Schokolade statt Steak – was die Deutschen wirklich essen

Der aktuelle Ernährungsreport „Deutschland wie es isst“, zeigt ein Land, das über Moral, Gesundheit und Nachhaltigkeit spricht, doch im Alltag ganz anders entscheidet.

picture alliance/dpa | Elisa Schu

Zwischen Süßhunger, schnellen Mahlzeiten und bröckelnden Ansprüchen wird deutlich, wie stark Bequemlichkeit und die Inflation unsere Ernährung bestimmen. Die Zahlen zeigen, dass die Deutschen anders essen, als sie reden.

Hätte man noch vor ein paar Jahren gesagt, man kauft oder isst Fleisch, wäre direkt jemand mit der Moralapostelkeule um die Ecke gekommen. Umso überraschender ist, dass 2016 noch 70 Prozent eine artgerechte Haltung der Tiere als sehr wichtig empfanden, während es dieses Jahr nur noch 59 Prozent sind. Woran mag der sinkende Wert wohl liegen?

Zu diesem Phänomen passt überraschenderweise auch, dass Menschen ab 45 Jahren häufiger auf umweltschonende Produktionsmethoden achten als die jüngeren Befragten. Diejenigen, die in der öffentlichen Darstellung oft als „die junge, klimabewegte Generation“ verkauft werden. Die Generation, die angeblich jeden Freitag bei „Fridays for Future“ mitmarschiert ist. Die Zahlen zeigen, dass es, anders als es die Medien glauben machen wollen, eben nicht die jüngere Generation ist, die sich für diese Themen einsetzt. Wo bleibt nur die Moral der Hafercappuccino-Generation, wenn es um umweltschonende Methoden geht?

Besonders die älteren Befragten, also der Generation, der die Jüngeren gerne Trägheit und Traditionalismus nachgesagt haben, zeigen beim Thema Umwelt Haltung. Ist das nicht lustig?

Am spannendsten ist jedoch zu beobachten, dass der tägliche oder sogar mehrfach tägliche Konsum von Süßigkeiten mit sage und schreibe 23 Prozent deckungsgleich ist mit dem Konsum von Fleisch und Wurst mit 24 Prozent. Während immer weniger Frauen Fleisch konsumieren, greifen sie anscheinend dann aus Kompensationsgründen lieber zum Snickers-Riegel.

Frauen essen nicht nur weniger Fleisch als noch vor ein paar Jahren, sie setzen im Vergleich zu Männern auch immer mehr auf die schnelle und einfache Küche. Damit löst sich die romantische Vorstellung mancher Männer, dass Frauen gerne stundenlang in der Küche stehen, wohl in Luft auf. Sind wir Frauen einfach nur erschöpft und müde davon, immer allem und jedem gefallen zu wollen, oder wissen wir einfach nur besser, mit unserer Zeit umzugehen?

Auffällig ist auch, dass jüngere Menschen und die mittleren Alters, sich häufiger Essen liefern lassen. Mag es an dem Smalltalk liegen, dem man zwischen den engen Supermarktregalen halten muss und aus dem Weg gehen möchte? Oder liegt es daran, dass die Menschen seit Corona soziale Interaktionen scheuen und jeder lieber auf sich selbst fokussiert ist? Wer schaut schon gerne in fremde Augen, wenn es Smartphones gibt.

Interessant ist auch die Sorge um die Kalorien beim Essensverzehr. Je älter die Menschen werden, desto mehr schauen sie auf die Kalorienangaben. Das liegt sicherlich daran, dass überschüssige Pfunde im Alter hartnäckiger bleiben als noch in den Zwanzigern, wo man massenhaft Fastfood in sich rein stopfen konnte. Die Älteren wissen: Wenn ich dieses Stück Kuchen jetzt noch esse, könnte zu meiner einen Speckrolle noch eine weitere dazu kommen.

Während die Älteren Kalorien zählen, beschäftigt die Jüngeren eine ganz andere Sorge: die Zukunft der Lebensmittelproduktion. Je jünger, desto wichtiger ist den Deutschen die Produktivität der Landwirtschaft. Die unter 30-Jährigen glauben besonders stark an technische Lösungen, insbesondere an Modelle wie das der urbanen Landwirtschaft, bei der die Lebensmittelproduktion an die Stadt angepasst werden soll. So könnten es zum Beispiel passieren, dass wir Erdbeeren bald nicht mehr vom Feld holen, sondern vom 14. Stock unseres Penthouses zwischen Dachterrasse und Mobilfunksender. Wenn’s gut schmeckt, fragt sich am Ende sowieso keiner mehr, wie hoch man dafür fahren musste.

Am Ende zeigt der Ernährungsreport vor allem eines: Die Deutschen essen, wie sie wirklich leben, und nicht, wie sie vorgeben zu sein. Das ist vor allem widersprüchlich, bequem und immer mit dem willigen Gedanken dahinter, alles richtig zu machen. Vielleicht sind wir also nicht, was wir essen, sondern was nach stressiger Arbeit, Moralvorstellungen und Inflation noch auf den Tellern übrig bleibt.

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Kommentare ( 27 )

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joly
2 Tage her

Ich stelle diesbezüglich fest, dass ich fast keine Wahl mehr habe – nicht nur beim Essen.
Es scheint, dass bei allen Nahrungsanbietern das Tierwohl wichtiger als das Menschenwohl ist. Beim Ei interessiert es mich nicht ob das dazugehörige Huhn das Ei im Käfig, auf den Boden oder ins verschissene Gras legt. Mir ist nur wichtig, dass es frei von Salmonellen, Antibiotika und sonstigen Giften ist.
Es interessiert mich auch nicht ob ein Schlachttier psychotherapeutisch auf sein Ende vorbereitet wird. Wichtig ist mir der Preis – sonst nichts. Mangelnden Geschmack überdecke ich mit Gewürzen.

hoho
11 Tage her

Wenn der Deutsche bereit ist den Preis zu zahlen, die man für die Erdbeere aus dem urbanen Anbau verlangt, dann geht diesem Land immer noch sehr gut oder leben die befragten immer noch bei den Eltern?

Iso
11 Tage her

Wahrscheinlich ist es ein Privileg der Stadtmenschen, über artgerechte Haltung von Tieren bestimmen zu wollen. Dass Nutztiere über Jahrtausende nicht stubenrein geworden sind und deren Stallungen in Haltungsklassen eingeteilt werden, ist auch so eine zeitgeistige Erziehungsmaßnahme. UNSER Staat und SEINE NGOs haben schließlich überall ein Wörtchen mitzureden. Egal, was es ist, man scheut sich nicht davor, den Untertanen ins Essen zu rotzen, weil sie klimaschädliches Fleisch, aus minderwertiger Haltungsform verzehren. Dabei gibt jeder Landwirt sein Bestes, um das Vieh in guter Qualität auf den Markt zu bringen. Da gibt es auch geschmacklich keinen Unterschied. Das Gegenteil ist der Fall. Oft… Mehr

drnikon
11 Tage her

Ich empfehle generell, die da „oben“ (kompetenzbefreiten Moralisten und Heuchler) reden zu lassen und wir (aus der Sicht unmündigen und intellektuell, wie moralisch, politisch Unterbelichteten) hier unten einfach unser Ding machen und step by step nicht mehr diese Brot und Spiele Show mitmachen. Ich träume davon, das zuerst „politisch korrekte“ Konzerte, Sportturniere u. a. Veranstaltung) überwiegend gemieden werden, möglichst flächendeckend.
Impfung für eine Bratwurst? Na, wer ist noch dabei? 😉

Mankovsky
11 Tage her

Öffentlich korrekt angepasstes Quasseln und privates Handeln haben meist nur geringe Schnittmengen. Ob ,,gesundes“ Essen oder Masseneinwanderung.

Der Ingenieur
11 Tage her

Am Ende zeigt der Ernährungsreport vor allem eines: Die Deutschen essen, wie sie wirklich leben, und nicht, wie sie vorgeben zu sein.“

Das bezweifele ich:

Auch bei solchen Umfragen wollen viele vorgeben, „Gutmenschen“ zu sein, – sie handeln dagegen in der Praxis ganz anderes. Das lässt sich leicht anhand der Verkaufszahlen der einzelnen Lebensmittel nachweisen.

Das ist genauso eine scheinheilige, doppel-moralische Verhaltensweise wie angeblich für Demokratie einzutreten, aber in Wirklichkeit wie intolerante, totalitäre Demokratiefeinde zu handeln.

Mugge
11 Tage her

Besonders die älteren Befragten, also der Generation, der die Jüngeren gerne Trägheit und Traditionalismus nachgesagt haben, zeigen beim Thema Umwelt Haltung. Ist das nicht lustig? Es ist aber auch nicht abwegig zu behaupten , dass diese älteren Befragten dem wohlstandsverwöhnten „Unverpackt- Oma gegen Rechts-Typus “ angehören und ihrerseits kräftig in die Glut heuchlerischer Moral, Gesundheit und Nachhaltigkeit der Jüngeren pusten. Wenn z.B ein Millenial und künstlerischer Leiter des Kinderchores des WDR ,Željo Davutović, „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“ intoniert , dann kann dies letztlich nicht ohne Billigung des WDR Rundfunkrates geschehen, der doch einige alte Gesichter aufweist. Am Ende ist… Mehr

Elmar
11 Tage her

Ich esse grundsätzlich das, was mir schmeckt. Das schwachsinnige Weltrettungsgelaber geht mir am Allerwertesten vorbei.

GP
11 Tage her

 Die Zahlen zeigen, dass die Deutschen anders essen, als sie reden.

Richtig wäre, die Deutschen handeln in allen Bereichen anders als sie reden.

Franz Reinartz
11 Tage her

„Umso überraschender ist, dass 2016 noch 70 Prozent eine artgerechte Haltung der Tiere als sehr wichtig empfanden, während es dieses Jahr nur noch 59 Prozent sind. Woran mag der sinkende Wert wohl liegen?“ Man kann die Frage kompliziert beantworten, wie es der Artikel ja versucht. Man kann sich aber auch auf die einfache Erklärung beziehen, die da lautet, dass das Fleisch in den letzten drei vier Jahren etwa doppelt so teuer georden ist. Die Discounter versuchen, die Konsumenten mit ihren „Haltungswechseleien“ zu angeblich tierfreundlicheren Produkten zu „überreden“. Dabei wird die verfügbare Produktpalette einerseits immer teurer und andererseits werden die Mengen… Mehr