Bei Lanz: Deutschlands Sozialstaat droht der Kollaps

Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann bezweifelt große Einsparungen im Bürgergeld. Rentenzahlungen könnten in wenigen Jahren den Staat in die Knie zwingen. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Selten hat eine neue Bundesregierung so schnell ihren politischen Kredit beim deutschen Wahlvolk verspielt wie die amtierende Regierung mit Friedrich Merz als Kanzler. Mehr als zwei Drittel der deutschen Wähler sieht die aktuelle Regierung kritisch. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Bundesbürger erst dieses Jahr im späten Winter gewählt haben, sind die Zustimmungswerte ein signifikantes Indiz für einen katastrophalen Fehlstart.

Im frühen Herbst dieses Jahres nun wollen die angeschlagenen Koalitionäre aus Union und SPD das Ruder herumreißen. Es sollen endlich überfällige Reformen des überbordenden Sozialstaats angepackt werden. So zumindest verspricht es der Kanzler vollmundig. Allerdings hat er die Rechnung ohne die SPD und ohne den Koalitionsvertrag gemacht. Dort steht fast gar nichts von größeren Reformen des Sozialstaats. Die bockige SPD will nichts von Einsparungen wissen und deshalb tituliert SPD-Chefin Bas die Einsparpläne des Kanzlers unflätig als “Bullshit”.

Die donnerstägliche Talkrunde bei Lanz legt an diesem Abend den Fokus auf den Sozialstaat. In der Sendung fehlen allerdings hochkarätige Gesprächspartner mit Prokura in der Praxis. Britta Haßelmann hat als Oppositionspolitikerin gar keine Gestaltungsmacht, und Johannes Winkel verfügt als Chef der Jungen Union zwar über Einfluss, aber nur über sehr wenig. Trotzdem ist der Talk interessant. Offenbart die Diskussion doch das politische Kernproblem des Landes. Die konservativen politischen Kräfte möchten Deutschland vor dem finanziellen Kollaps bewahren und pochen auf Reformen des Sozialstaats. Linke Parteien hingegen möchten am liebsten noch mehr Sozialstaat und gar keine Reformen.

Weil sich die Union weigert, eine bürgerliche Mehrheit im Bundestag zu nutzen, kommt es zu einer politischen Blockade von nötigen Reformen durch linke Parteien in der Regierung. Trotzdem kommt niemand in der Runde auf die Idee, dass es eigentlich naheliegend ist, dass es eine andere Koalition in Deutschland braucht, weil es die aktuelle nicht bringt.

Niemals wird die Koalition beim Bürgergeld sparen

Obwohl die Grünen nach der Ampel eigentlich in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden sind, werden grüne Funktionäre weiterhin als gern gesehene Dauergäste in die diversen Talkrunden des Landes geladen und medial hofiert. Ein häufiger Gast in den Sendungen von ARD und ZDF ist Fraktionschefin Britta Haßelmann. Diese ist sichtlich erfreut über die in den Seilen hängende Koalition. “Die Regierung steht schon jetzt dort, wo die Ampel gegen Ende stand”, analysiert sie süffisant grinsend.

Haßelmann stellt der aktuellen Regierung ein schlechtes Zeugnis aus. “Die Regierung funktioniert nicht”, meint die Bielefelderin. Mit dieser Einschätzung ist die ehemalige Sozialarbeiterin nicht allein. Teilen doch fast 70 Prozent der Menschen in Deutschland die gleiche Einschätzung.

Wirklich punkten können die Grünen mit ihrer Kritik an der Regierung nicht. Die Ökosozialisten haben sich bei kümmerlichen elf Prozent in den Umfragen eingependelt. Die Tendenz zeigt nach unten. Auf dem gleichen dürftigen Niveau in den Umfragen liegt die SPD. Obergenossin Bärbel Bas nannte bei einer Veranstaltung der Jusos in NRW die Einsparpläne von Kanzler Merz “Bullshit”.

Der Chef der Jungen Union sieht den Auftritt von Bas sehr kritisch. “Es ist kein gutes Benehmen”, kritisiert Johannes Winkel die Bundesarbeitsministerin. “Gerade beim Bürgergeld gibt es großes Einsparpotenzial”, erklärt der Jurist. Britta Haßelmann glaubt nicht an Einsparungen des Bürgergelds. “Niemals wird die Regierung im Bürgergeld große Summen einsparen”, mutmaßt Haßelmann. Damit dürfte sie recht haben. Die derzeitige Rechtsprechung in Deutschland verhindert Kürzungen von Sozialleistungen. Die Koalition müsste erst das Gesetz ändern, um beispielsweise die Regelsätze im üppigen Bürgergeld kürzen zu können.

