Falko Liecke: Wo bleibt die klare Kante gegen Israelfeinde, Frau Faeser?

Der Neuköllner Stadtrat Falko Liecke beklagt seit langem das Wegsehen deutscher Behörden beim Problemfeld radikaler Islam. Die eskalierten Aufzüge hält er nicht für einen Ausrutscher. Nancy Faeser attestiert er ein „Gesinnungsproblem“: Auf dem linken Auge blind, ignoriere sie den Islamismus vollständig.

Falko Liecke, CDU-Stadtrat in Neukölln, hat nicht auf die Gesprächsanfrage von TE gewartet, um sich zu den eskalierten Anti-Israel-Demonstrationen vom Wochenende in seinem Bezirk Neukölln zu äußern. Kein Einzelfall im „sonst herrlich bunten Multikulti-Traum“ sei das, tweetete er, vielmehr ein Ereignis, das uns die Augen über die Realität öffnen könne.

Wer sehen will, kann es sehen.
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— Falko Liecke (@falkone1) April 24, 2022

Am Wochenende fluteten die Bilder und Videos von mehreren Demonstrationen im Berliner Bezirk Neukölln die sozialen Medien. Die darin nicht zu überhörenden antijüdischen Parolen, Beschimpfungen und Bedrohungen haben eine größere Öffentlichkeit entsetzt und viele wachgerüttelt, die Gleichem oder Ähnlichem bisher keine Beachtung geschenkt haben. Das Phänomen geht über Berlin hinaus, hat aber eine besondere Basis im berüchtigten Problembezirk Neukölln.

Mit den Zuständen im Bezirk kennt sich Liecke bestens aus, der seit Jahren, derzeit als Sozialstadtrat im Rathaus Neukölln arbeitet. Für TE sprach Matthias Nikolaidis mit dem Buchautor („Brennpunkt Deutschland“) und stellvertretenden Landesvorsitzenden seiner Partei.

Tichys Einblick: Am Wochenende war in Neukölln Stimmung: Tausende Muslime zogen mit Palästinaflaggen durch den Berliner Bezirk und riefen Parolen wie „du dreckiger Jude“. Soll das jetzt die neue Normalität im Land sein?

Falko Liecke: Das ist alles andere als normal, aber es ist leider auch keine Neuigkeit, sondern eine traurige Realität, gerade im Palästinenserkontext. Ich nenne nur die Al-Quds-Märsche, die ja auch regelmäßig in der Stadt stattfinden. Und wenn in dieser Weise offen zur Judenfeindlichkeit aufgerufen wird und antisemitische Sprüche skandiert werden, noch dazu vor einem Amtsgebäude, dann ist das ein absolutes No-Go. Eine wehrhafte Demokratie darf so etwas niemals als Normalität hinnehmen und irgendwie abtun, nach dem Motto: Na ja, ist halt ’ne kleine Minderheit. Ganz im Gegenteil, hier ist aus meiner Sicht die ganze Kraft des Staates gefordert. Und da passiert mir zu wenig.

Was kommt da Ihrer Meinung nach zum Ausdruck?

Der blanke Antisemitismus. Und den beobachten wir leider an ganz vielen anderen Beispielen in Neukölln, etwa wenn jüdische Kinder beim Sport oder auf der Straße angefeindet werden, Regenbogenflaggen abgerissen und zerstört werden. Mit unserer freiheitlich-liberalen Lebensweise können offenbar viele Menschen nichts anfangen. Das ist aber das, was die Mehrheit sich wünscht. Und deshalb sind solche Gruppen, die ganz offen zum Hass aufrufen, klar in die Schranken zu weisen. Ich finde, dass solche Demonstrationen auf unseren Straßen keinen Platz haben, zumal wenn solche Eskalationen von ihnen ausgehen.

Auch direkt auf den Treppen vor dem Rathaus Neukölln hat sich eine Menge versammelt. In einem Tweet heißt es, die Treppe sei gestürmt worden. War das so angemeldet?

Das weiß ich tatsächlich nicht, weil das im Bereich des Bürgermeisters [Martin Hikel, SPD, Anm. d. Red.] liegt. Der Rathausvorplatz ist kein öffentliches Straßenland. Aber es kann gut sein, dass die Versammlungsbehörde darüber entschieden hat. Das machen die manchmal, um andere Plätze freizuhalten.

Aber das ist schon eine sehr merkwürdige Verbindung: Allahu-akbar-Rufe von der Rathaustreppe, geschützt von der Berliner Polizei?

