Scheinblüte in der Autoindustrie – Abschwung in Sicht

Die Daten der letzten Monate zu Neuzulassungen und Produktion täuschen eine konjunkturelle Scheinblüte vor. Andere Indikatoren deuten eher auf eine bevorstehende Konjunktur-Abschwächung spätestens ab Herbst 2023 hin, sogar auf eine Rezession. Ein wesentlicher Indikator: die inländischen Auftragseingänge.

IMAGO / Kirchner-Media

Vorab so viel: Um das böse „R“-Wort zu vermeiden, wird im Titel von drohendem Abschwung gesprochen – die Wirklichkeit liegt aber näher bei einer kommenden Rezession, in der deutschen Wirtschaft als Ganzes, vor allem aber in der Automobilindustrie. So jedenfalls, wenn sich die düsteren Konjunkturversionen einschlägiger Experten (Automobilwoche, HRI, u.a.) bewahrheiten sollten. Aber: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ (Patmos, Hölderlin). – Es gibt auch einige positive Aspekte für die Zukunft.

Die zurückliegenden drei Jahre werden als Epoche prägend in die Annalen dieses Jahrhunderts eingehen. Sie haben nicht nur zu einer geopolitischen und weltwirtschaftlichen Zeitenwende geführt, sondern in Deutschland auch die Grundfesten der Nachkriegsordnung in Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft erschüttert.

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Einzelne Teile des Gesamtsystems sind davon besonders betroffen, so auch die Paradeindustrie der deutschen Wirtschaft: die Automobilindustrie. Die Branche war über Jahrzehnte Motor des Wiederaufstiegs Deutschland in der Welt und hat wie keine andere mit Innovation, Qualität und Zuverlässigkeit – „Made in Germany“ eben – Image, Leistungsfähigkeit und Nimbus der deutschen Volkswirtschaft in der Welt geprägt.

Aber nicht nur die Autoindustrie selber, die Zeitenwende hat auch die automobilen Statistiken erfasst. In diesen werden seit Beginn der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts monatlich die einschlägigen Daten über Neuzulassungen, Produktion, Umsätze, Beschäftigung, Gewinne etc. akribisch und objektiv von den staatlichen Statistik-Behörden (KBA, StaBua) erhoben und veröffentlicht. Diese Daten sind die Grundlage für Branchenkenner, Medien und Konjunkturanalysten sowie den Verband der Autoindustrie (VDA), regelmäßig ihr Urteil über Wohl und Wehe und die Zukunft dieses Motors der deutschen Industrie zu fällen. Wobei die VDA-Prognosen, allseits anerkannt, mit die höchste Treffsicherheit aufwiesen.

Analysen und Branchenprognosen können aber nur so zutreffend sein, wie zutreffend die statistischen Daten die reale Wirklichkeit widerspiegeln. Sollte man meinen. Statistiken lügen nicht, heißt es unter Experten. Das ist einerseits richtig. Andererseits kann es aber auch vorkommen, dass die relevanten Automobilstatistiken eine Wirklichkeit vorgeben, die gar keine ist – weder gestern war noch heute ist. Und daher zu falschen Schlüssen auf und über die Zukunft verleiten.

Quelle: KBA

Das gilt weniger für die langfristigen, strukturellen Branchentrends – die sind relativ stabil und robust. Nach dem Motto: „The trend is your friend“. Stark berührt sind dagegen die kurzfristigen, die konjunkturellen Einschätzungen der aktuellen Lage und die davon abgeleiteten Erwartungen für die Zukunft. Unvorhersehbare, exogene und abrupte Störungen im globalen wie nationalen Umfeld und Wirtschaftsablauf hebeln die Aussagekraft jeder noch so soliden Statistik aus.

Dieser Fall ist mit Ausbruch der Corona-Pandemie eingetreten. Ausgelöst durch eine Fülle von Störereignissen: erst globaler Corona-Lockdown, dann Ukraine-Krieg, Energiekrise und Preisexplosionen bei industriell und gesellschaftlich unverzichtbaren fossilen Energieträgern, kombiniert mit völlig ungewohnten Versorgungsengpässen bei strategischen Autoteilen und vor allem Speicherchips aus Asien. Und zu guter Letzt auch noch empfindliche Störungen der internationalen Logistik-Ketten im China-Handel.

All das zusammen hat zu hektischen erratischen Schwankungen und Ausschlägen in den statistischen Branchendaten der Autoindustrie geführt. Und war Anlass zu fortwährenden, sich fortpflanzenden konjunkturellen Fehleinschätzungen und Prognosen.