Aktuell kann die Regierung lediglich eine Nullrunde beschließen. Für den Journalisten Michael Bröcker ist die Blockadehaltung von Bas ein Unding. “Dass Bas Reformen verweigert, ist fast schon unverschämt“, poltert er. Aus seiner Sicht ist das System in Deutschland krank. Es sei einer Marktwirtschaft unwürdig, wenn eine Geringverdiener-Familie nur aufgrund von Sozialleistungen mehr Geld habe als eine Bürgergeld-Familie, beklagt Bröker.

Der Renten-Kollaps steht ins Haus

Obwohl man meinen könnte, dass 50 Milliarden für Bürgergeld eine große Belastung für den Sozialstaat sind, sollte man nicht vergessen, dass die eigentliche fiskalische Brandbombe die Renten und Pensionen in Deutschland sind. Johannes Winkel schlägt deswegen Alarm. “2029 kollabiert das System”, prophezeit der Bundestagsabgeordnete.

Auch Britta Haßelmann sieht naturgemäß weniger das Bürgergeld als die Rente als Herausforderung an. “Das Bürgergeld macht nur 4,2 Prozent des Sozialetats aus”, erläutert sie. Reformvorschläge für das Rentensystem hat sie nicht zu bieten.

Ganz anders Winkel. Der Staat würde Frühverrentung subventionieren, beklagt er. “Die Rente mit 63 muss abgeschafft werden”, fordert er. Er spekuliert: “Es kann eine stille Kündigung des Generationenvertrags geben.” Jüngere Arbeitnehmer könnten tatsächlich in den kommenden Jahren Deutschland verlassen, um der erdrückenden Abgabenlast zu entkommen. Reformen in Sachen Rente wird es mit der SPD aber so schnell nicht geben. Die geschrumpften Genossen sind auf ältere Wählerschichten angewiesen und wollen diese nicht vergraulen. Deshalb wird die Union nicht umhinkommen, der SPD im Gegenzug für Reformen etwas zu bieten.

“Die Union wird einzelnen Steuererhöhungen zustimmen”, berichtet Journalist Michael Bröcker. Er glaubt aber nicht an eine schnelle Wandlung zum Besseren. Erst müsse man buchstäblich in der Scheiße sitzen, bevor gehandelt werde, glaubt Bröcker. “Proaktiv sollten Reformen angegangen werden”, ist sein Ratschlag an die Politik.

Die Quintessenz der politischen Plauderrunde an diesem Donnerstag ist aber, dass die politische Kaste in Deutschland nicht dazu bereit ist, proaktiv zu handeln. Weite Teile der etablierten Parteien verteidigen lieber einen nicht zu haltenden Status Quo und verweigern sich den Gegebenheiten der Zeit. Die Angst um das eigene politische Fortkommen hindert Politiker daran, mutige Entscheidungen zu treffen. Von einer Regierung unter einem Kanzler, der so ziemlich jedes Versprechen bricht, um seine Position abzusichern, ist ohnehin nicht viel Positives zu erwarten.

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Kommentare ( 96 )

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St.Elmo
3 Monate her

Das ganze ist doch nur noch eine Grotesek, die Union hat unterbewusst erkannt wo das Problem liegt, da Sie aber nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen arbeiten sie mit der SPD die die Probleme nicht sehen will und verhindert das die Probleme gelöst werden.
Aus Angst vor dem medialen Tod begeht die CDU erweiterten Suzizd und nimmt Deutschland mit in den Tod.

HarryDax
3 Monate her

Deutschlands Sozialstaat droht der Kollaps ist ja als meine Rede seit 30 Jahren!
Das ist uns allen ja nix neues. Wir brauchen Ausländer, ja so heißen die nun mal. Deutsche Staatsbürgenschaft zu verraten und verramschen macht das auch nicht besser.
Muslime sind keine guten Einwanderer, meiner Meinung nach. Wer sich nun darüber aufregt, ach hier regt doch doch niemand über meine Meinung auf. Das ist doch das Problem, weil die Linken und Gutmenschen sich ganz woandes aufhalten!

