nicht davon beirren, dass der Absatz der Wolfsburger wegen der Verkaufsbeschränkungen im April stark unter Druck gekommen war. Am DAX-Ende notierte Wirecard. Im Eiltempo fielen die Aktien am Freitag um bis zu 13,6 Prozent auf nur noch 72 Euro – und damit auf das Niveau vom September 2017. Dann aber berappelten sie sich wieder etwas. Zuletzt betrug der Kursrutsch dann gut zehn Prozent. Händler verwiesen unter anderem auf eine Meldung, wonach es für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht derzeit kein Thema sei, ein Short-Selling-Verbot für die Aktie zu erlassen.

Die Corona-Pandemie hinterlässt in der Weltwirtschaft tiefe Spuren. Das dürfte nach Einschätzung des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes zu einer tiefen Rezession bei Welthandel und Weltwirtschaft führen — und in der Folge zu einer weltweiten Pleitewelle. Global dürften die Insolvenzen 2020 damit zum vierten Mal in Folge steigen — allerdings mit einem Zuwachs von 20 Prozent in bisher ungekanntem Ausmaß. Im Vergleich: 2019 lag der Zuwachs noch bei acht Prozent. Beim Welthandel drohen Verluste von 3,5 Billionen US-Dollar. „2020 bricht die Weltwirtschaft nach unseren aktuellen Prognosen voraussichtlich doppelt so stark ein wie in der Finanzkrise“, so Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Allianz und Euler Hermes: „Die Verluste sind so hoch wie die Wirtschaftskraft (BIP) von Deutschland und Japan zusammen.“

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Ob Jeff Bezos, Mark Zuckerberg oder Larry Page — sie allesamt sind als Unternehmensgründer zu vielfachen Milliardären aufgestiegen. Wer in ihre Unternehmen investiert war und ist, darf sich heute über satte Gewinne freuen. Reicht das aber, um daraus einen Investmentansatz zu formen? Sollte man sich als Privatanleger tatsächlich Titel von Aufsteigern ins Portfolio holen, die den Milliardärsstatus erreicht haben? Nach einer Studie der Schweizer Großbank UBS und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, die im Fachmagazin „Institutional Money“ veröffentlicht wurde, gibt es dazu ein klares Ergebnis: Ja, die von Milliardären kontrollierten Unternehmen schneiden in jeder Beziehung besser ab als die Konkurrenz. So legten weltweit die Kurse der Unternehmen, an denen Milliardäre 20 Prozent der Firmenanteile oder 30 Prozent der Stimmrechte hielten, zwischen 2003 und Ende 2018 rund 18 Prozent im Jahr zu. Zum Vergleich: Der MSCI World kam im selben Zeitraum auf gerade einmal neun Prozent Plus. Weitere Ergebnisse: Auch die Eigenkapitalrenditen der Milliardärs-Firmen lagen zwischen 2009 und 2018 im Schnitt beträchtlich höher als die anderer Konzerne. Und drittens haben sich die Konzerne der Milliardäre auch vor und nach einem Börsengang deutlich besser entwickelt als der breite Markt. Als Begründung dieser Top-Resultate führen die Autoren der Studie die besonderen Persönlichkeitsmerkmale der Superreichen wie ihre außerordentliche Risikobereitschaft, Fokussierung und Belastbarkeit an. Ausgangspunkt der Studie waren 2.101 Milliardäre weltweit im UBS-Kundennetzwerk.

Immer wieder wird über die zunehmende Macht von Großinvestoren wie Blackrock, Vanguard und State Street auf den Finanzmärkten diskutiert. Neues Material dafür gibt eine Studie des Analysehauses Flowspring aus den USA. Demnach hielten in den ersten drei Monaten dieses Jahres ein Prozent der Fondsgesellschaften über 60 Prozent aller gehandelten Börsenpapiere. Ein globaler Trend, der seit 2008 an Fahrt aufnimmt. Die Autoren der Studie führen die zunehmende Machtkonzentration auf den Siegeszug der ETF-Branche zurück, die immer mehr Kapital in Indexfonds bündelt.

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Kommentare ( 4 )

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hassoxyz
3 Jahre her

Ich wage mal die Hypothese, ohne die Billionenbomben und die Nullzinspolitik der Zentralbanken EZB und FED wären DAX und DOW nur halb so hoch wie jetzt. Das gesamte Geld fließt ausschließlich in Aktien und Immobilien, aber nicht in die Realwirtschaft, wo es dringend gebraucht wird. Nur dadurch sind die extrem hohen Aktienkurse in den vergangenen 8 Jahren überhaupt zu erklären. Die Zeiten, in denen Aktienkurse immer die wirtschaftliche Entwicklung vorweggenommen haben, sind vorläufig vorbei. Steigende Aktienkurse bei deutlich schrumpfender Weltwirtschaft und gleichzeitig immer weiter wachsender Staatsverschuldung passen irgendwie nicht zusammen. Aktien haben sich längst von der realwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt und… Mehr

fatherted
3 Jahre her

Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie viel Geld so ein Investment-Fond hat um zu investieren (und teilweise muss er dass, weil es in seinen Geschäftsbedingungen steht..kann also gar nicht komplett cash gehen). Dazu kommen noch die Öl-Staaten, China, die vielen Privat-Millionäre/Milliardäre die nicht wissen wohin mit der Kohle. Und zu guter letzt die Banken…die natürlich nur indirekt durch Billionen die in den Markt gepumpt werden, die Geldflut forcieren. So und nun? Was machen mit der Kohle…da geht man auch in Tui und Lufthansa, Delta oder Carnival….obwohl da auf Monate gar nichts mehr passieren wird….außer Verluste. Das Lustige….die… Mehr

StefanB
3 Jahre her

Die Börsenkurse haben seit Beginn der (nie beendeten) Finanzkrise genau einen Zündstoff und das sind die Fantastilliarden ihrer Freunde und Helfer, der Zentralbanken. Ohne sie sähe es zappenduster aus. Kommt noch.

Nibelung
3 Jahre her

Das alles kann man sehr unterschiedlich betrachten und in der Regel trifft es meistens die mittleren und kleinen Unternehmen. Die Großen werden gerettet, weil man sich dort finanziell einen Untergang nicht leisten kann und der Rest geht baden, einschließlich einer großen Masse von Arbeitnehmern, die in den meisten Fällen tief verschuldet sind und eine längere Durststrecke nicht überstehen oder zumindest um Jahre zurückgeworfen werden. Es gibt drei Gruppen, wenn sie schuldenfrei sind, die das ganze Debakel am besten überstehen. Das sind die Superreichen, die öffentlich Bediensteten und die gutsituierten Rentner und wer noch höhere Verbindlichkeiten hat, kann ganz schnell zum… Mehr