Medien geben Umfragen nur in Auftrag und bezahlen sie, damit sie ihre politischen - hoch parteilichen, also einseitigen - Botschaften scheinbar begründet mit der Volksmeinung unter die Leute bringen können.
„SPD rutscht mit neuer Spitze auf 11 Prozent ab“ titelte n-tv am Samstag, dem 7. Dezember. Einen Tag später, heute also, heißt die Schlagzeile beim Sonntagstrend von BILD: „Neue SPD-Spitze kommt bei den Wählern gut an”. Als Beleg für das „gut ankommen” nennt BILD, dass die SPD laut Emnid von 15 auf 16 Prozent um einen Punkt zugenommen hätte. n-tv hatte eine Abnahme der SPD von 14 auf 11 Prozent laut Forsa vermeldet.
Da die Forsa-Zahlen von n-tv fast einen Tag vor den Emnid-Zahlen von BILD erschienen, wirkt die Botschaft von BILD wie eine Korrektur der Botschaft von n-tv. Doch die Emnid-Zahlen wurden zwischen dem 28. November und 4. Dezember erhoben – und die Forsa-Zahlen von ntv zwischen dem 2. und 6. Dezember. Wenn schon, dann wären also die Forsa-Zahlen die Korrektur der Emnid-Zahlen.
In Wahrheit ist das egal, denn beide Medien interpretieren unzulässigerweise Veränderungen in Prozentpunkten, was seriös in beiden Fällen nicht möglich ist, weil diese demoskopischen Bewegungen innerhalb der statistischen Fehlerquote von drei Punkten liegen.
Welt.de übernimmt den Bericht von BILD – ergänzt um die Forsa-Zahlen, merkt dann aber etwas und ergänzt: In einer ersten Version des Artikels hieß es, dass die SPD nach ihrem Parteitag hinzugewinnt. Allerdings wurde die Emnid-Umfrage vom 27. November bis 4. Dezember erhoben. Der SPD-Parteitag hingegen begann am 6. Dezember. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Immerhin. Die Korrektur ist angemessen.
Selbstverständlich wissen Medien, dass viele Leser nur Überschriften lesen, vielleicht noch die Unterzeilen. Also spekulieren sie zu recht darauf, dass das „Kleingedruckte”, hier die Erhebungszeiträume der Umfragen, unbeachtet bleibt. Auch unterlassen sie alle den Hinweis auf „Risiken und Nebenwirkungen”, der hier auf die Nichtinterpretierbarkeit innerhalb der Fehlerquote bei jedem Artikel über Umfrageergebnisse stehen müsste.
Warum Medien einen solchen Hinweis unterlassen, wissen Sie? Wenn nicht, hier die Erklärung. Medien suchen „exklusive Inhalte“. Umfragen produzieren solche Inhalte. Umso besser, wenn sie für eine knackige Schlagzeile taugen. Dafür wird dann das Kleingedruckte gerne besonders klein gedruckt. Manche geben Umfragen nur in Auftrag und bezahlen sie, damit sie ihre politischen – hoch parteilichen, also einseitigen – Botschaften scheinbar begründet mit der Volksmeinung unter die Leute bringen können. So werden Trends verstärkt. Oder, je nach Größe des Mediums, herbeigezaubert.
Ich wünsche einen frohen zweiten Advent. Und fallen Sie bitte nicht auf jedes rußende Medien-Kerzlein rein.
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Am Beispiel von Forsa, dem Unternehmen Des SPD-Mitglieds Güllner wird das ebenso simpele wie clevere Geschäftsmodell der Meinungs-Umfragen-Industrie sichtbar. Also die rufen mich ungefragt an, wollen meine Meinung zu irgendwas auch immer wissen und haben die Dreistigkeit von mir zu erwarten, da ohne jedwede Bezahlung mitzumachen. Güllner lebt nicht schlecht davon, dass er Leute zur Mitàrbeit auffordert und nicht im geringsten daran denkt,dass den Leuten dafür eine Vergütung zusteht. Fragt man vor dem geben einer Antwort, was denn meine Antwort denn Fosa so wert währe,kommt betretenes Schweigen und dann zusammenhangsloses Gestammel von wegen gesamtgesellschaftlicher Notwendigkeit und so. Es bleibt einem… Mehr
Ja – man schreibt halt was erwünscht ist. Karl Kraus, an dessen Pressekritik ich täglich erinnert werde, nannte den Journalismus einst im gemütlichen Wien die „Kasernierung der politischen Prostitution“. Dies Bild vor Augen kann man sagen: es besteht eine Angst bei den Huren vor einem Verlust der regelmäßigen Zahlung des „Schandlohns“ (wie im gemütlichen Wien einst die Löhnung für die Leistung im Gewerbe bezeichnet wurde.)
Ich habe gestern beim Vergleich der Umfragen auf wahlrecht.de mal herzlich gelacht. Schöner konnten sich Emnid und Forsa ja gar nicht blamieren.
Was wir ja längst wissen: Die Umfrage-Institute veröffentlichen doch nicht das, was die Leute ihnen gesagt haben. Nach der Umfrage beginnt die eigentliche Arbeit der Institute.
Die erhobenen Daten werden „gewichtet“, d.h. es werden bei bestimmten Parteien Zu- oder Abschläge „gerechnet“, bis das Ergebnis für den Auftraggeber, der die Chose ja bezahlen muss, passt.