Ja, die Polizisten werden so wieder zum Prügelknaben der Nation, die das alles aushalten müssen, die versuchen, unsere Grundrechte durchzusetzen, und dabei verfassungsfeindliche Parolen auch noch schützen müssen. Tatsächlich wäre die Versammlungsbehörde – wenn sie dafür die Verantwortung trägt – gefordert, so etwas zu unterbinden.

Dann gab es diese merkwürdige Szene, in der ein Polizist einem Journalisten sagt, er müsse sich von der Demonstration fernhalten. Der Organisator geriert sich in diesem Moment, als ob er ein „Platzrecht“ ausübt. Was wurde denn hier durchexerziert?

Aus meiner Sicht ist das eine Einschränkung der Pressefreiheit, die nicht akzeptabel ist. Es geht ja gerade darum, über solche Veranstaltungen zu berichten und zu dokumentieren, was da skandiert und geäußert wird. Dass die Polizei dabei immer auf einem schmalen Grat wandert, um nichts zu eskalieren, ist mir auch klar. Aber für mich sind die Aggressoren ganz klar diese Demonstranten, die aus meiner Sicht unsere friedliche Ordnung stören und auch stören wollen.

Gäbe es denn Möglichkeiten, derartige Demonstrationen, auf denen ja nun wirklich Hass und Hetze verbreitet wird, auf dem Wege des Versammlungsrechts zu verhindern?

Wenn Sie mich politisch fragen, dann sage ich: Ja, solche Demonstrationen haben auf unseren Straßen nichts zu suchen. Versammlungsfreiheit hin oder her, aber wenn Menschen gezielt diffamiert werden, egal ob sie nun aus Israel kommen oder woanders her, dann wäre ich in der Abwägung der Grundrechte – Versammlungsfreiheit hier, Beschimpfungen und Diffamierungen da – gegen solche Demonstrationen. Im Zweifel muss so etwas natürlich auch verwaltungsgerichtlich standhalten. Aber da könnte der Senat ja auch mutig sein und eine Versammlung untersagen. Dann müssen die Veranstalter eben zum Verwaltungsgericht gehen, das dann darüber entscheidet.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat zu den Geschehnissen einen Tweet veröffentlicht: „Für Judenfeindlichkeit gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz. Hier muss der Rechtsstaat konsequent handeln. An antisemitische Beschimpfungen dürfen wir uns niemals gewöhnen – egal von wo und von wem sie kommen.“ Was fällt Ihnen dazu ein?

Daran ist erst mal nichts Verkehrtes, aber gerade als Innenministerin könnte sie ein solches Thema sicher stärker forcieren, selbst wenn sie es nicht in ihrem Ministerium entscheiden kann. Manchmal wirken Anrufe bei der Amtskollegin im Land Wunder, das wäre in diesem Fall die Berliner Innensenatorin Iris Spranger [auch SPD, Anm. d. Red.]. Faesers Aussage ist schön und gut, entspricht auch völlig meiner Auffassung. Aber die Frage ist, wer die politische Verantwortung hat und wer bereit ist, ein solches Thema anzugehen und auch klar durchzuziehen, damit solche Demos und Aufmärsche keinen Platz mehr auf unseren Straßen haben.

Frau Faeser sagt ja sonst immer, dass Rechtsextremismus unser größtes Problem sei, während der Islamismus bei ihr nie vorkommt. Und, oh Wunder, er kam auch in diesem Tweet mit keinem Wort vor.

Das ist tatsächlich ein Gesinnungsproblem bei der Bundesinnenministerin, dass sie immer nur nach rechts schielt. Aber das hier sind ganz klare islamistische Auswüchse beziehungsweise auch ein Missbrauch der Religionsfreiheit. Und die Demokratie hat viele Feinde, Verfassungsfeinde, von rechts wie von links – Linksextremisten sind ja teilweise bei solchen Aufmärschen auch dabei –, und das ist alles schädlich und muss ganz klar von den politisch Verantwortlichen im Land benannt werden. Da hat Frau Faeser tatsächlich eine Schwachstelle, dass sie auf dem linken Auge offensichtlich ganz blind ist und sich beim Thema Islamismus auch nicht klar positioniert. Wer als oberste Verfassungsschützerin solches nicht klar benennt und stattdessen herumlaviert, der hat sein Amt nicht verstanden und ist dieses Amtes auch nicht würdig. Hier braucht es klare Kante und kein Reden um den heißen Brei herum.


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