Gefährliche Wieselworte zur Begründung von Umverteilung

Eine Variante des Sozialismus ist der Geldsozialismus, der noch subtiler auf die Vermögensverteilung einwirkt als das Steuerrecht. Und eben keine Verteilung von oben nach unten bedeutet, sondern eine aus der Mitte nach oben bewirkt.

Vielen Bürgern ist Ungleichheit ein Übel. Sie wird als ungerecht empfunden. Sie glauben, je größer die Ungleichheit, desto größer sei der Handlungsbedarf des Staates, diesen Zustand zu korrigieren. Deshalb werden immer wieder Rufe laut, durch Umverteilung großer Vermögen zu einer „gerechteren“ Verteilung zu kommen. Gerade die Corona-Pandemie mit ihren zusätzlichen Lasten für die öffentlichen Haushalte lädt erneut dazu ein.

Ist aber das Gegenteil, die Gleichheit, in einer freiheitlichen Gesellschaft überhaupt erstrebenswert? In unfreien Gesellschaften, die meist sozialistisch geprägt sind, beanspruchen die Mächtigen, diesen Zustand durchzusetzen. Ihre Mittel sind häufig Terror und Gewalt. Sie scheitern aber dennoch fortlaufend. Historisch gibt es kein einziges Beispiel dieses vermeintlichen Idealzustandes. Meist geht es einer großen Zahl von Menschen „gleich“ schlecht. Und es gibt immer einige Privilegierte, die ihre Regierungsmacht ausnutzen, um sich selbst, ihrer Familie und ihrem Umfeld Vorteile zu beschaffen, die anderen durch Zwang abgepresst wurden. Gestern waren es die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten, und heute sind es Nordkorea und Venezuela. Erstere vor Augen hat Johannes Paul II. in „Centesimus annus“ das Privateigentum „als Verlängerung der menschlichen Freiheit“ bezeichnet.

Begriffsvernebelung begünstigt Umverteilung

Selbst für eingefleischte Sozialisten sind die heutigen Beispiele unschön. Diese Hardcore-Varianten sind daher etwas aus der Mode gekommen. Weichere Varianten sind bei den Sozialisten aller Couleur inzwischen beliebter.

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Eine davon ist die Einführung des Begriffs der „sozialen Gerechtigkeit“. Der Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek hat diese Begriffsvernebelung einmal als „Wieselwort“ bezeichnet, das jegliche inhaltliche Bedeutung verloren hat. Mit „sozialer Gerechtigkeit“ wird heute jeder Prozess zur Umverteilung begründet, auch die jetzt aufgeworfene Forderung nach einer Sonderabgabe für Vermögende. Was „soziale Gerechtigkeit“ bedeutet, wie sie erreicht werden kann und was die optimale „soziale Gerechtigkeit“ sein soll, bleibt jedoch im Nirwana des Ungefähren.

Deshalb ist die klassische Definition von Gerechtigkeit als Gleichheit vor dem Recht besser geeignet, weil sie von Staat, Regierung und Parlament nicht zu viel verlangt. Letztlich geht es um allgemeine und abstrakte Regeln, die für alle gleich sind.

Komplizierte Gesetze

Diesen Anspruch freiheitlicher Ordnungen erfüllt der Gesetzgeber jedoch nur unzureichend. Regierungen und Parlamente wollen immer stärker den Einzelfall regeln, bestimmte Gruppen fördern und tagespolitische Probleme per Gesetz lösen. Die Folgen sind immer mehr und kompliziertere Gesetze, die nur noch Experten verstehen, oder diejenigen, die sich Experten leisten können. Das Steuerrecht ist dafür ein gutes Beispiel. Schätzungen gehen davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der weltweiten Steuerliteratur aus Deutschland stammt, obwohl lediglich zwei Prozent der weltweiten Steuerzahler aus Deutschland kommen. Ungleichheit wird daher von staatlicher Seite befördert.

Hier wird keine positive Dynamik zugunsten Benachteiligter in Gang gebracht, sondern es werden verfestigte Strukturen konserviert, die durch einzelne Interessengruppen verteidigt werden. Doch staatliche Intervention führt nicht nur im Steuerrecht zu Ungleichheit.

Auswirkungen von Geldsozialismus

Max Otte im Gespräch
"Die Mittelschicht verarmt"
Eine weitere Variante des Sozialismus ist der Geldsozialismus, der noch subtiler auf die Vermögensverteilung einwirkt als beispielsweise das Steuerrecht. Und eben keine Verteilung von oben nach unten bedeutet, sondern eine aus der Mitte nach oben bewirkt. Der irische Ökonom Richard Cantillon hat bereits Mitte des 18. Jahrhunderts beschrieben, wie die Ausweitung der Geldmenge durch den Staat Umverteilungseffekte erzielt. Derjenige, der das neu geschaffene Geld, das vom Staat oder seiner Notenbank in Umlauf gebracht wird, zuerst erhält, kann sofort damit arbeiten, ohne dass er oder sie den inflationären Effekt spüren. Das sind Banken, kapitalmarktorientierte Unternehmen und Vermögende. Diejenigen, die am Ende der Verwertungskette des neuen Geldes stehen, Konsumenten, Handwerker und Mieter, müssen die Geldmengenvermehrung mit höheren Preisen bezahlen.