Statistische Daten führten zu falschen konjunkturellen Schlussfolgerungen

Nach den Erfahrungen früher Konjunkturzyklen waren und sind in marktwirtschaftlichen Systemen Rezessionen und Einbrüche beim Wirtschaftswachstum (BIP) und Beschäftigung ausschließlich Einbrüchen bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geschuldet, ausgelöst durch inflationäre externe Preisschocks oder interne Übernachfrage, und nachfolgend gezielten wirtschaftspolitischen Stabilitätsmaßnahmen des Staates zur Inflationsbekämpfung.

Die Hochzinspolitik brachte jeden Aufschwung zu Fall, aber auch jede Inflation. In der Autoindustrie kam es dabei regelmäßig zu Produktionseinbrüchen und Entlassungswellen und in den letzten Jahrzehnten ersatzweise zu hoher Kurzarbeit. War die Stabilität wieder erreicht, packte die Geldpolitik ihren Werkzeugkasten wieder zusammen, die Konjunktur sprang wieder an, das BIP-Wachstum kam zurück, und alles fing wieder von vorn an. Der gleiche Ablauf, nur mit heftigeren zyklischen Ausschlägen, prägte auch die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Automobilindustrie in den letzten fünf Jahrzehnten.

Diesmal, seit Beginn der Corona-Krise Anfang 2020 bis heute, war und ist jedoch alles anders. Die Statistiken spiegelten im konträren Wechselspiel Entwicklungen wider, die das krasse Gegenteil der Wirklichkeit sind:

  • Einbrüche bei der Pkw-Produktion und den Neuzulassungen von teilweise weit über 50 Prozent signalisierten eine veritable Branchenkrise, die es so gar nicht gab; sondern die ausschließlich technisch bedingt und lediglich Produktionsausfällen und Werkstilllegungen aus Materialmangel geschuldet waren – in der kapitalistischen Überflusswirtschaft der Nachkriegszeit ein völlig neues Phänomen; die Nachfrage blieb dagegen vergleichsweise hoch, die Bestände unerledigter Aufträge bei den Herstellern wuchsen rasant, bei den Zulieferern fiel die Nachfrage dagegen komplett aus.
  • Kurz darauf signalisierten wieder stark steigende Produktions- und Zulassungszahlen einen beginnenden „Autofrühling“ mit langanhaltendem Auto(hoch)sommer, der aber nur Scheinblüte war und auf einem Abbau der Auftragsbestände beruhte, keinem echten Konjunkturaufschwung der Autonachfrage auf breiter Front.
  • Untermauert wurde die Branchen-Scheinblüte durch Gewinnexplosionen bei allen Autoherstellern trotz geschrumpftem Absatz und ohne konjunkturelle Absicherung, die ausschließlich auf einer verbesserte Lieferfähigkeit und eine veränderte Wachstumsstrategie der Hersteller: “Kasse statt Masse“ beruhte, nicht auf überbordender Nachfrage nach neuen Autos. Und in der Gesamtwirtschaft als „Gewinninflation“ ihren Niederschlag fand.

Entsprechend verführte die seit Monaten zu beobachtende Aufwärtstendenz der Autokonjunktur zu falschen konjunkturellen Schlussfolgerungen. So vermeldet der VDA in seinem diesjährigen Monatsbericht Mai voller Zuversicht: „Deutscher Pkw-Markt holt weiter auf“. In der Tat lassen die neuesten Statistikdaten diese Schlussfolgerung des VDA zu:

