Bei Miosga: Söder sauer auf Wirtschaftsweise Schnitzer

Eine gesichert faktenauffällige Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, ein aalglatter Ministerpräsident Markus Söder und eine unbeholfene Moderatorin. Bei Caren Miosga brachte nur FAZ-Journalistin Julia Löhr etwas Realismus in die Debatte. Leider zu wenig. Von Brunhilde Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Bayernkönig Söder in seinem Element, Gesprächsthemen, teils so belanglos, dass es schmerzt, und eine Moderatorin, die noch hilfloser wirkt als sonst (ja, das ist möglich). Also alles wie immer bei Caren Miosga.

Es geht darum, ob Hendrik Wüst als Nikolaus auf Social Media besser punkten kann als Söder mit seinen Fressfilmchen. Darum, ob das jetzt beschlossene Rentenpaket die Koalition wohl hätte zu Fall bringen können. Ob Söder ein Kanzlerkandidat hätte sein können würden wollen sollen und ob er besser hätte gewesen sein können würde. Oder so.

Energieversorgung in Schutt und Asche
KKW Grafenrheinfeld: Kühltürme gesprengt – die Reaktionen
Viele gähnende Minuten lang geht es bei Miosga um Dinge, die wirklich absolut niemanden interessieren angesichts der Lage in diesem Land. Aber was soll man erwarten von einer Sendung, die eine gesichert überbezahlte Moderatorin mit dem Satz beginnt: „Wenn die Piloten Ihres nächsten Urlaubsflugs die Landung am Ziel nur knapp schaffen, werden Sie womöglich etwas mitgenommen sein.“ Damit beschreibt Miosga ziemlich genau auch das Befinden des Zuschauers am Ende ihrer Sendung.

Dünne Fragen und aalglatte Antworten. Als Essenz der ersten zehn Minuten Einzelgespräch bleibt an harten Fakten und klaren Aussagen so gut wie nichts übrig. Nur Söders persönliche Rentenperspektive vielleicht: „Ich arbeite, so lange es geht, da kann sich schonmal jeder drauf einstellen“. Eine unverhohlene Drohung.

Erst als die Runde um zwei Damen ergänzt wird, kommt Leben in die Bude. Monika Schnitzer (Vorsitzende des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“) glänzt dabei mit besonders ulkigen Faktenauslegungen. Die Chinesen, glaubt sie, hätten mit der E-Mobilität auf die Technik von Morgen gesetzt, und die Deutschen hätten das einfach verschlafen. Aber auf der IAA habe die Wirtschaftsweise gesehen, dass die Deutschen jetzt endlich auch „so ein Elektroauto“ bauen können. Jetzt müssten sie sich aber unbedingt auf die Technik von übermorgen konzentrieren, und das sei autonomes Fahren.

Die Partei-Herde zieht brav mit zum Metzger
Friedrich Merz stürzt Deutschland ins Chaos, die Pleite und den Klassenkampf
Wenn dieser Tage Zigtausende ihren Job verlieren, ist das für Frau Professor Schnitzer kein Problem, denn die würden ja alle „einen neuen finden“. Das Problem sei vielmehr: Menschen sind zu wenig bereit, „sich zu verändern“ und „mal woanders hinzugehen“. Die Lösung, so Schnitzer: „Momentan werden sie händeringend gesucht in der Rüstungsindustrie.“

Ein Einspieler mit BDI-Präsident Peter Leibinger bringt die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands aufs Tapet. „Es ist dramatisch“, sagt er, denn die bisherigen Insolvenzen und Kündigungswellen seien nur „die Spitze des Eisbergs“. Er sieht eine „schleichende Verlagerung von Wertschöpfung“ ins Ausland. Grund: „Viel zu hohe Kosten“ in Deutschland. „Wir bluten aus.“

Es ist der informativste Moment der ganzen Sendung, dieser unrühmlichen Ballung aus Bullshit und Banalitäten.