Dieser Cantillon-Effekt ist ursächlich dafür, dass wir mit immer mehr und immer billigerem Geld der Notenbanken die Vermögenspreise anfachen.

Dies betrifft insbesondere die Immobilien- und Aktienmärkte. Während Immobilien in den Ballungsgebieten boomen und der Deutsche Aktienindex, trotz Corona-Pandemie, Ende letzten Jahres einen historischen Höchststand erzielte, stagnieren Arbeitnehmereinkommen.

Deren Altersvorsorge aus Lebensversicherungen, Festgeldern und Bausparverträgen fahren gleichzeitig vor die Wand, weil sie keine oder keine nennenswerten Erträge mehr abwerfen.

Verheerende Folgen

Wer Vermögen hat, kann dies beleihen, bekommt zu einem marginalen Zinssatz Kredit und kann weiter in Vermögenswerte investieren. Alle anderen sind die Leidtragenden einer steigenden Abgabenlast und steigender Mieten. Letztlich schaltet dieser Geldsozialismus den Zins als Preis für das Geld aus. Das hat verheerende Folgen, die nicht nur eine negative Verteilungswirkung haben, sondern letztlich unsere demokratische Grundordnung gefährden. Daran gilt es anzusetzen.

Dieser Beitrag von Frank Schäffler erschien zuerst in Die Tagespost – Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

Der Autor ist FDP-Bundestagsabgeordneter. Der Katholik ist weiterhin Geschäftsführer der Berliner Denkfabrik Prometheus – Das Freiheitsinstitut sowie Autor und Herausgeber diverser Buchpublikationen, aktuell:

Frank Schäffler/Bernd Reuther (Hg.), Aufstieg! 16 Vorschläge für die Zukunft Deutschlands. FBV, 288 Seiten, 19,99 €.


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Kommentare ( 20 )

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Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Das ist AfD-Sprech und hat in der FDP nix zu suchen.
Die FDP ist bunt, klimafreundlich, gendergaga und „anti“faschistisch.
Die FDP steht fest an der Seite der „Demokraten“, für Kontrolle und Lockdown und Umverteilung und Zensur.
Schuld sind immer die Rechten und Trump.

Man höre lieber einem Libertären wie Dr. Krall zu, statt seine Zeit mit solchen „Liberalen“ zu verschwenden.

BKunze
3 Jahre her

Herr Schäffler, wenn alle Ihre Kollegen aus der FDP so wären wie Sie, dann würde ich Sie wählen. Leider ist dem nicht so. Dabei ist die FDP doch eine kleine Partei, da sollte es eigentlich keine Flügel darin geben. Die gibt es aber schon sehr lange, nicht erst seit 15 Jahren. Warum ist das eigentlich so?

Udo Kemmerling
3 Jahre her

Man hat also nachweislich in der FDP verstanden wie der Gerechtigkeits-Hase läuft, nichtsdestowenigertrotz biedert man sich dem linksgrünen Zeitgeist an. Die hanebüchene „Klimarettung“ wird unterstützt, es wird sich unaufgefordert zum sogenannten „Antifaschismus“ (der eine besonders perfide Spielart ddes Faschismus ist!) bekannt, der Generalsekretär erklärt sich gegen die Gültigkeit von Marktmechanismen, undundund… Gerade unter diesen Themen wird das Privateigentum und insbesondere dessen Schutz mit Füßen getreten. Und komme mir bitte keiner mit der „marktwirtschaftlichen“ „Klimarettung“. Ein „Geschäftsmodell“ mit vorab NULL Effekt und NULL ROI wird auch durch die eleganteste Schwurbelei nicht zu einem Kandidaten für die Marktwirtschaft!!!

November Man
3 Jahre her

Gerade die Deutschen sollten wissen wie zerstörerisch und gefährlich die nationalen Sozialisten, ihr Nationalsozialismus und der grüne Totalitarismus sind.
Deshalb – Nie mehr wieder!

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  November Man

Doch. Jetzt. Live.

Biskaborn
3 Jahre her

Interessante Ausführungen des FDP Mannes die zeigen, dass in dieser Partei, wie andere Autoren hier vor ihm , kluge Köpfe vorhanden sind. Da fragt man sich, was macht demgegenüber diese Partei für eine seltsame Politik. Sie biedert sich peinlich dem Links-grünen Zeitgeist auf allen Ebenen an und macht sich damit überflüssig. Wo bleiben da diese klugen Mitglieder?