Simplex
3 Monate her

Eine Netto-Rente von 1.300,- € entspricht ungefähr 1650,- € Brutto. Das ist viel zu viel fürs Nichtstun. Sie muss runter auf 900,- netto und zwar rückwirkend zu 2020. Alle Rentenbescheide müssen einkassiert und die überzahlten Renten zurückgezahlt werden. Die Boomer können froh sein, wenn sie der Lagerhaft entgehen und noch Flaschen sammeln dürfen.

Kaiser
3 Monate her
Antworten an  Simplex

Sehr gern, wenn mir meine und die von den Arbeitgebern gezahlten Rentenbeiträge (bei mir insgesamt etwas mehr als 200.000.- Euro) ausgezahlt werden.
Dann bin ich nicht mehr auf Almosen angewiesen.

verblichene Rose
3 Monate her
Antworten an  Simplex

Hat Ihr Pseudonym etwas mit Ihrem Gemüt zu tun?

Teiresias
3 Monate her

Das Kernproblem sind umlagefinanzierte Renten- und Sozialysteme, deren Auszahlungsansprüche unabhängig von der Wirtschaftsleistung geplant sind im blinden Vertrauen, daß das Geld schon irgendwie erwirtschaftet wird.

Das deindustrialisierte Deutschland kann die im Industriedeutschland erworbenen Rentenansprüche nicht bedienen.

Ausserdem konkurrieren die Rentenansprüche mit den Kriegskosten der Ukraine, welche wir warum nochmal übernehmen? Bündnisverpflichtungen?

Welche Prioritäten „unser“ Blackrock-Kanzler diesbezüglich hat, ist offensichtlich.

Mit Nordstream wurden auch unsere Renten- und Pensionen gesprengt.

Last edited 3 Monate her by Teiresias
Hieronymus Bosch
3 Monate her

Die Rente mit 63 gibt es schon längst nicht mehr! Also, was soll das? Das sind doch alles nur Nebelkerzen und dummes Gerede! Wer 45 Jahre und länger in die Sozialkassen eingezahlt hat, soll nicht früher verrentet werden? Darüber kann man doch nur lachen! Und die Jungen reden über die 35-Stunden-Woch, Vier-Tage-Woche und Home-Office! ja, die Armen, dass sie sich bloß nicht überarbeiten! Weg mit der Massenmigration, weg mit der staatlichen Alimentation von Arbeitsverweigerern, weg mit den ewigen Kindergelderhöhungen! Das wären die ersten Schritte!

Dr. Rehmstack
3 Monate her

Dieser Bericht gibt die Sendung nur sehr unvollständig wieder, dabei gäbe es durchaus Aspekte, die es zu berichten lohnen würde: so zum Beispiel, das vollständige Ignorieren das 2/3 der Bürgergeld Empfänger nicht Deutsche sind, kein Wort darüber, oder zum Beispiel der sehr interessante Beitrag von Frau Güner Balci, die berichtete wie muslimische Subkulturen ganze Stadtviertel zum Kippen bringen und das mit nur einer Großfamilie oder diese unsägliche Falschheit der Frau Hasselmann, die sich immer wieder als Feministin selbst belobigte und leugnete, daß es nach der Kölner Silvesternacht eben keine rückhaltlose Verteidigung der weiblichen Opfer, wie sonst bei den Grünen zwingend… Mehr

Hieronymus Bosch
3 Monate her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Gerade hat ein 17-jähriger Kosovare an einem Berufskolleg in Essen eine Lehrerin mit dem Messer attackiert. Bei seiner Festnahme ist er auch mit einem Messer auf die Polizisten losgegangen! Das reicht doch, oder?

moniamo
3 Monate her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Nicht nur als „Feministin“, sondern auch als „Demokratin“ lobte sie sich, was ich als sehr peinlich empfand. Darüber hinaus „verbat“ sie sich das „Belehren“ durch Herrn Winkel – eine unerträgliche Frau, nicht nur die Stimme, sondern auch die Gestik und Mimik. Mit dieser Frau werden die Grünen nicht einmal einen Blumentopf gewinnen – bitte nicht weitersagen, das ist ganz und gar in meinem Sinne.

