Stuttgart: Weitere Fahrverbote für Diesel

Keine Beachtung findet der Satz, den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bei seinem Diesel-Urteil Ende Februar 2018 eingefügt hatte: Fahrverbote seien als letztes Mittel und mit bestimmten Einschränkungen zulässig, doch müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

© Getty Images
Ab 1. Januar 2020 wird das Dieselfahrverbot in Stuttgart ausgeweitet. Entsprechende PKW nach Euro 5-Norm dürfen einzelne Strecken im Stadtgebiet nicht mehr befahren, teilten hocherhobenen Hauptes Verkehrsministerium und Innenministerium mit. Anlieger wie Lieferanten und Handwerker erhalten Ausnahmebewilligungen von der Stadt. Außerdem werden Tempo-40-Zonen ausgeweitet.

Uwe Lahl vom Stuttgarter Verkehrsministerium und jener grünen Truppen, die nahtlos vom Umweltbundesamt in irgend ein Ministerium schwenkten, bekundet das Scheitern der bisherigen grünen Umweltpolitik, nur kleidet er es in wohlige Worte: »Die bisherige Luftreinhaltepolitik war erfolgreich und führt zu stark sinkenden Luftbelastungen. Sie reicht aber leider nicht aus.«

Es geht den grünen Reihen auch weniger um Luftreinhaltung, sondern um das Einschränken der individuellen Mobilität. Denn welchen Anteil Autoverkehr und vor allem Dieselfahrzeuge am Stickstoffdioxid-Gehalt der Luft haben, ist zweifelhaft. Der Anteil von Dieselfahrzeugen am Verkehr stieg bislang stetig, weil der Dieselantrieb immer beliebter wurde. Dennoch wurde die Luft in den Städten kontinuierlich sauberer. Es gelang den Motorenentwicklern, den Diesel für den PKW zu einem sehr wirkungsvollen und sauberen Antrieb zu machen.

Nichts verändert wird an der außerordentlich umstrittenen Messstation am Neckartor in der Innenstadt. Die steht entgegen den EU Vorschriften dicht an der Hausfassade mit geringem Luftaustausch und liefert so möglichst hohe Werte für Stickstoffdioxid. Die Aussage von der »hoch belasteten Luft«, wie sie der baden-württembergische grüne Verkehrsminister in den Raum wirft, ist pure Polemik. Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage für einen NO2-Grenzwert von 40 µ/m3, ab dem gesundheitliche Schäden drohen. In Amerika gilt ein NO2-Grenzwert von 103 µ/m3, und die Kerzen auf dem Weihnachtsbaum erhöhen die NO2-Werte in der guten Stube um ein Vielfaches, ohne dass vorzeitige Tote bekannt wurden.

Die Stuttgarter Fahrverbote gelten auch für Touristen und Pendler. Rund 20.000 Dieselfahrzeuge nach Euro 5-Norm sind nach Angaben der Stadt in Stuttgart zugelassen, und 40.000 Pendler dürfen mit ihren sparsamen Dieselautos auf den wichtigen Einfallstraßen nicht mehr fahren. Auf den chronisch überlastete Bus- und Bahnverkehr umzusteigen, ist für sie kaum eine Alternative. Eher dürften sie sich Umleitungsrouten durch Innenstadtstraßen suchen. Wer nicht mehr nach Stuttgart muss, fährt eben nicht mehr dorthin und abzuwarten bleibt, wie sich das auf Wirtschaftskraft und Steueraufkommen der Landeshauptstadt auswirkt.

Schwere Versäumnisse der CDU sieht der Chef der baden-württembergischen FDP Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke: »Das ist die Schuld der CDU, dass wir in Stuttgart Fahrverbote haben.«

Im Oktober 2017 hatte bekanntlich das Stuttgarter Verwaltungsgericht mit seinen Urteilen den Weg für Dieselfahrverbote freigemacht. Das Land hätte seinerzeit Rechtsmittel wie Berufung einlegen können, doch der grünen Landesregierung konnten die Fahrverbote nicht schnell genug eingeführt werden, sie strengte eine sogenannter Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an, und die CDU als Koalitionspartner stimmte zu.

