Bei Lanz: Trittin wittert rechte Verschwörung gegen Brosius-Gersdorf

Alt-Grüner Jürgen Trittin hält Jens Spahn für unfähig und die geplatzte Verfassungsrichterwahl für einen ungeheuerlichen Vorgang. Nichts Überraschendes. Unterhaltsam wird die Sendung durch einen chinesischen Politologen, mit einem Seitenhieb gegen Annalena Baerbock. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Die abgesagte Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht ist auch fast eine Woche später das Topthema des politischen Berlin. Die Abgeordneten der Unionsfraktion hatten es doch tatsächlich gewagt, ihrem eigenen Gewissen zu folgen – grundgesetzkonform, denn nach Artikel 38 sind Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet – und verweigerten einer linken Abtreibungsbefürworterin ihre Stimme. Seitdem herrscht große Aufregung. Besonders im linken politischen Spektrum und in den Mainstreammedien wird die Weigerung der Unionsfraktion als Anschlag auf “unsere Demokratie” gewertet.

Transformation der Gesellschaft
Die Brosius-Gersdorfisierung Deutschlands: ein Zwischenbericht
Auch die abendliche Talkrunde bei Markus Lanz befasst sich nochmal mit der abgesagten Wahl. Der ehemalige Abgeordnete der Grünen, Jürgen Trittin, ist erbost über den aus seiner Sicht ungeheuerlichen Vorgang. Er macht eine angebliche rechte Internet-Verschwörung für die abgesagte Wahl im Deutschen Bundestag verantwortlich. Sachlicher argumentiert ein chinesisch-stämmiger Politologe, der den Vorgang als gelebte Demokratie betrachtet.

China ist an diesem Abend das zweite große Thema. Politologe Xuewu Gu konfrontiert Trittin in der Sendung mit den diplomatischen Aussetzern seiner Parteifreundin Annalena Baerbock und hat auch noch einen Seitenhieb für die frischgebackene New Yorkerin parat. Die Sendung ist vor allem wegen der Expertise von Gu durchaus unterhaltsam und sehenswert.

Droht Deutschland ein rechter Kulturkampf?

Jürgen Trittin ist in die Jahre gekommen. Der Norddeutsche kann auf eine lange und für ihn persönlich erfolgreiche Karriere zurückblicken. Viele Politiker verändern im Alter nochmal ihren politischen Kompass und vertreten dann gemäßigte politische Positionen. Trittin gehört nicht zu dieser Gattung altersmilder Politiker. Er steht wie zu seiner Anfangszeit als junger Kommunist in der Studentenbewegung ganz weit links. Deshalb ist aus seiner Sicht die abgesagte Wahl das Zeichen für etwas Schlimmes. „Sie führen einen Kulturkampf von Rechts“, raunt er den Kritikern der linken Jura-Professorin Brosius-Gersdorf entgegen.

Saskia Ludwig im Visier
FAZ greift Kritikerin von Brosius-Gersdorf massiv an
Es will ihm nicht in den Sinn, dass es durchaus berechtigte Kritik an einer Frau geben kann, die sich zu vielen juristischen Fragen kontrovers und polarisierend geäußert hat. Für Trittin ist die Sache ganz einfach. „Es gab eine rechte Kampagne“, beklagt er. Eigentlich kommen Kampagnen eher von links. Die Linken haben die Kampagne als politisches Stilmittel erfunden. Jetzt ist der Grüne sauer, dass die Konservativen bei den Linken abgekupfert haben.

Allerdings richtet sich seine Wut nicht nur gegen die vermeintlich bösen Konservativen im Netz, sondern auch gegen Jens Spahn. Trittin kritisiert: „Jens Spahn kann seinen Job nicht.“ Damit liegt der ehemalige Göttinger Bundestagsabgeordnete nicht ganz falsch. Hätte Jens Spahn ein bisschen Recherche betrieben, als Brosius-Gersdorf als Kandidatin aufs Tableau kam, so hätte er damals schon abwinken können. Allerdings hatten sowohl Jens Spahn als auch Friedrich Merz Besseres zu tun und winkten die Kandidatin durch. Die Journalistin Antje Höning kritisiert dies. „Die Union ist schlecht vorbereitet“, meint sie dazu. Auch sie gibt Fraktionschef Spahn die Hauptschuld. „Jens Spahn ist schneidig in der Ansprache, aber vermasselt das Gesellenstück“, erklärt Höning.

