Johnson siegt, Handelskonflikt entschärft, deutsche Börse in Feierlaune

Der Leitindex Dax war phasenweise über die Marke von 13.400 Punkten gestiegen auf ein neues Hoch seit Januar 2018. Im Verlauf ließ der Schwung aber nach auf am Ende ein Plus von 0,5 Prozent auf 13.283 Punkte.

Chris J Ratcliffe/Getty Images

Mit dem klaren Wahlsieg der Tories in Großbritannien und der Teil-Einigung im US-chinesischen Handelskonflikt hat sich die politische Unsicherheit Experten zufolge erst einmal verflüchtigt. Der Leitindex Dax war phasenweise über die Marke von 13.400 Punkten gestiegen, wo er ein neues Hoch seit Januar 2018 erreicht hatte. Im Verlauf ließ der Schwung aber nach, so dass am Ende ein Plus von 0,5 Prozent auf 13.283 Punkte zu Buche stand. Im Wochenverlauf hat das Börsenbarometer damit um 0,9 Prozent zugelegt. Die guten Nachrichten hatten auch dem MDAX der mittelgroßen Werte mit 27.899 Punkten zu einer neuen historischen Bestmarke verholfen. Zum Handelsschluss verblieb noch ein Gewinn von knapp einem Prozent auf 27.773 Punkte.

Teil der am Freitag bestätigten Vereinbarung im Handelskonflikt ist die Aussetzung einer neuen Runde von US-Strafzöllen auf chinesische Waren, die am Wochenende hätten in Kraft treten sollen. Die USA hätten sich auch verpflichtet, bereits verhängte Zölle teilweise zurückzunehmen, sagte Chinas Vize-Handelsminister Wang Shouwen.

An der Wall Street hat die offizielle Bestätigung der Teil-Einigung im US-chinesischen Handelsstreit die Kurse allerdings kaum bewegt. Die wichtigsten Aktienindizes schleppten sich zwar im frühen Handel noch allesamt auf Rekordhöhen, indes liess der Schwung schnell wieder nach. Bereits am Donnerstag hatten die Anleger die Aussicht auf einen Deal zwischen den USA und China gefeiert. Die nun bekannt gewordenen Details hätten nicht ausgereicht, die Kurse weiter zu befeuern, sagten Marktstrategen.

Der US-Leitindex Dow Jones Industrial ging letztlich nur leicht höher bei 28.135 Punkten aus dem Handel. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Plus von 0,4 Prozent. Seine Bestmarke liegt nun bei knapp 28.291 Punkten. Der marktbreite S&P 500 war ebenfalls praktisch unverändert und schloss bei 3.169 Punkte. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 0,3 Prozent auf 8.488 Punkte nach oben.

Unter den Einzelwerten gab es deutliche Bewegungen bei den Softwareherstellern Oracle und Adobe Systems. Oracle hatte im zweiten Geschäftsquartal die Erwartungen der Analysten an den Umsatz verfehlt. Die Aktien fielen um fast 3,5 Prozent. Anders das Bild bei Adobe: Die Aktien gewannen nach einem besser als erwartet ausgefallenen vierten Geschäftsquartal rund vier Prozent und waren damit der Spitzenreiter im Nasdaq 100.

Derweil sind die Aktien von Apple und Microsoft aktuell so teuer wie nie. Die beiden Technologiegiganten haben beim Börsenwert die Branchenkollegen Amazon und Alphabet hinter sich gelassen.

An der Deutschen Börse wurden konjunkturabhängige Werte wie etwa der Autosektor von den Nachrichten angetrieben. Die Vorzugsaktien von Volkswagen nahmen mit einem Kurssprung um rund zwei Prozent die Dax-Spitze ein. Mit dem Chipsektor setzten Infineon ihre jüngste Rally um knapp 1,7 Prozent fort. Analyst Janardan Menon von Liberum Research sieht die Halbleiterbranche als starker Profiteur eines sich abzeichnenden Zolldeals. Allerdings gab es auch einen deutlichen Ausreißer mit den Henkel-Aktien, die am Dax-Ende wegen mauer Geschäftsaussichten um fast 3,7 Prozent fielen. Henkel-Chef Hans Van Bylen bereitete die Investoren auf ein weiteres schwaches Geschäftsjahr 2020 vor.

Bei den Nebenwerten sorgten zwei Übernahmen für Gesprächsstoff. Beim Essenslieferdienst Delivery Hero katapultierte ein milliardenschwerer Zukauf in Südkorea die Papiere mit gut 23 Prozent ins Plus, erstmals in ihrer Geschichte wurden sie zu Kursen jenseits der 60-Euro-Marke gehandelt. Dabei begeisterte die Aktionäre die Hoffnung auf kräftiges Wachstum in Asien.