Rülke: »Man hätte gegen die Urteile zu den Stuttgarter Fahrverboten mit den Mitteln des Rechtsstaates vorgehen müssen.« CDU-Chef Thomas Strobl hatte noch im April 2019 erklärt: »Es ist jetzt klar: Kein zonales Euro-5-Verbot in Stuttgart.« Ein klarer Wortbruch, wirft Rülke der CDU jetzt vor.

Keine Beachtung findet der Satz, den das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bei seinem Diesel-Urteil Ende Februar 2018 eingefügt hatte: Fahrverbote seien als letztes Mittel und mit bestimmten Einschränkungen zulässig, doch müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Ein ganzes Stadtgebiet für ältere Dieselfahrzeuge zu sperren, dürfte sicherlich kaum mit einer Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen, zumal die entsprechenden Luftwerte auch in den Außenbezirken aufgrund sehr zweifelhafter Modellrechnungen zustande gekommen sind.

Der dubiose Abmahnverein Deutsche Umwelthilfe e.V. hatte auch in Stuttgart die Klagen für Fahrverbote angestrengt und kritisierte die neuen Dieselfahrverbote als schlichte Symbolpolitik.

Die jetzt ausgewiesenen Fahrverbotsstrecken seien viel zu kurz. Vor Weihnachten hatte der Verein in Mails um neue Spenden geworben. Denn für weitere Klagen in zweiter und dritter Instanz fehle die Finanzierung, so der Verein in einem Spendenaufruf. Er wird von dem internationalen NGO-Netzwerk ClientEarth unterstützt.

Dieser Verein wiederum brüstet sich damit, schon 2011 einen Vorstoß der Britischen Regierung bei der EU-Kommission verhindert zu haben. Großbritannien wollte 2009 die Fristen für neue NO2-Grenzwerte nach hinten verschieben. ClientEarth klagte dagegen und holte sich beim Court of Appeal eine Abfuhr. Erst der Supreme Court ließ ClientEarth gewinnen und stellte bei der Berufung fest, dass die britische Regierung gegen das Gesetz verstoßen habe.

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Kommentare ( 39 )

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StefanB
4 Jahre her

„Es geht den grünen Reihen auch weniger um Luftreinhaltung, sondern um das Einschränken der individuellen Mobilität.“

Das ist der einzige Grund der möglichst weitgehenden, freiheitseinschränkenden Maßnahmen. Siehe hier die Forderungen der Berliner Grünen in Sachen autofreie Stadt: https://www.morgenpost.de/meinung/article227852927/Berliner-Gruene-radikal-autofeindlich.html

WandererX
4 Jahre her

Jeder weiss, dass die Verbote so gut wie nicht kontrolliert werden. Wer nicht gerade Taxifahrer ist und extrem viel an den entsprechenden Stellen unterwegs, muss nicht befürchten, erwischt zu werden. Also wozu die Aufregung? Täglich bewegen sich hohe Pendlerströme durch ein Stuttgarter Neckar- Tal, dass wegen seiner Enge eigentlich nicht für Millionenverkehr geeignet ist. Stuttgart, ich wohne da seit 29 Jahren, hat bezüglich des Individualverkehrs (nicht des kollektiven) seit 1950 verkehrspolitisch so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, d.h. den Durchgangsverkehr durch die Innenstadt gelenkt – und das nie revidiert, weil die CDU dazu zu feige war.… Mehr

Helmut in Aporie
4 Jahre her

Und Umladeterminals für die letzten Kilometer in gewaltiger Größe bauen. Und auch für die LKWs, die aus dem Ausland kommen.
Nicht machbar. Braucht man gar nicht anzufangen.

Sandrarichter
4 Jahre her

Neben den Grünen können sich die Leute vor allem bei der linken CDU bedanken, die wider ihres Versprechens auf eine Revision des mutmasslich rechtswidrigen Urteils verzichtet hat und stattdessen nur in Sprungrevision gegangen ist, wo das Urteil nur formal und nicht auf Verhältnismässigkeit überprüft worden ist. Ein weiterer Wortbruch der CDU, der deutlich zeigt, dass diese Partei zu einem Handlanger von den Grünen geworden ist und keine bürgerlich-konservative Partei mehr ist.

