Der China-Lockdown stiftet Chaos im Welthandel

Der deutschen Autoindustrie und vielen anderen Branchen, die von chinesischen Vorprodukten und Zulieferungen abhängen, droht durch den Lockdown in China der Kollaps.

IMAGO / ZUMA Wire

Die Produktionsausfälle durch den ersten Corona-Lockdown waren schon schlimm, jene durch die darauffolgende Speicherchip-Krise waren noch etwas schlimmer, doch was sich zurzeit auf der internationalen Wirtschafts- und Handelsbühne durch den isolierten Lockdown in China abspielt, droht alles in den Schatten zu stellen. Der deutschen Autoindustrie und vielen anderen Branchen, die von chinesischen Vorprodukten und Zulieferungen abhängen, droht der Kollaps.

Die Lieferketten waren seit Jahrzehnten nicht so rissig wie heute. Sie sind für die Weltwirtschaft, was Venen und Arterien für den menschlichen Körper sind. Und sie sind durch den Lockdown in China mehr gefährdet als durch die Chipkrise. Und selbst die ist noch nicht vorbei und wird laut Experten noch bis 2024 andauern. 

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Das Chaos ist perfekt. Hunderte Containerschiffs-Riesen liegen im und vor dem Hafen von Schanghai und dürfen weder beladen werden noch auslaufen. Sie warten auf Ware, die aber nicht verladen werden kann, weil sie nicht produziert und geliefert werden konnte. Und in vielen Fabriken sind die Arbeiter in Quarantäne eingesperrt und müssen sogar in den Werken schlafen, so bei Bosch, Marquardt, Tesla und vielen anderen. 

Die Lage ist so kritisch, dass inzwischen viele Containerschiffe gar nicht mehr gen Schanghai fahren. Die Zahl der Schiffe, die in Schanghai anlegen, ist laut Experten seit dem Lockdown um die Hälfte zurückgegangen.

Ursache für das Chaos ist Chinas „Zero Covid“-Strategie. Sie  führt gegenwärtig zu immensen Störungen der globalen Lieferkette. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, drohen erhebliche Auswirkungen auf die gesamte deutsche Industrie, vor allem die Autohersteller. So können Autos einerseits vor Ort nicht gebaut werden, andererseits schaffen es Zulieferer aus der Region nicht, für Werke in anderen Teilen der Welt zu liefern, so auch nach Deutschland. Die Lieferketten der Autohersteller sind durch den Lockdown in Kombination mit der Chipkrise akut gefährdet, da gerade der Großraum Shanghai ein Zentrum in China ist für Zulieferer und auch Halbleiterzulieferer für Automobilindustrie weltweit.

Aber es könnte noch schlimmer kommen, wenn nämlich nach dem Hafen in Schanghai weitere Metropolen folgen. Allein die Beschränkungen in der Industrie- und Finanzstadt Schanghai sollen bis mindestens Juni andauern. Wenn weitere lokale Lockdowns kommen, wird es nochmals schlimmer.

Unternehmen, die wieder aufmachen, müssen die Mitarbeiter im Werk wohnen lassen, weil diese nicht mehr zurück nach Hause dürfen. Nur so kann die Produktion aufrechterhalten werden. Im sogenannten „Closed Loop“ befinden sich nach Informationen der Automobilwoche aktuell viele Fabriken, deren Arbeiter in Quarantäne eingesperrt sind und deshalb tagelang sogar in den Werken schlafen müssen, so bei Bosch, Marquardt, Volkswagen und Tesla und vielen anderen. Eine extreme Belastung für die Belegschaft.

Hinzu kommt viel Bürokratie für Unternehmen, weil für alles eigene Genehmigungen eingeholt werden müssen. Und Ersatz für fehlende Bauteile aus der Region Schanghai zu finden, bindet ebenfalls hohe Kapazitäten. Die Einkaufsabteilungen arbeiten am Limit.

Neue ökonomische Eiszeit droht
Der China-Lockdown trifft die deutsche Wirtschaft besonders hart
Nach Meldungen der Automobilwoche könnte die südliche Produktionsdrehscheibe Guangzhou  der nächste Ort eines umfassenderen Lockdowns sein. Was die Lieferketten weiter strapazieren würde. Hier bauen unter anderem Toyota und Nissan ihre Autos für den chinesischen Markt. In Guangzhou fehlen auch Komponenten, die eigentlich aus Schanghai kommen müssten. 

Ein Lockdown wird inzwischen auch für Peking befürchtet, wo unter anderem Mercedes-Benz produziert. Mercedes‘ Finanzchef Harald Wilhelm bestätigte bei der Vorstellung der Quartalszahlen, dass „im Werk Peking zurzeit Anpassungen der Schichten vorgenommen werden“. 