Für den chinesisch-stämmigen Politologen Xuewu Gu ist die ganze Aufregung wenig nachvollziehbar. Er erklärt den verdutzten Talkgästen, dass eben jener Vorgang in der Fraktion ein Beweis dafür sei, dass die Demokratie in Deutschland funktioniere. „Es ist kein Drama“, sagt Gu trocken. Er trifft den Nagel auf den Kopf. Als die Grünen einen CDU-Kandidaten für das Verfassungsgericht als zu konservativ empfanden und ablehnten, gab es die Aufregung der letzten Tage nicht. Es mangelt vielen angeblichen Freunden der Demokratie daran, parlamentarische Prozesse zu akzeptieren, wenn sie nicht wie gewünscht verlaufen. Vielleicht sollten Trittin und Co. bei der AfD-Fraktion nachfragen, was es heißt, das Vorschlagsrecht für einen Kandidaten für ein Amt zu haben, der dann aus Prinzip immer wieder abgelehnt wird.

Baerbock würde in der chinesischen KP nicht ausgewählt

Auch Annalena Baerbock musste natürlich einen Kommentar zur abgesagten Richterwahl abgeben. Aus New York schrieb sie in den sozialen Medien, dass sie es persönlich kenne, wenn qualifizierten Frauen der Job weggenommen wird. Sie meinte damit sich selbst, was nicht ganz ohne Ironie ist. Schließlich war es Baerbock selbst, die einer klugen und hoch angesehenen deutschen Diplomatin den wohlverdienten Job bei der UN wegschnappte.

Interview mit Wolfgang Herles
Ein Brandmauerproblem: Verfassungsgericht wird politisiert
In China hätte Annalena Baerbock diese steile Karriere eher nicht machen können. „Frau Baerbock würde nicht ausgewählt für die KP“, mutmaßt Professor Xuewu Gu. Der Kader der kommunistischen Partei werde nach Leistung ausgewählt, berichtet er. Ein klarer Seitenhieb gegen die Grüne, was Parteifreund Trittin sofort versteht. „Annalena Baerbock würde dort gar nicht mitmachen wollen“, entgegnet Trittin sichtlich eingeschnappt. In China sei man immer noch darüber verärgert, dass Baerbock den Vorsitzenden der KP Xi als Diktator bezeichnet hatte, erklärt Gu.

Trittin möchte Baerbocks diplomatisches Elefanten-Getrampel im China-Laden ins rechte Licht rücken. „Die deutsche Industrie hat ihre Haltung gegenüber China geändert“, rechtfertigt er. Seine Parteifreundin habe dies in ihrer Kommunikation nachvollzogen, erklärt Trittin. „Baerbock hat die Chinapolitik von Naivität befreit“, lobt der ehemalige Abgeordnete. Ob Baerbock die deutsche Chinapolitik oder diplomatische Benimmregeln wirklich verstanden hat, ist fraglich. Was Trittin unterschlägt, ist, dass der deutsche Kanzler Olaf Scholz die Chinapolitik zur Chefsache machte und ganz andere Töne wählte. Er soll sich sogar für die ein oder andere Aussage von Baerbock bei den Chinesen entschuldigt haben.

Journalistin Antje Höning fasst Baerbocks außenpolitisches Wirken treffend zusammen: „Sie hat Außenpolitik gemacht, um innenpolitisch zu punkten.“ Zusammenfassend lässt sich über den Talk sagen, dass er vor allem von der sachlich-nüchternen Expertise des Xuewu Gu profitiert und deswegen recht kurzweilig war. Auch wenn größere Erkenntnisgewinne ausblieben.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 91 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

91 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Monostatos
4 Monate her

„Rechte Kampagne“, „Kulturkampf“, und wie all die Phrasen aus der linken Ecke heißen, wenn man bei dem Versuch der finalen Gleichschaltung des Bundesverfassungsgerichts ertappt wurde. Es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass die DIREKT GEWÄHLTEN ABGEORDNETEN der Union das Gewissensmandat ernst nehmen und die LINKSEXTREMISTISCHE KULTURREVOLUTION STOPPEN. Ansonsten findet sich die Union in der Opposition wieder und wird ebenso wie die AfD verboten. Die Brandmauer ist die ultimative Dummheit, wenn man sich diesseits derselbigen mit den linksextremen Brandstiftern befindet. Näheres ist bei Max Frisch zu lesen.

HansKarl70
4 Monate her

Das Sonne und Wind keine Rechnung schicken, ist die Unprofessionellste Aussage die jemals gemacht wurde. Passt aber gut zu Herr Trittin und seiner Partei.

BuffettWarren
4 Monate her

Euronews hat am 15.07.25 folgende Headline: Verfassungsgericht – „Brosius-Gersdorf würde Schulden-Deal von SPD, CDU und Grüne sichern“ Zitat: „Die Regierung machte 900 Milliarden Schulden mit Hilfe des alten Bundestages. Dagegen laufen aktuell Verfassungsklagen. „Dass Brosius-Gersdorf und Kaufhold oberste Richter werden sollen, ist kein Zufall“, meint Marcel Luthe zu Euronews. „Sie würden den Schuldendeal von SPD, Union und Grüne sichern.“ ……. Es sprudelt die Gerüchteküche im Berliner Regierungsviertel über die Gründe, warum die Unions-Führung diesen Deal mit der SPD eingefädelt haben könnte. Denn: Brosius-Gersdorf – die nach diesem Deal Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts werden sollte – ist mit ihrer Ansicht, dass die… Mehr