Julia Löhr (Wirtschaftskorrespondentin der ehemals angesehenen Zeitung FAZ), versucht, den Fakten-Faden aufzunehmen. Sie kritisiert, dass die Regierung auf Klientel- statt Wachstumspolitik setze. Jede Partei mache ihrer Wählergruppe kleine Geschenke, statt auf das große Ganze zu schauen. „Es geht uns offenbar immer noch nicht schlecht genug, dass es bei allen, inklusive bei Herrn Söder, ankommt, dass wirklich was geschehen muss.“

Das Ende der Illusion
Am Ende des Ökosozialismus wird es hässlich
Als ob er diese Kritik bestätigen wolle, fabuliert Söder über die Gesamtsituation, wie er sie so ausgemacht hat. Denn es sei ja schließlich eher „die Stimmungslage in der Wirtschaft“, die sich „dramatisch verschlechtert“ habe. Und die Gründe dafür? Söder nennt die Richterwahl vom Sommer und Trumps Zölle. Keine Pointe.

Söders Schwall an opportunistischen Nebelgranaten, sein ständiges Loben des eigenen Bundeslandes (er nennt Bayern in der Sendung ziemlich genau 57 Mal) ist für Löhr nur schwer erträglich. „Für mich zeugt das von einer gewissen Chuzpe“, sagt sie. „Wir bräuchten eine große Steuerreform, eine Rentenreform“, aber all das würde die Regierung ignorieren. Löhr: „Das Problem ist, dass es seit der Agenda 2010 keine wirklichen Wirtschaftsreformen mehr gab.“

Söder, der sich gegen ein Verbrenner-Aus ab 2035 ausspricht, wird per Einspieler mit einem Söder konfrontiert, der genau das vehement forderte. Das Filmchen ist gerade fünf Jahre alt. Und Söder? Sieht den Film an und bezweifelt danach, dass er gesagt hat, was er da gerade gesagt hat: „Ich bin mir net sicher.“

Löhr bilanziert: „Dieses Video ist ein schönes Beispiel für das Phänomen Markus Söder. Ich kenne keinen anderen Politiker, der sich so geschmeidig dem Zeitgeist anpasst, wie Sie das machen. Im Wahlkampf 2021 waren Sie für den Klimaschutz, Sie wollten die Bienen retten, haben Bäume umarmt, fanden die Grünen einen reizvollen Koalitionspartner. Wenige Jahre später das komplette Gegenteil. Jetzt sind Sie quasi die Speerspitze im Kampf gegen das Verbrenner-Aus, die Grünen sind des Teufels.“

Die Klimarechnung kommt
Deutschlands Klimavorreiter-Wahn: Milliardenbußen für CO2
Doch auch ein Söder lässt sich kitzeln. Als die Wirtschaftsmöglicherweisegarnichtsoweise den Agrardiesel kritisiert, reagiert er schnippisch. Die Subvention, so Schnitzer, sei ja „vor allem für die unproduktiven Unternehmen, wie wir sie in Bayern haben, denn da sind die landwirtschaftlichen Betriebe alle vergleichsweise klein.“

Das nimmt Söder persönlich: „Meine Höflichkeit gebietet, net zu sagen, was ich jetzt denke. Also alle bayerischen Landwirte sind doof? Ganz Bayern ist doof? Und die Automobilindustrie ist doof, alle sind doof, ja?“

Schnitzer fühlt sich missverstanden. Er solle Ihr nicht das Wort im Mund herumdrehen. Doch er dreht stattdessen nochmal genüsslich den Dolch in der Wunde, so sauer ist er: „Ich wusste gar nicht, dass Sie Professorin für Agrarwirtschaft sind.“

„Auch Damit habe ich mich beschäftigt“, sagt Schnitzer angesäuert. Söder: „Okay, Sie wissen alles, dann kann das natürlich sein.“

ARD-Talkshow-Niveau im Jahre 2025. Oder, um es mit der großen Philosophin Caren Miosga zu sagen: Wenn die Piloten die Landung gar nicht schaffen, werden wir alle womöglich etwas mitgenommen sein.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 0 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen