So weit geht Kontaktschuld: Mein Hund ist jetzt rechtsextrem

Wie weit geht Kontaktschuld? Ich kenne jemanden, der die getroffen hat, deren Name nicht genannt werden darf. Was bedeutet das für meinen Hund? Und warum hat die taz noch nicht über das Vergehen des ganzen Saarlands berichtet?

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Mein Leben ist seit Sonntag aus dem Lot. Wie jeden Tag habe ich als Erstes das Medium geöffnet, das wie kein anderes einen sachlichen Überblick zu den laufenden Themen liefert. Die Taz. Deren Texte kann man im Internet gratis lesen. Man muss vorher nur anklicken, dass man die Zeitung finanziell bereits unterstützt. Das tue ich zwar nicht. Aber wenn es jemanden gibt, der alle Mittel in Ordnung findet, die dazu helfen, den Kapitalismus zu unterwerfen, dann ist es die Taz.

Was die Taz mir am Sonntag präsentiert hat, hat mir mein Frühstücksmettbrötchen aus der Hand geschlagen: Max Tichy war auf einer Veranstaltung mit Saskia Ludwig (CDU). Und noch schlimmer: Die, deren Name nicht genannt werden darf, war auch dort. Die Vorsitzende von der “Ihr wisst schon welchen”-Partei. Die Unsagbare. Und in ARD-Interviews auch die Unhörbare.

Die Smalltalk-Affäre
Der verbotene Händedruck
Die Taz hat eine deutsche journalistische Tradition aufgegriffen, die früher in eigenen Zeitungskästen weithin sichtbar war. Die Taz fragt: Darf sich Saskia Ludwig mit Max Tichy zeigen? Max Tichy mit der Dunklen Lady? Die Dunkle Lady und so weiter. Diese Feier hätte jedenfalls gar nicht stattfinden können, weil sich keiner mit keinem hätte treffen dürfen. So wie bei Dornröschen. Da hat die böse Hexe ebenfalls so einiges an Stress gemacht, weil sie nicht mit am Tisch sitzen durfte. Die böse Hexe hat letztlich Dornröschen zu 100 Jahre Schlaf verurteilt – TAZ-Leser kennen das Gefühl sehr gut.

Nur: Was bedeutet das jetzt für mich? Wie weit geht die Kontaktschuld in Deutschland? Ich sitze fast täglich mit jemandem zusammen, der mit jemandem zusammen war, mit dem man nicht zusammen sein darf. Kann ich mich noch auf die Straße trauen? Sollte ich dabei lieber eine Plastiktüte über dem Kopf tragen? Das wurde mir schon oft geraten. Bisher meist aus ästhetischen Gründen. Wobei ich lieber gleich zur Papiertüte greife, bevor mir Grüne und EU das ohnehin vorschreiben.

Und geht die Kontaktschuld noch weiter? Was ist mit meinem Hund? Dem ist es jetzt schon peinlich, mit mir gesehen zu werden. Seinen Kumpels erzählt er, ich sei sein Dog-Walker. Ein ehemaliger Obdachloser, der über einen Ein-Euro-Job wieder zurück ins Berufsleben findet. Wenn der jetzt noch erfährt, dass ich mit jemandem zusammen war, der mit jemandem zusammen war, mit dem man nichts zusammen sein darf… Heiliger Kotbeutel.

Oder mein Friseur. Wenn der jetzt einen Kontaktschuldigen wie mich bedient, was geschieht ihm dann? Hätte er seinen Salon in Stuttgart, dann würde ihm Strafverfolgung drohen. Hätte er einen Kamm falsch versteuert, dann säße er erst mal neun Monate in Untersuchungshaft. Dann würde er wegen Steuerhinterziehung im Wert von 20 Euro verurteilt. Die Tagesschau würde darüber berichten und sagen, dass es ja angesichts des Urteils kein politisches Verfahren gewesen sein kann. Gut, sie würde den Streitwert weglassen und die Untersuchungshaft. Denn Tagesschau-Mitarbeitern ist fast nichts peinlich – nur die Wahrheit.