November Man
3 Monate her

Eine der ersten Lösungen ist die Re-Migration. Schickt man nur 5 Millionen der geschätzt 10 Millionen Migranten, die hier her gekommen sind, aber meistens nichts in die Sozialsysteme einzahlen, sondern nur von ihnen leben, wieder nach Hause, könnte man locker einige hundert Milliarden Kosten, Ausgaben und Aufwand einsparen. Die Entlastungen für unser Land wären riesig. Von den Finanzen, bis zum Verwaltungsaufwand, Behörden, Flugbereitschaft, Gerichte, Polizei bis hin zu unserer wiedererlangten Sicherheit. Energiewende sofort abschaffen. Die hundert Milliarden für den grünen Klimawahnsinn sofort sperren und einsparen. Genauso das Geld für linksextreme NGOs, Demokratie leben und Entwicklungshilfe. Und auch das Geld und… Mehr

Elmar
3 Monate her

Der Radweg für 350 Millionen Euro in Peru ist übrigens ganze 4 Kilometer lang und war laut Augenzeugen bereits vor der Spende aus Berlin zum Großteil vorhanden. Im Wesentlichen wurden nur Schilder ausgetauscht, auf denen jetzt -Radweg statt Fußweg steht.

Simplex
3 Monate her

Um mit Fratzscher zu sagen: Die Boomer-Rentner sollen 2 x dienen und aufs BGE-Niveau reduziert werden. Raus aus den großen, billigen Mietwohnungen und den Eigenheimen – Platz machen für die neuen Herren und junge Generation. Ab unter die Brücken oder an die Ukraine-Front, dann sind wir sie los!

Last edited 3 Monate her by Simplex
November Man
3 Monate her
Antworten an  Simplex

Auch die Boomer konnten sich weder ihre Eltern noch den Zeitpunkt ihrer Geburt aussuchen. Der Fratzscher hat doch bestimmt einen Vogel.

Mikmi
3 Monate her
Antworten an  Simplex

Eine große Wohnung kann sich nur der leisten, der auch gut verdient hat und das gleich ist bei der Rente so, wer sich viele Rentenpunkte erarbeitet hat, der bekommt auch die Rente. Viele Kinder in die Welt setzen, ist keine Lebensleistung und anderen dann die Wohnung streitig machen, ja, das ist erbärmlich. Die neuen Herren, man bringe dein Leben auf die Reihe.

Ulrich
3 Monate her

Gesetzt dem Fall, die AfD wird nicht verboten und kommt in Regierungsverantwortung. Dann steht sie vor dem Trümmerhaufen eines Sozialstaates, den die Altparteien verursacht und aktuell immer weiter vergrößern. Ein Aufräumen geht dann nicht mehr ohne schmerzhafte Einschnitte und mit einem mühseligen Kampf gegen links-grün unterwanderte Gerichte. Und dazu das schadenfrohe Grinsen derer, die das alles verursacht haben und die ganze Schuld dieser Misere bei der AfD abladen werden. Das Ganze unter dem Beifall einer bildungsmäßig verlotterten Bevölkerung, die eine AfD nach dem Motto gewählt hat: :“Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ . Wobei der wachsende Einfluss… Mehr

November Man
3 Monate her
Antworten an  Ulrich

Die AfD hat dann die Möglichkeit, wie z.B. über Abschaffung von Target II, der massiven Reduzierung der Migrationskosten, der Abschaffung von NGOs, Entwicklungshilfe, Ukrainehilfe und der Einsparung der 100 Milliarden für den sinnlosen Kampf gegen das Klima mehrere Billionen Euro eingespart werden können. Und dann sieht die Sache schon anders aus. Man muss es nur wollen und machen.

Ulrich
3 Monate her
Antworten an  November Man

Ihr Wort in Gottes Gehörgang! Aber wenn man bedenkt, wie groß der Staatssektor mit den angeschlossenen NGOs und den über Bürgergeld finanzierten linken Schlägertrupps der Antifa ist, die dann alle um ihre Existenz fürchten, ist ein Kampf an allen Fronten sehr wahrscheinlich. So schnell können Gesetze garnicht korrigiert werden, wie den Klagen dagegen vor Gericht stattgegeben wird. Und von argentinischen Verhältnissen, dass ein Kanzler/Präsident per Dekret alle Beamten entlassen kann, sind wir meilenweit entfernt. Ganz zu schweigen von den Zugewanderten, die sich um die „Früchte“ ihrer weiten Reise ins Gelobte Land gebracht sehen werden. Und weil wir gerade bei Argentinien… Mehr