Börsen im Zeichen neuerlicher Lockdowns und der Präsidentenwahl in den USA

Steigende Infektionszahlen, die bevorstehenden Lockdowns und die am Dienstag anstehende Präsidentenwahl in Amerika ergeben ein Gemisch, das den Börsianern auf den Magen schlägt. Auch die üblichen Lieblinge der Wallstreet waren zuletzt nicht gefragt.

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Von wachsender Unsicherheit war vor einer Woche hier die Rede. Die steigenden Infektionszahlen, aufziehende Lockdowns, das ausbleibende Hilfspaket für die US-Wirtschaft, die am kommenden Dienstag anstehende Präsidentenwahl in Amerika – das alles hat sich zu einem Gebräu vermischt, das auch den gewöhnlich ziemlich sattelfesten US-Börsianern auf den Magen schlug. Amazon, Apple, Facebook und Twitter stürzen ab

Der US-Index S & P 500 verzeichnete seine schlechteste Woche seit Ende März, auch dem DAX erging es übel. Der Leitindex fiel binnen fünf Handelstagen um rund 1000 Punkte. Vor dem Start des Teil-Lockdowns am Montag hielten sich die Anleger auch am Freitag zurück. Der DAX schloss 0,4 Prozent im Minus bei 11.556 PunktenAuf Wochensicht verlor der DAX damit 8,6 Prozent. Für den gesamten Monat Oktober sieht es mit einem Minus von derzeit 9,4 Prozent noch etwas schlimmer aus. Die Warnungen, dass der Oktober in der Regel zu den schlechtesten Börsenmonaten zählt, haben sich bewahrheitet“, schrieben die Experten der Helaba. Das ifo-Institut aus München erwartet, dass das erneute Herunterfahren der Wirtschaft mehr als zehn Milliarden Euro kosten dürfte. „Die beschlossenen Maßnahmen setzen der kräftigen Erholung vom Sommer ein abruptes Ende“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Der gesamte Konsum werde zum Jahresende nicht mehr wachsen. Im Sommer hatte die Wirtschaft noch ein Rekordplus geschafft.

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Historisch gesehen ist die Handelswoche vor der US-Wahl von Gewinnen geprägt. In diesem Jahr verzeichnete die Wall Street die schlechteste Pre-Election-Woche der Geschichte. Enttäuschende Quartalsberichte namhafter Tech-Giganten wie Apple und Facebook belasteten am Freitag die US-Börsen zusätzlich. Die zeitweise heftigen Tagesverluste im Dow Jones Industrial verringerten sich in der letzten Handelsstunde allerdings kräftig. Letztlich ging der Leitindex mit einem moderaten Abschlag von 0,6 Prozent auf 26.501 Punkte aus dem Handel, nachdem er zeitweise knapp zwei Prozent eingebüßt hatte. Das Minus seit Wochenbeginn beläuft sich auf 6,5 Prozent, der Monatsverlust auf 4,6 Prozent. So kräftig war der Dow – sowohl auf Wochen- als auch Monatsbasis – seit März nicht mehr abgesackt.
Der marktbreite S&P 500 gab um 1,2 Prozent auf 3.270 Punkte nach. Der NASDAQ 100 büßte 2,6 Prozent auf 11.053 Zähler ein und verlor damit in den vergangenen fünf Handelstagen 5,5 Prozent. Auch für den Nasdaq-Auswahlindex bedeutet dies den größten Verlust seit März. Das Monatsminus summiert sich auf 3,2 Prozent.

Unternehmensseitig enttäuschte in erster Linie Apple: Die verzögerte Markteinführung des iPhone 12 brockte dem Technologie-Schwergewicht einen Gewinnrückgang im vergangenen Quartal ein. Für die erfolgverwöhnte Aktie, die erst Anfang September nach einem Aktiensplit auf ein Rekordhoch geklettert war, ging es am Ende um 5,6 Prozent nach unten. Im bisherigen Jahresverlauf steht dennoch ein Plus von 50 Prozent zu Buche. Facebook sackten um 6,3 Prozent ab.

Der weltgrößte Online-Händler Amazon gehört zwar zu den Profiteuren der Corona-Krise und meldete ein glänzendes Geschäft, da der Trend zum Einkauf im Internet andauert. Die Aktien gaben dennoch 5,5 Prozent ab. Seit Jahresbeginn sind sie mit einem Kurszuwachs von rund 70 Prozent aber auch bereits extrem gut gelaufen.