Gespannt blickten Börsianer auf die erste EZB-Sitzung mit der neuen Präsidentin Christine Lagarde, in der über die Zinsen in der Eurozone beratschlagt wurde. Lagarde lächelte und tat, wie erwartet, nichts: Der Leitzins blieb bei Null. Die EZB-Chefin kündigte jedoch eine Revision der Zentralbankstrategie an. Alle Instrumente, von Zinspolitik bis zu Anleihen- oder Aktienkäufen, sollen bis Ende 2020 überprüft werden. Sie kauft sich Zeit — wohl auch, um auf die Entwicklungen im Zollstreit und beim Brexit reagieren zu können. Manches klang optimistischer als bei Draghi, das Wachstum in Europa sei zwar niedrig, doch die Risiken des Handelskonflikts schwächten sich ab. Zufall wohl, dass US-Präsident Trump fast zeitgleich twitterte, die US-Unterhändler seien einem Deal mit China „sehr nahe“. Die Wall Street drehte ins Plus. Der MSCI World markierte tags drauf ein neues Allzeithoch, der DAX einen Jahreshöchststand. Weiteren Stimulus dürfen Aktionäre von der Fed nicht erwarten, in den USA bleibt der Leitzins wohl bis 2021 auf dem Tief. Fed-Chef Jerome Powell umriss die Umstände, die die Fed zu einer Erhöhung veranlassen würden, etwa steigende Preise. Zölle könnten da eine Rolle spielen. ​

Südamerikanische Währungen sind der große Favorit für Kursgewinne im ersten Quartal 2020. Das zumindest ist das Ergebnis einer Umfrage unter Klienten der Citigroup. Ganz vorn hat sich hierbei der brasilianische Real platziert, gefolgt vom chilenischen und kolumbianischen Peso. Alle drei Länder und ihre Devisen gehören in diesem Jahr aufgrund schwerwiegender politischer und wirtschaftlicher Probleme zu den Verlierern. Dazu kommen wie im Fall von Brasilien Zinssenkungen, die die Währung geschwächt haben. Investoren setzen nun wohl einerseits darauf, dass sich die Währungen nach ihrem Fall schnell erholen können. Andererseits gibt es auch erste ermutigende Zeichen, dass sich die Volkswirtschaften ökonomisch gefangen haben.

Seit vier Jahren wartete die Finanzwelt gespannt auf den Börsengang des saudi-arabischen Ölgiganten Saudi Aramco.Zuletzt berichteten Medien, dass das Königshaus noch einmal den Druck auf die reichsten Familien des Landes erhöht habe, damit diese ihre Orders deutlich aufstocken. Es sollte das angestrebte Bewertungsziel von zwei Billionen Dollar für den Konzern erreicht werden, das der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) ausgegeben hat. So gelang Aramco vergangenen Mittwoch ein sehr starker Börsenstart. Der Kurs der Aktie stieg schon in den ersten Handelstagen an der Tadawul-Wertpapierbörse in Riad um rund 15 Prozent. Damit erreichte der Konzern einen Börsenwert von knapp zwei Billionen Dollar — und ist damit das wertvollste Unternehmen der Welt. „Verglichen mit anderen Ölunternehmen, ist der Konzern dreimal größer als die kombinierte Marktkapitalisierung von Exxon, Shell und BP“, so Salah Shamma, Investmentexperte für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Franklin Templeton.

Der Kampf gegen den Klimawandel wird die Kapitalmärkte viel stärker treffen als bisher angenommen. Das ist das Resultat einer Studie der Investoreninitiative Principles for Responsible Investment (PRI). PRI geht davon aus, dass den wichtigsten börsennotierten Firmen weltweit bis zum Jahr 2025 Bewertungsabschläge von insgesamt 1,6 bis 2,3 Billionen US-Dollar drohen. Die 100 am stärksten betroffenen Unternehmen aus dem MSCI-All-Country-World könnten demnach 43 Prozent ihres aktuellen Börsenwerts oder knapp 1,4 Billionen US-Dollar verlieren. Die 100 am stärksten profitierenden Firmen könnten dagegen um 33 Prozent ihres gegenwärtigen Werts zulegen, was 0,7 Billionen US-Dollar entspricht. Am stärksten positiv und negativ treffen wird es laut der PRI-Studie die Branchen Energie, Automobile,Versorger, Mineralstoffe und Agrarwirtschaft.


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Kommentare ( 3 )

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elly
4 Jahre her

Wirtschaft und Börse noch ist noch immer fest in männlicher Hand.
Klimarettung ist wie die Flüchtlingsrettung und- hilfe von 2015 fest in weiblicher Hand.

Iso
4 Jahre her

Während bei 90% der Bürger vom Segen nichts ankommt, feiert man sich selbst mit frisch gedrucktem Geld, und gepushten Kursen. Wie sagte doch Mark Hanna in „Wolf of Wallstreet“ so treffend? Es ist alles Feenstaub, es existiert nicht im Periodensystem.

humerd
4 Jahre her

die Börsianer unterscheiden sich gravierend zu den deutschen Journalisten. Die Journalisten hier leben in ihrer eigenen Moralistenblase, die ihr ausgestreckter Zeigefinger niemals durchstoßen wird. Kein Tag an dem nicht gegen Trump, den Johnson und den Brexit gekeift wird. Börsianer sind realistischer. Die Welt wird nicht untergehen.