Die Unsicherheit in der deutschen Autoindustrie ist entsprechend groß, nirgends ist der Stimmungs- Einbruch so ausgeprägt wie hier.  Nach einer Umfrage des Wirtschaftsprüfers Deloitte rechnen viele Betriebe der Autobranche mit sinkenden Gewinnen und schrauben ihre Investitions- und Beschäftigungspläne zurück. Die Unsicherheit sei fast so hoch wie unmittelbar nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie und habe „überall Planungen beeinflusst und Vorsicht wachsen“ lassen, teilte Deloitte mit. Von 140 befragten Finanzvorstände deutscher Großunternehmen bewerteten 82 Prozent zwar die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland noch als positiv oder neutral. Aber bei „den Aussichten für die nächsten zwölf Monate gehen die Werte für Deutschland und die Eurozone steil nach unten….Der Einbruch ist besonders ausgeprägt in der Autoindustrie, in der 83 Prozent der Unternehmen eine Verschlechterung der Geschäftsaussichten wahrnehmen“, heißt es in der Studie (zitiert nach Automobilwoche).

Vor diesem Hintergrund sind die reihenweisen Korrekturen an den deutschen Wachstumsprognosen für 2022 nicht verwunderlich. Nur das hässliche R-Wort für Rezession ist bislang noch nicht gefallen. 

Aber das Jahr ist ja noch jung.

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Kommentare ( 33 )

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GP
1 Jahr her

Die Industrie nach Europa zurück holen! Alles andere ist eine Kapitulation vor dem roten Kaiser der Europa langfristig eh nur als Vasallenstaat sieht. Wir brauchen China nicht, Europa ist die Wiege der Industralisierung und langfristig den Asiaten in Sachen Technik und Kreaktivität überlegen. Wir müssen uns nur auf unsere historischen Kompetenzen besinnen und das Joch der Klimasekte abschütteln. Der Westen kann seine Dominanz zurück gewinnen, wir müssen es nur wollen! Nicht jammern, den Kampf aufnehmen – und gewinnen!

HRR
1 Jahr her

Nicht vollkommen unerwartet erlebt die Globalisierung gerade an Chinas Gestaden ihr Waterloo!

Joe Maierl
1 Jahr her

China schwächt damit die westliche Rüstungsindustrie. Was kann das bedeuten? Krieg in Asien und Europa?

Sonny
1 Jahr her

Die Rezession ist längst da. Alles, was gebraucht wird, ist Mangelware und alles, wovon es viel zu viel gibt, ist nichts wert. Und viel zu viel bedeutet leider auch: Es gibt Milliarden von Menschen auf dieser Erde. Unter Berücksichtigung der weiteren Flutung mit Menschen, die sich in Europa in die soziale Hängematte legen wollen, prophezeie ich mal, dass die künftigen Arbeitslosenquoten alles sprengen werden, was wir jemals seit Ende des zweiten Weltkriegs erlebt haben. Einfältige und unfähige Regierungen im westlichen Teil der Welt sind mit für diesen gnadenlosen Niedergang verantwortlich, in dem nur Gesinnung zählt und keine wirklichen Werte. Um… Mehr

Kantig
1 Jahr her

Covid19 ist eine Waffe in einem Wirtschaftskrieg. Das ist Alles! China ist dabei zu gewinnen.

Last edited 1 Jahr her by Kantig
Andreas aus E.
1 Jahr her

Ich bin ja kein Experte für irgendwelches Fach, aber mein Bauchgefühl sagt mir, daß es Peking darum geht Macht zu beweisen.
Die könnten dort – dem Vernehmen nach – die Untertanen drangsalieren (wie es „Grüne“ hierzulande gern hätten), die müssen eben mitspielen, ansonsten geht es nicht um Corona sondern darum der Welt mal aufzuzeigen wie abhängig sie von China ist.

Wenn meine Einschätzung zutreffen sollte: Respekt! Sehr elegante Art einer Kriegführung. Wegen lauter Embargos sterben zwar Leute wie bei Bombardierung, aber es gibt keine unschöne Bilder.

Andy Arbeit
1 Jahr her

Ich finde das, so schlimm es für insbesondere die Autoindustrie aktuell auch ist, wunderbar. Die gesamte deutsche Industrie sollte sich dieses Debakel zu Herzen nehmen und die gesamte (Vor-) Produktion nach Deutschland oder zumindest in die EU zurück verlagern.

GefanzerterAloholiker
1 Jahr her

Meiner Kenntnis nach sind die Telekomleitungen in DE alle längst in Besitz der Alibaba. Die Telko/IT ist hier also Mietsache auf Leih und Pump.
Es würde auch gar nicht zu einem so divers populierten Habitat passen. Dies nun als Sorge aufzubereiten, gerade so, als ob Zuverlässigkeit noch eine Tugend sein.
Fettes Double Dislike.

Fatmah
1 Jahr her

Die Inflation die statt schöngerechneter 8% irgendwo bei 25-30% liegen dürfte, wird komplett auf die Ukraine geschoben so als käme dort vom Salatöl, über Adblue bis zum Sonntagsbrötchen nahezu alle Dinge des täglichen Bedarfs her. Tatsächlich ist die Inflation aber eine Krise der Euro Währung.

Peer Munk
1 Jahr her

Handelt es sich möglicherweise um getarnte Sanktionen, gegen den Westen gerichtet? Diese Überlegung äußert Prof. Christian Rieck in einem Video auf Youtube. Könnte was dran sein.
Andererseits gab es ja auch in der Vergangenheit kommunistische Herrscher, die mit völlig irren Großprojekten die eigene Wirtschaft schädigten und zahlreiche Menschenleben forderten…

Last edited 1 Jahr her by Peer Munk