Halten Medien die Leser für dumm, sind sie ihnen egal oder beides?

Medien geben Umfragen nur in Auftrag und bezahlen sie, damit sie ihre politischen - hoch parteilichen, also einseitigen - Botschaften scheinbar begründet mit der Volksmeinung unter die Leute bringen können.

© Michele Tantussi/Getty Images

„SPD rutscht mit neuer Spitze auf 11 Prozent ab“ titelte n-tv am Samstag, dem 7. Dezember. Einen Tag später, heute also, heißt die Schlagzeile beim Sonntagstrend von BILD: „Neue SPD-Spitze kommt bei den Wählern gut an”. Als Beleg für das „gut ankommen” nennt BILD, dass die SPD laut Emnid von 15 auf 16 Prozent um einen Punkt zugenommen hätte. n-tv hatte eine Abnahme der SPD von 14 auf 11 Prozent laut Forsa vermeldet.

Da die Forsa-Zahlen von n-tv fast einen Tag vor den Emnid-Zahlen von BILD erschienen, wirkt die Botschaft von BILD wie eine Korrektur der Botschaft von n-tv. Doch die Emnid-Zahlen wurden zwischen dem 28. November und 4. Dezember erhoben – und die Forsa-Zahlen von ntv zwischen dem 2. und 6. Dezember. Wenn schon, dann wären also die Forsa-Zahlen die Korrektur der Emnid-Zahlen.

In Wahrheit ist das egal, denn beide Medien interpretieren unzulässigerweise Veränderungen in Prozentpunkten, was seriös in beiden Fällen nicht möglich ist, weil diese demoskopischen Bewegungen innerhalb der statistischen Fehlerquote von drei Punkten liegen.

Welt.de übernimmt den Bericht von BILD – ergänzt um die Forsa-Zahlen, merkt dann aber etwas und ergänzt: In einer ersten Version des Artikels hieß es, dass die SPD nach ihrem Parteitag hinzugewinnt. Allerdings wurde die Emnid-Umfrage vom 27. November bis 4. Dezember erhoben. Der SPD-Parteitag hingegen begann am 6. Dezember. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Immerhin. Die Korrektur ist angemessen.

Selbstverständlich wissen Medien, dass viele Leser nur Überschriften lesen, vielleicht noch die Unterzeilen. Also spekulieren sie zu recht darauf, dass das „Kleingedruckte”, hier die Erhebungszeiträume der Umfragen, unbeachtet bleibt. Auch unterlassen sie alle den Hinweis auf „Risiken und Nebenwirkungen”, der hier auf die Nichtinterpretierbarkeit innerhalb der Fehlerquote bei jedem Artikel über Umfrageergebnisse stehen müsste.

Warum Medien einen solchen Hinweis unterlassen, wissen Sie? Wenn nicht, hier die Erklärung. Medien suchen „exklusive Inhalte“. Umfragen produzieren solche Inhalte. Umso besser, wenn sie für eine knackige Schlagzeile taugen. Dafür wird dann das Kleingedruckte gerne besonders klein gedruckt. Manche geben Umfragen nur in Auftrag und bezahlen sie, damit sie ihre politischen – hoch parteilichen, also einseitigen – Botschaften scheinbar begründet mit der Volksmeinung unter die Leute bringen können. So werden Trends verstärkt. Oder, je nach Größe des Mediums, herbeigezaubert.

Ich wünsche einen frohen zweiten Advent. Und fallen Sie bitte nicht auf jedes rußende Medien-Kerzlein rein.

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