Doch mein Friseur ist sicher. Weil sein Salon in Berlin ist. Nun ist es nicht so, dass die Justiz an der Spree einen politisch Missliebigen nicht verfolgen wollen würde. Das nun wirklich nicht. Aber dann muss ein Antrag gestellt, eine morgendliche Razzia organisiert, das ARD-Team informiert werden – und dann all die Sitzungstage. Die Berliner Justiz hält es schon auch für inakzeptabel, dass der Friseur jemanden bedient, der jemanden getroffen hat, der jemanden getroffen hat, der die Fürstin der Finsternis getroffen hat. Aber all die Arbeit.

In den frühen Tagen der sozialen Netzwerke war “Open BC” groß. Die hatten ein sehr hübsches Tool: Traf ein Nutzer auf einen neuen Kontakt, den er im richtigen Leben gar nicht kannte, zeigte dieses Werkzeug ihm an, über welche anderen Kontakte er mit dem Neuen verlinkt ist. Es stellte sich heraus, dass es wirklich immer nur vier Kontaktschritte brauchte, um eine Beziehung zwischen beiden herzustellen. Heilige Kontaktschuld.

Ich kenne schon jemanden, der Ihr wisst schon wen getroffen hat. Damit steht jeder, der meinen Vater oder meinen Friseur trifft, vor einem Outing in der Taz. Da mein Vater Saarländer ist, müsste die also ein ganzes Bundesland diffamieren. Sie sollte es besser in einem einzigen Text zusammenfassen. Wobei. Quatsch. Ich fasele. Die Taz sollte einfach eine Million Beiträge schreiben über jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der die getroffen hat, deren Name nicht gesagt werden darf. Das klingt absurd? Und irgendwie langweilig? Auch nicht mehr als sonst in der Taz.

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Kommentare ( 26 )

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Peter Pascht
4 Monate her

Kontaktschuld ? Vorsicht, keine Glosse
Wenn sie Deutscher sind, ist „Kontaktschuld“ nur eine biologische Folge der „deutschen Schuld“ die sie genetisch in sich tragen.
Über Menschen wie sie wird man bestimmt noch die „Reichsacht“ verhängen 😉
Bedeutung und Folgen der Reichsacht:
Der Geächtete verlor sein „Mensch sein“
Der Geächtete war voglfrei und durfte von jedem geschädigt werden. 
Ausschluss aus der Gemeinschaft und die Isolierung des Betroffenen. 
Der Besitz des Geächteten wurde eingezogen oder zerstört. 
Zur Wiedereinführung kann man doch bestimmt eine Doktor-Arbeit schreiben.
Dazu bereite Kandidat*inen und Kandidaten finden sich bestimmt.

Peter Pascht
4 Monate her

„Wie jeden Tag habe ich als Erstes das Medium geöffnet, das wie kein anderes einen sachlichen Überblick 😉 zu den laufenden Themen liefert. Die Taz.“ ?
Der Witz ist gelungen, wenn auch mit sarkastischem Lächeln mit zusammngebissnen Zähnen.
Sie glauben noch an den Weihnachtsmann ?
Die TAZ hat schon immer mit tiefroter Tinte gedruckt.
Die musste sie nicht kaufen, SED Erbschaft.

Last edited 4 Monate her by Peter Pascht
Peter Pascht
4 Monate her

„Die, deren Name nicht genannt werden darf, war auch dort.“ Pf 😉 Wie aus „Händedruck“ – „Dialog“ wird – können sie im ÖRR lesen. Der 😉 Ralf Stegner (sic) SPD mit tiefrotem Knochenmark, tut das einzige was er schon immer tat, Empörung spielen. „SPD-Kritik an Ludwig-Weidel Dialog“ – Quelle ÖRR Da schreibt Max Tichy was von nur „Händdruck“ Ok, die Person deren Name nicht genannt werden darf, bestätigt „zwangloses und kurzes Gespräch mit Ludwig“ (der Name darf genannt werden 😉 ) Für den neuen deutschen Deutschunterricht des ÖRR: „zwangloses und kurzes Gespräch“ = Dialog Sagen sie blos nicht „Guten Tag“… Mehr

Last edited 4 Monate her by Peter Pascht
P. Pauquet
4 Monate her

‚Mein Hund ist rechtsradikal!‘ (Zitat Headline)

Mein Hund (Großwindhund, mahagoni braun) war wahrscheinlich rechts. Die Farbe passte jedenfalls. Ob radikal, glaube ich nicht, wenigstens meistens.