Hinrich Mock
4 Monate her
Antworten an  BuffettWarren

Nicht nur das. Frau Kaufhold hat ja sinngemäß gesagt, daß wichtige Entscheidungen (Klima) aus Angst vor den Wählern durch die Parlamente oft nicht getroffen würden und es daher anderer Institutionen bedürfe, diese vorzugeben. Das umstrittene sogenannte Klimaurteil des BVerfG ist dafür bereits eine Blaupause. Man sucht sich Kläger und das Gericht beschließt entsprechend. Es ist eine Umgehung der Legislative und die Linken sichern sich trotz schwindender Wähler*innen einen maßgeblichen politischen Einfluß. Natürlich ist es ihnen vollkommen egal, wenn sie damit die Judikative schwer beschädigen.

CasusKnaxus
4 Monate her

Ja wie ging der Spruch: dumm ist es, wenn man auf seine eigene Propaganda reinfällt…

CasusKnaxus
4 Monate her

Ich hoffe, niemand hier von den werten Lesern würde Erkenntnisgewinne aus Lanz`Talkrunde erwarten, geschweige denn freiwillig anschauen? Trittin verhält sich so wie er es beim KB gelernt hat: Kritiker der Sozialisten? Alles Nazis, führen „rechte Schmierenkampagne“. Sofort die Antifa-Hammer wetzen…

Michael M.
4 Monate her

Oh mein Gott, Leute die sich immer noch Sendungen mit solchen Clowns 🤡 anschauen sind doch ziemlich sicher selber welche.

Last edited 4 Monate her by Michael M.
Ulrich
4 Monate her

„… das Vorschlagsrecht für einen Kandidaten für ein Amt zu haben, der dann aus Prinzip immer wieder abgelehnt wird.“ Da gibt es einen gewaltigen Unterschied: Frau Brosius-… ist nicht „aus Prinzip“ abgelehnt worden, sondern weil sie in verfassungsrelevanten Fragen eine linke Haltung durchblicken ließ, die an ihrer Unparteilichkeit im Richteramt berechtigt zweifeln lässt. Sie ist zwar Juristin, hat aber nie im Richteramt gearbeitet und musste deshalb auch nie ihre Unparteilichkeit beweisen. Und das macht den Unterschied: von linker Seite erfolgt eine Beurteilung immer entsprechend Haltungsgründen, erst nachfolgend aus fachlicher Sicht. Aus konservativer Sicht hat das Fachliche Primat. Einer der Gründe,… Mehr

Walter.Reichert
4 Monate her

350 Tage im Jahr demonstrieren und schreiben hunderttausende staatlich finanzierte NGOs gegen Rechts und für die Demokratie. Wenn nun mal einige Tage Contra aus der Mitte der Gesellschaft erfolgt, sprechen diese extrem Linken von rechter Verschwörung. Die ganzen lieben Mitmenschen haben noch gar nicht realisiert, dass sie sich inzwischen kilometerweit von der Mitte der Gesellschaft wegbewegt haben. Sie meinen immer noch, sie wären lediglich ein bisschen mehr links als die Mitte. Das Zauberwort heißt Selbstreflexion, dazu sind sowohl die Mitglieder und Abgeordneten der Rasenpartei als auch der SED anscheinend überhaupt nicht mehr fähig.

Last edited 4 Monate her by Walter.Reichert
Raul Gutmann
4 Monate her

Herr Trittins Anklage, die Kritiker von Frau Brosius-Gersdorf führten „einen Kulturkampf von Rechts“ trifft zu, doch anders als von ihm intendiert.
Denn entgegen den von den Medien umschmeichelden Gutmenschen führen die wenigen verbliebenen Bürgerlichen, genannt „die Rechten“ (»Die Wirklichkeit ist immer rechts.« – Joachim Fest, FAZ-Herausgeber) seit Jahren einen schmerzhaften Abwehrkampf gegen eine globalistische Linke, welche die Botschaft einer variantenreichen Philosophie des Todes mit den Stichworten Klima, Überbevölkerung, Energie etc. transportiert.

Raul Gutmann
4 Monate her

Die seit geraumter Zeit einsetzende Entwicklung einer in sich verkehrenden Welt setzt sich fort.
In der „guten alten Zeit“ flohen russische Dissidenten in den Westen – heute suchen westliche „Systembeschmutzer“ Schutz in Moskau.
In der „guten alten Zeit“ (er)lebte man bewußt die westliche Freiheit gegenüber der chinesischen Parteiendiktatur – heute kann man sich berechtigter chinesischer Kritik am hiesigen Politsystem nicht erwehren.
Es mag verkürzend sein, doch könnte das die Folge des Monarchiensturzes 1918 sein?