Längste Verluststrecke seit 2001

Der Ausverkauf an den Aktienmärkten hat sich auch in der dritten Maiwoche fortgesetzt und wird weiterhin von ungewöhnlich niedrigen Schwankungen begleitet. Kein gutes Vorzeichen für die kommende Woche; denn erst ein großes Maß an Volatilität – also starke Schwankungen – sind typischerweise ein Signal, um am Aktienmarkt wieder einzusteigen.

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Der Aktienmarkt hat zwar mehrmals versucht, sich von den kürzlich erreichten Tiefpunkten zu erholen, aber diese Bewegungen konnten nicht überzeugen. Der Grund liegt wohl in den hohen Preissteigerungen. Um die hohe Inflationsrate zu bändigen, werden die Zentralbanken wohl deutlich restriktiver vorgehen, was die Hoffnung auf eine rasche Wirtschaftserholung trübt. Auch wenn die meisten Ökonomen noch nicht von einer Rezession in Europa ausgehen, haben sie ihre Wachstumsprognosen deutlich zurückgenommen. Noch zeigt sich das nicht in den Erträgen der Unternehmen, was Aktien billig aussehen lässt, aber mit einer Revision der Gewinnschätzungen nach unten droht neues Ungemach. „Wir glauben, dass der Wachstums-Schock in den nächsten paar Monaten den Zins-Schock dominieren wird“, schreibt HSBC-Stratege Max Kettner und empfiehlt, die Gewichtung von Aktien zu reduzieren.

Es gibt indes auch Strategen, die weniger pessimistisch eingestellt sind. Bei Goldman Sachs und JPMorgan geht man beispielsweise davon aus, dass die Ängste vor einer Rezession in den USA übertrieben sind. Ein Blick in die Vergangenheit lehrt jedoch, dass die Kurse durchaus noch stärker fallen können. Während früherer größerer Börsencrashs fiel zum Beispiel der Euro Stoxx 50 durchschnittlich um 45 Prozent gefallen. Bisher betrug der Sturz 20 Prozent. Da ist noch Platz nach unten – auch an der Wall Street: Seit Anfang Jahr hat der S&P 500 17,5 Prozent an Wert verloren, der US-Technologie-Index Nasdaq 26 Prozent. „Die Korrektur an der Börse eröffnet phantastische Einstiegschancen für Leute, die ihr Geld anlegen wollten und bisher von den hohen Bewertungen am Aktienmarkt abgeschreckt wurden“, hält Maurice Pedergnana, Finanzprofessor und geschäftsführender Partner beim Unternehmen Zugerberg Finanz, den Pessimisten entgegen.

Tatsächlich gibt es immer wieder Investoren, die beherzt zugreifen. Mit ihrer Hilfe gelang nach zeitweise erneut sehr hohen Verlusten der Wall Street am Freitag zum Handelsschluss noch der Sprung in positives Terrain. Der S&P 500 ging mit einem Miniplus von 0,01 Prozent bei 3.901 Punkten aus dem Markt – mit einem Minus von gut drei Prozent war es allerdings die siebte Verlustwoche in Folge. Dies ist die längste Verluststrecke seit 2001. Ähnlich der Dow Jones Industrial. Auf Wochensicht verlor er 2,9 Prozent und schloss am Freitag mit plus 0,03 Prozent auf 31.262 Punkten. Auch der technologielastige NASDAQ 100 holte gegen Handelsende noch auf, blieb aber im Minus mit 0,3 Prozent bei 11.836 Punkten hängen.

Unter den Einzelwerten überzeugte nach Geschäftszahlen Foot Locker. Nach einem soliden ersten Quartal verbreitete der Sportartikelhändler mit Blick auf die Jahresziele Optimismus. Die Aktien legten um 4,1 Prozent zu. Dem Landmaschinen-Hersteller Deere & Co. passierte das Gegenteil. Die Aktien stürzten um 14,1 Prozent in den Keller. Die Quartalszahlen seien aufgrund des Kostendrucks schwach ausgefallen, schrieb Analyst Robert Czerwensky von der DZ Bank. Der Vorstand versuche dies zu überspielen, indem ein positiver Einmaleffekt in die Gewinne und den Jahresausblick eingerechnet werde.

Auch die Tesla-Aktien gaben nach. Sie fielen vorübergehend auf den tiefsten Stand seit Juli 2021 und schlossen 6,4 Prozent schwächer. Lieferkettenprobleme in Asien und die Unsicherheit rund um die von Firmenchef Elon Musk geplante Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter setzen die Papiere des E-Autoherstellers immer stärker unter Druck. Die Einzelhandelsbranche musste in dieser Woche besonders leiden. Die hohe Inflation und steigende Transport- und Lohnkosten bringen die Gewinnmargen von Walmart, Target, Kohl’s und Co. unter Druck. Kohl’s rutschten am Freitag nochmals um 13 Prozent ab.

Mit Rückenwind von den asiatischen Börsen hatte zuvor schon der deutsche Aktienmarkt am letzten Handelstag der Woche zugelegt. Positive Impulse lieferte am Freitag die Nachricht, dass China einen wichtigen Referenzzins für langfristige Kredite senke. Für eine Entwarnung ist es jedoch noch zu früh: Die Stimmung bleibe angesichts der Furcht vor steigenden Zinsen und hohen Inflationsraten fragil, kommentierte Marktexperte Timo Emden.

Der deutsche Leitindex Dax überwand in der ersten Tageshälfte die Marke von 14.000 Punkten und notierte bis zu zwei Prozent höher. Im Zuge der zunächst schwächelnden Wall Street bröckelte er im späten Handel jedoch merklich ab, rettete aber einen Gewinn von 0,7 Prozent auf 13.982 Punkte ins Ziel. Auf Wochensicht resultiert daraus ein Verlust von 0,3 Prozent. Der MDAX schloss 0,6 Prozent höher bei 29.200 Punkten.

Im Dax waren die Papiere des einstigen Corona-Profiteurs Hello Fresh mit einem Kursplus von 2,3 Prozent besonders begehrt. Aktien der Metro gewannen im SDAX 1,8 Prozent. Einer indischen Wirtschaftszeitung zufolge könnte sich der Handelskonzern für einen Milliardenbetrag vom Geschäft in Indien trennen. Das kam bei Anlegern gut an. Außerhalb der Dax-Familie stiegen Borussia Dortmund um 4,3 Prozent. Der BVB trennt sich von Trainer Marco Rose.

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Kommentare ( 2 )

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Iso
1 Jahr her

Kaum haben die Amerikaner ihren Leitzins auf 1 % erhöht, beginnt bereits die Diskussion um eine Zinspause. Da muss ich mich dann fragen, was das für eine Wirtschaft sein soll, die bereits bei einem Kapitaldienst von 1 % schwächelt? Hätte man die ernsthafte Absicht, die Inflation zu bekämpfen, müsste man die Zinsen über die aktuelle Inflationsrate heben, also rund 10 %. Damit wäre dann Amerika pleite. Mit überbordenden Haushaltsdefiziten, einer Staatsverschuldung von über 100 %, Dienstleistung und Wohlfahrt, lässt sich kein Staat machen.

Thorsten
1 Jahr her

Die Korrektur betrifft in erster Linie die aufgeblähten Hype-Aktien wie Tesla und werden zu großen Teilen durch den starken Dollar kontakariert.
Und das es den Krieg mit der Ukraine nicht zum Nulltarif gibt, sollte jedem klar sein …