Und er hieß Sharon! … Schlimmer ging nimmer. Kam gut, wenn ich ihn rief. Die Wirkung war ungefähr wie der Ruf der Kundschaft, kurz bevor es knallt.

Das ist keine Satire, sondern eine Tatsache. … Aber Sarkasmus kann es schon ein Bisschen sein. Wir leben in schwer kranken Zeiten.

HansKarl70
4 Monate her

Ach kommen Sie, jeder darf seine Fehler einsehen und Läuterung in Anspruch nehmen. Besser ist immer besser.

HansKarl70
4 Monate her

Liebe Mitwähler, schafft die Parteien ab, das wäre schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung, meine Meinung.

Der Ketzer
4 Monate her
Antworten an  HansKarl70

Man muss die Parteien nicht gleich abschaffen. Es würde reichen, wenn sich die Listenmandate nach der Wahlbeteilgung bei den Zweitstimmen richten würden. Wenn einem Bundesland z.B. 100 Listenmandate zustehen und die Wahlbeteiligung bei den Zweitstimmen nur bei 50% läge, würden nur 50 Listenmandate im Bundestag besetzt (aufgeteilt nach dem Stimmenanteil der Parteien). Die Wähler hätten damit die Möglichkeit, die Macht der Parteiseilschaften und die „Fraktionsdisziplin“ erheblich einzuschränken, indem Sie nur die Erststimmen abgeben. Hinzu kämen dann noch die Nichtwähler, die die Listenmandate zusätzlich reduzieren würden. Darüber hinaus müssten diejenigen aus den Parteilisten rausfliegen, die als Direktkandidat in ihrem Wahlkreis nicht mindestens… Mehr

Last edited 4 Monate her by Der Ketzer
Deutscher
4 Monate her
Antworten an  HansKarl70

Und dann? Wählen wir Sie?

Kantkopf
4 Monate her

Ich schätze den Autor sehr, habe aber ein Problem: Ich kann seit Jahren mit Satire nichts mehr anfangen. Sie soll ja die Verhältnisse durch Überspitzung zur Kenntlichkeit entstellen. Wo aber die Realität Satire täglich rechts überholt, wird sie wirkungslos. Und da die Verhältnisse meine Nerven sowieso ohne Unterbrechung bis zur Belastungsgrenze strapazieren, bleibt da für die arme Satire nicht mehr viel Platz. Das ist wie bei den Comedians: Da steht in meinem inneren Ranking der Maggus (mit zwei ‚g‘) Söder auf Platz eins – deutlich vor Dieter Nuhr. Es wird langsam eng. Und Deutschland müsste sich dann mal entscheiden: Geht… Mehr

Last edited 4 Monate her by Kantkopf
littlepaullittle
4 Monate her

Ich gestehe meine Schuld !
Ich bereue es aber nicht, Ihre Artikel gelesen zu haben.
Ich habe auch geschmunzelt !

Nibelung
4 Monate her

Ja, der Schuldkult gehört bei uns zur Tagesordnung, weil sonst die Blockwarte arbeitslos wären und das hält man wie das Klima und anderes aufrecht um immer etwas in de Hand zu haben, dem nächsten in die Kniekehle zu treten. Deshalb gibt es ja auch nur Hamas-Terroristen, bösartige Russen, unverschämte Klima -und Corona-Leugner, Rechtsextremes Pack oder Mob und anderes Gedöns, was sich immer mehr als Unterscheidungsmerkmal von vorneherein eingebürgert hat und was können wir doch froh sein, daß die linke Politjournallie, gemeinsam mit den aufrechten Sozialisten darüber wacht, daß wir nicht in den Abgrund dümpeln, denn was gibt es schöneres als… Mehr

Guzzi_Cali_2
4 Monate her

Ich würde viel darum geben, mich mit der „Gott-sei-bei-uns“ Dame mal persönlich unterhalten zu dürfen. Habe ich jetzt bereits eine virtuelle Kontaktschuld?