Amerikaner
3 Jahre her

Vielleicht fantasiere ich ja, aber hat es mal eine Politik gegeben, vielleicht abseits von Donald Trump, die sich das Ziel gegeben hat den Reichtum der Bürger zu mehren? Also, den tatsächlichen kaufkraftbereinigten Reichtum. Das ist völlig aus der Diskussion verschwunden. Weg. Einfach nicht mehr da.

giesemann
3 Jahre her
Antworten an  Amerikaner

Bei ständig wachsender Bevölkerung auch in den USA ist mehr Reichtum völlig illusorisch. Es wird enger, immer härter werden – muss sich jeder klar machen, der jung ist und Kinder in die Welt setzen will.

Wittgenstein
3 Jahre her

Lieber Herr Schäffler,

Gleichheit finde ich total super!

Alle Bewohner Deutschlands sollten beim Staat angestellt sein, oder noch besser Abgeordnete des deutschen Bundestags sein und die genau gleichen Bezüge erhalten, ebenso wie die dazugehörigen Rentenansprüche!

Dann wären wir alle total gleich und ganz ehrlich, dafür würde ich sofort Rot oder Dunkel-Rot oder Grün oder Gelb oder whatsoever wählen!

Von mir aus kann dann auch Claudi Roth oder AnnaRoberta Bundeskanzler*innen werden! Die werden dann unsere aller Bruttosozialprodukt erzeugen und im Netz speichern!

Soziale Gerechtigkeit und Gleichheit finde ich total super! Ich plädiere für… Money for Nothing“… für alle.. sofort!

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Wittgenstein

Und natürlich Freibier, wo wir schon dabei sind.

Peter Mueller
3 Jahre her

Bevor man etwas als Sozialismus bezeichnet, sollte man sich erst mal informieren, was das überhaupt ist. DER Kernpunkt jeder Sozialismustheorie ist die Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Eine Umverteilung von unten nach oben oder aus der Mitte nach oben steht dem diametral entgegen: https://de.wiktionary.org/wiki/Sozialismus Oder haben etwa Jeff Bezos, Stephen Feinberg, Elon Musk, George Soros und Klaus Schwab jetzt angekündigt, ihren Aktienbesitz unter der Bevölkerung aufzuteilen? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Das Privateigentum an PM wird noch stärker gebündelt, als es eh schon der Fall ist. Die Fahrt geht also in Richtung Turbokapitalismus bzw. Faschismus (fascio – Bündel). Man muß Sozialismus… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Peter Mueller
Aegnor
3 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Sozialismus ist das was die großen Techkonzerne und daneben Leute wie Soros & Co. betreiben sicher nicht. Eher eine Art modernisierter Feudalismus. Aber mit Kapitalismus hat es noch weniger zu tun. Kapitalismus und Marktwirtschaft beruhen auf freiem Wettbewerb, welchen zu schützen die Aufgabe des Staates ist. Genau den zerstören die Techkonzerne mit ihren Monopolen zum langfristigen Schaden (wirtschaftlich und politisch) aller. Das was die heutigen Linken umtreibt ist genausowenig Sozialismus im marxistischen Sinne. Dieser ist ohnehin tot. Er hat u.A. aufgrund seiner wirtschaftlichen Unmöglichkeiten nie funktioniert und wird es nie. Die heutigen Linken betreiben Identitätspolitik („Antirassismus“) die jede Gleichheit ablehnt,… Mehr

KoelnerJeck
3 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Ursache ist das Geldsystem in Staatshand. Nr. 5 im Kommunistschen Manifest.

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Peter Mueller

Sozialismus ist Kollektivismus. Das haben wir. Dass einige dabei immer gleicher sind, weil an der Spitze des Kollektivs, ändert nix dran.

RMPetersen
3 Jahre her

Die Idee der Umverteilung von Vermögen von Denen, die mehr davon haben, zu Deinen, die weniger davon haben, ist ja nur ein Unterkapitel des großen Themas GLEICHHEIT. Zwischen den beiden Geschlechtern möchten die Linken (incl. Grüne) Gleichheit herstellen, dazu gibt es ja das Problem der Rassen(un)gleichheit. Letztlich nehmen Leute, die im Leben gescheitert sind, den Tüchtigen und Fleissigen übel, erfolgreich zu sein: beim Geldverdienen, beim Erfolg bei Frauen, bei den besseren Schulergebnissen oder was auch immer. Die Gleichmacherei ist der eigentliche Virus der letzten 50 Jahre. Wer verschiedene Facetten dieses Kampfes erfahren möchte, lese: Gleichheit. Das falsche Versprechen von Martin van… Mehr

Guter Heinrich
3 Jahre her

Den Cantillon-Effekt muss man den verblendeten Streitern für angebliche soziale Gerechtigkeit, Klimabehauptungen und unkontrollierte Zuwanderung argumentativ um die Ohren hauen. Leider werden die meisten dieser Selbstgerechten nicht über genug Verstand verfügen, um daraus vernünftige Schlüsse zu ziehen.