Besonders steil abwärts ging es für die Papiere von Twitter mit einem Abschlag von rund 21 Prozent, womit sie den größten Tagesverlust seit 2014 erlitten. Der Kurznachrichtendienst gewann im vergangenen Quartal trotz der großen Aufmerksamkeit durch den US-Wahlkampf nur eine Million neue Nutzer. Das enttäuschte die Anleger gewaltig.

Die Aktien von Alphabet sprangen dagegen um 3,8 Prozent nach oben. Boomende Werbeeinnahmen und ein starkes Cloud-Geschäft sorgten im dritten Quartal trotz Corona-Pandemie bei dem Google-Mutterkonzern für einen Gewinnsprung.

Die einzige Konstante in diesen Zeiten: die ultralockere Politik der Zentralbanken. EZB-Chefin Christine Lagarde bereitet die Märkte schon seit geraumer Zeit auf ein Jahrzehnt mit Nullzinsen vor. Die hohen Kursschwankungen dürften dennoch andauern.​

Derweil zieht Gold die Anleger weiter magisch an. So ist der Absatz von Barren und Münzen laut Branchenverband World Gold Council im dritten Quartal 2020 sprunghaft auf 222,1 Tonnen gestiegen – ein Plus von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zudem haben Zuflüsse in Höhe von 272,5 Tonnen das global in Gold-ETFs gehaltene Volumen auf einen neuen Höchstwert von 3880 Tonnen gesteigert. Dennoch ist die globale Goldnachfrage zwischen Juli und September im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent auf 892 Tonnen gefallen, die Nachfrage von Jahresbeginn bis heute liegt insgesamt um zehn Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum 2019. Der stark gestiegene Preis des Edelmetalls hat speziell die Schmuckverkäufe in Asien gedrückt.

Sparquote stark, Sparverhalten schwach. Das ist kurz zusammengefasst das Resultat einer neue Studie des DZ Bank Research zum Weltspartag am vergangenen Freitag. Demnach ist die Quote im zweiten Quartal 2020 mit über 20 Prozent zwar historisch hoch, der Anteil nicht angelegter Finanzmittel in Deutschland hat aber weiter zugenommen — auf 28,2 Prozent des privaten Geldvermögens. Ergebnis: „Für die privaten Haushalte führt das niedrige Zinsniveau zu beträchtlichen Einkommenseinbußen“, erklärt DZ-Bank-Volkswirt Michael Stappel. Durch extrem niedrige Zinsen und den Investitionsstau erlitten die privaten Haushalte in Deutschland seit 2010 Netto-Zinseinbußen von 379 Milliarden Euro. Der Verlust bezieht sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2020 und umfasst die Zinseinbußen auf Bankeinlagen sowie auf langfristige Anlagen wie Anleihen oder Versicherungen. Als Bezugswert dient ein Normalzinsniveau von 2,3 Prozent, der durchschnittliche Zinssatz für Bankeinlagen von 1999 bis 2009. Den Verlusten stehen die günstigeren Kreditzinsen der vergangenen Dekade in Höhe von 353 Milliarden Euro entgegen. Immerhin nahm zuletzt die Bereitschaft der Deutschen zu, in Aktien zu investieren – vom ersten zum zweiten Quartal 2020 von 11,4 Milliarden auf 13 Milliarden Euro. Dennoch: Während über 70 Prozent des Geldvermögens in Bargeld, Einlagen, Versicherungen und Rentenpapiere angelegt sind, macht die Direktanlage in Aktien nicht einmal sieben Prozent des Geldvermögens aus.

Die türkische Lira ist im freien Fall. Gegenüber dem Dollar notiert die Währung inzwischen so niedrig wie noch nie. Da das gesamte Land unter einem großen Berg von Fremdwährungskrediten leidet, wird die Währungsschwäche zu einem akuten -Problem. Ursachen für den rasanten Wertverlust sind hausgemachte wie externe Probleme. So rutschte die Türkei 2020 auch wegen des Ausbleibens der Touristen in der Corona-Krise in eine tiefe Rezession. Zugleich sorgt der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdogan mit politischen Feldzügen im In- und Ausland für Irritationen. So rief der Autokrat zu Sanktionen von französischen Produkten auf, nachdem der französische Präsident nach den jüngsten islamistischen Anschlägen eine härtere Gangart gegenüber muslimischen Gegnern der säkularen Demokratie angekündigt hatte. Zudem musste die Lira Federn lassen, da die türkische Notenbank trotz hoher Inflation zuletzt keine weitere Zinserhöhung verabschieden konnte.


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