J. Werner
4 Jahre her

Ziel ist die totale Kontrolle und die rasche Konversion der Wirtschaft und Gesellschaft in einen „unumkehrbaren“ Ökostalinismus.

Regenpfeifer
4 Jahre her

Ich find’s gut: Wer GRÜN wählt, soll auch darunter leiden! -Hoffentlich geht die Stuttgarter Wirtschaft sowas von den Bach runter, dass die Arbeitslosigkeit und Armutsquote massivst ansteigt. Denn nur dann ändert sich politisch wieder etwas zum Guten.

holuschi
4 Jahre her
Antworten an  Regenpfeifer

Leiden werden wie immer die anderen. Die grüne Stamm-Wählerschaft sieht golden Zeiten auf sich zukommen: endlich ohne die Autos der anderen im gentrifizierten Stadtviertel residieren und das Geld kommt mit oder ohne Job sowieso oft von Papi Staat. Die paar schicken Trend Grünen die ihren Leasing SUV beim Daimler stehen lassen müssen – geschenkt.

4711muenchen
4 Jahre her

Sehr geehrter Herr Douglas, ein schöner Artikel – nur eines bleibt unerwähnt: die Rolle der sog. F.D.P. In diversen Landesregierungen vertreten und im Bundestag „Opposition Ihrer Majestät AM“ – mitmachen, mitverdienen, nur ja keinen Widerstand leisten, um die Chance auf den Rockzipfel der Macht nicht zuverpassen. Die F.D.P. hätte -in Nachfolge von Dr. Erich Mende – allerbeste Chancen, mit einem marktwirtschaftlichen, freiheitlichen Kurs mit Verstand dem ganzen ÖKO-Blödsinn entgegen zu treten. Leider nichts davon – nur Kampf gegen RECHTS und gegen die einzige große Oppositionspartei im Bundestag, die AfD. Anstatt sich mit der AfD als ebenso marktwirtschaftlicher Partei gegen die… Mehr

Alf
4 Jahre her

Die Stuttgarter Landesregierung hat wahrscheinlich niemand gewählt. Und Merkel? …doch bei den Wählern genießt Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter großes Vertrauen und große Beliebtheit. In einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ zur Frage, von welchem Politiker sie sich im neuen Jahr „eine möglichst große Wirkung in der deutschen Politik“ wünschen, nannten die meisten Bürger Angela Merkel. Sie führt mit 40 Prozent…https://www.mainpost.de/ueberregional/politik/zeitgeschehen/Die-Deutschen-setzen-auf-Merkel;art16698,10378806 Weitere Fahrverbote für Diesel sind die logische Folge für ein irrationales Wahlverhalten. Demnächst gehen auch die Arbeitsplätze verloren usw. Eure Kinder werden es danken, daß ihr diese Regierung und Merkel gewählt habt. Großes Vertrauen und große Beliebtheit zahlen sich… Mehr

Helmut in Aporie
4 Jahre her
Antworten an  Alf

Für die Alten, die nicht mehr radfahren und nicht mehr so gut laufen können bleibt dann der Rollstuhl, eventuell mit Elektroantrieb, so sich der alte Mensch das leisten kann. Es bleibt ja immer das Unterbringungsproblem und der Ladeanchluss. Den kann man ja nicht wie ein Auto im Freien stehen lassen.
Vielleicht ist das mit Elektrifizierung des Straßenverkehrs gemeint?

Peer Munk
4 Jahre her

Tja, die Mehrheit hat offenbar schwarzgrün gewählt, die will das so haben…

Contra Merkl
4 Jahre her

Dann muss der Benz halt in der Garage bleiben, wenn man damit nicht mehr in Stuttgart fahren darf.
Anderes Auto kaufen oder sich einfach einen 2 Takt Roller kaufen, um in Stuttgart rumzucruisen. Mit max. 45 kmh kann man den Verkehr noch zusätzlich beruhigen, dann ist nix mehr mit grüne Welle an Ampeln.
Da geht es dann bald wie in China vor 10 Jahren vorran.
Fehlen nur noch Eselskarren.

Helmut in Aporie
4 Jahre her
Antworten an  Contra Merkl

Oder der Piaggio Ape!