Der Satz, der Churchill zugeschrieben wird, gilt gerade auch heute: glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.
Im Grunde stimmt es, dass die Auftraggeber natürlich einen Einfluss auf eine Umfrage haben. Doch das „wichten“ hat einen anderen Grund. Bei politischen Umfragen sagen die befragten Personen nicht unbedingt die Wahrheit und geben nicht zu, Parteien zu wählen, die nicht dem Mainstream entsprechen. So kann es durchaus sein, dass viel weniger Wähler zugeben, z.B. die „böse“ Afd zu wählen, als es in Wirklichkeit tun.
Das kann dann zu einem Ergebnis führen wie: AfD 4% , Grüne 30%, usw. total unrealistisch. Das „wichten“ ist deshalb schon wichtig und immer kompliziert.
Ihre Fragestellung ignoriert die Alternative, dass die Medienmitarbeiter selbst „dumm“ sein könnten. Das klingt zwar hart, entspricht aber meinen natürlich nicht repräsentativen Erfahrungen, soweit es das Zeitbudget und die abzudeckende Themenvielfalt betrifft (es entspricht meist nicht meiner Erfahrung mit deren natürlicher Intelligenz). Ein Journalist, der 2 Stunden Zeit für ein komplexes Thema bekommt, das nicht sein Spezialgebiet ist, hat ein grundlegendes Problem. Vor allem, wenn sein Chefredakteur politisch Haltung beweisen will oder auf Wunsch des Verlegers muss.
Vorletzte Woche, am 28. Nov rief ein Umfrageinstitut aus München bei mir an. Ich hatte Zeit, war neugierig und gut gelaunt. Normalerweise lege ich sofort wieder auf. Also Fragen nach Konsum (E-Zigaretten, Baumarkt) und Versicherungen. Dazwischen die „Sonntagsfrage“ eingebaut. Bundestag und Landtag, und dann noch eine Frage nach der SPD ? ich hatte FDP verstanden, nein „wie sehen Sie die Zukunft der SPD?“ na gut, ich sagte zwei sehr deutlich negative Sätze, und der Herr tippte das wörtlich in seine Tastatur… Pause .. (Häh, keine Wertung null bis zehn, sehr zufrieden bis überhaupt nicht, oder so, nein). Ohje, hab ich… Mehr
BILD sprach zuerst mit dem Toten, und Merkel zuerst mit Güllner.
Diese „Umfragen“ sind nichts als Propaganda, und genau als solches sollte man sie auch behandeln.
TE titelte am 7.12.2019: SPD demoskopisch aktuell bei 11 Prozent. Hält TE die Leser für dumm?
Nur die Überschrift gelesen?
Nein, ich habe beide Artikel gelesen. In dem zweiten Artikel zu den aktuellen Umfragen wird jedoch beklagt, dass opportune Umfragergebnisse in „knackigen“ Überschriften vermarktet werden, obwohl der 95-%-Vertrauensbereich (war das mit „Fehlerquote“ gemeint?) 3 Prozentpunkte betrage. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass auch TE gelegentlich der Versuchung einer tendenziösen und reißerischen Berichterstattung unterliegt (mit umgekehrten Vorzeichen zum Mainstream). Bei einem Leserforum, das stets Beifall klatscht, wenn der Artikel in die richtige Kerbe haut, fällt es offensichtlich auch der TE-Redaktion schwer, objektiv zu bleiben.
Halten Medien die Leser für dumm, sind sie ihnen egal oder beides? Ich hätte noch eine dritte Erklärung im Angebot: Journalisten haben oft weder die Zeit (man möchte der erste sein) noch das Interesse noch die Kompetenz, das, was sie berichten/zitieren, sorgsam zu prüfen und zu analysieren. Der Leser oder User ist ihnen eigentlich egal. Man liebt Spektakuläres. Die meisten Berichte über veränderte Wahl-Prozente müssten ergänzt werden mit dem Erhebungszeitraum sowie dem Hinweis, dass die Zahlen eine Fehlerquote beinhalten. Laut ARDDeutschlandtrend beträgt die Schwankungsbreite 1,4 bei einem Anteilswert von fünf Prozent bis 3,1 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent.… Mehr
Wozu sollten Haltungsjournalisten den Stuss auf Richtigkeit überprüfen den sie in Umlauf bringen, die wissen doch selbst am besten das es Stuss ist.
Die „Welt“ scheint mir insgesamt ein wenig verwirrt. Erst sieht sie die SPD im Aufwind ihres glorreichen Duo’s, um dann später zu schreiben „Bei der SPD hat nun die dritte Reihe der Apparatschiks das Sagen.“ „Die Zeit“ hingegen ist völlig verwirrt. Einer ihrer Autoren schreibt „Abends stehe ich oft blöde vor dem Spiegel“ – Meint er den „Spiegel“? Nein, seine Falten im Gesicht verwirren ihn. (Mich auch.) „Unklarheit gibt es in der Unionsspitze dem Vernehmen nach darüber, mit wem man bei der SPD künftig reden müsse in Koalitionsangelegenheiten: Mit Fraktionschef Ralf Mützenich oder den neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert… Mehr