  • In Deutschland wurden im Mai 247.000 Pkw und damit satte 19 Prozent mehr als ein Jahr zuvor neu zugelassen. Obwohl diese Zahl höher liegt als die Werte in den vergangenen vier Jahren, ist das Marktvolumen insgesamt noch niedrig, denn in jedem Monat Mai von 1991 bis 2019 wurden stets deutlich mehr Pkw neu zugelassen als im Mai des Jahres 2023. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 befindet sich der deutsche Pkw-Markt mit 1,1 Millionen Zulassungen mit 10 Prozent deutlich im Plus. Trotz dieser nach Meinung des VDA „ soliden Wachstumsrate“ wird das Vorkrisenniveau 2019 nach wie vor um ein Viertel unterschritten. – Marktwachstum hat also bisher nicht stattgefunden. Das sollte ein Alarmzeichen sein.
  • Auch bei der Pkw-Produktion und beim Export zeigen sich trotz aller positiver Tendenz bedenkliche Niveauverluste gegenüber früheren Normaljahren:
    • Zwar wurden in deutschen Autofabriken im Mai mit 381.000 Einheiten 25 Prozent mehr Pkw gefertigt als im Vorjahresmonat, die Produktion lag damit zum dreizehnten Mal in Folge über dem jeweiligen Vorjahresmonat. Seit Jahresbeginn wurden rund1,8 Millionen Pkw produziert, 32 Prozent mehr als im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum.
    • Konjunkturell fundiertes Wachstum war das aber nicht. Trotz der positiven Tendenz der vergangenen Monate verbleibt das Produktionsniveau noch signifikant unterhalb des Vorkrisenniveaus. So wurden in den ersten fünf Monaten des aktuellen Jahres noch 13 Prozent weniger Fahrzeuge hergestellt als in den ersten fünf Monaten des Vor-Corona-Jahres 2019.
    • Beim Export zeigt sich ein ähnliches Bild: Exportiert wurden im Mai 295.700 Pkw, 24 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Im aktuellen Jahresverlauf stieg der Export von Pkw parallel zur Produktion ebenfalls deutlich auf knapp 1,4 Millionen Einheiten an (+ 33 Prozent), die Volumina der Jahre bis 2019 wurden aber nach wie vor erheblich verfehlt.

In Wahrheit erlebte die Branche in den zurückliegenden Monaten eine Scheinblüte, die allem Anschein nach zu Ende geht. Denn trotz dieser schönen Konjunkturdaten und optisch hohen Zuwachsraten bei den wesentlichen Schlüsselzahlen, deuten andere Indikatoren eher auf eine bevorstehende stärkere Konjunktur-Abschwächung (= R-Wort) hin. Experten mahnen mit begründeten Argumenten zur Vorsicht. Denn: „Es fühlt sich nicht nach Rezession an, wenn die Zulassungszahlen steigen und die Margen hoch sind. Doch so wird es nicht bleiben“ (Burkhard Riering, Automobilwoche).

Das erhoffte konjunkturelle Durchstarten blieb diesmal aus

Ein wesentlicher Indikator für die kommende Konjunkturabschwächung sind die inländischen Auftragseingänge. Laut VDA gingen sie das ganze Frühjahr hindurch einschließlich Mai weiter zurück. Im Vergleich zum Vorjahresmonat wurden im Mai 2023 dieses Jahres 19 Prozent weniger Bestellungen registriert. Im Zeitraum von Januar bis Mai gaben die Inlandsaufträge um 28 Prozent im Vergleich mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum nach, obwohl die Pkw-Nachfrage bereits damals durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges beeinträchtigt war.

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Das erhoffte konjunkturelle Durchstarten nach dem Einbruch der Corona-Jahre, wie es früher nach Ölkrisen etc. immer eintrat und auf das Experten gehofft hatten, blieb diesmal aus. Die Rahmenbedingungen blieben dafür zu schlecht: hohe Inflation, hohe Zinsen, sinkende Realkommen und zusätzlich ein drohender struktureller Kaufkraftentzug bei den Verbrauchern durch Ausgaben und Investitionen zur Sicherung der Energieversorgung inklusive deren klimafreundlicher Transformation. Wie über viele Monate vom Gesetzgeber diskutiert und angedroht, was zur drastischen Verschlechterung des Konsumklimas führte. Beim Autokauf kam die Versunsicherung der Kunden über die Wahl der richtigen Antriebstechnik – rein elektrisch (BEV), Plug-In-Hybrid (PHEV) oder weiterhin Verbrenner in der Hoffnung auf Wasserstoff und Klimasprit (eFuels).

E-Autos sind sehr teuer. Wegen der schweren Batterien bieten deutsche Hersteller kaum Kleinwagen an. Die Lebensdauer von E-Autos ist weit kürzer als von Verbrennern. Wegen der Leistungssprünge in der Batterietechnik verschärft sich die Entwertung von Autos. Last but not least, der Batteriestrom ist schon jetzt teurer als Benzin und Diesel, extrem bei Schnellladestrom.

All das zeigt Wirkung und führt unweigerlich in den Abschwung der Autobranche. Neuzulassungen und Produktion täuschen eine konjunkturelle Scheinblüte vor. Die Teileversorgung funktioniert besser, die Produktion wird hochgefahren, die Lieferprobleme der vergangenen Jahre sind passé. Es gibt jetzt wieder genug neue Pkw, aber es gibt zu wenige Kunden dafür, das Angebot an Neuwagen übersteigt die Nachfrage, der Absatz lebt vom Abbau der hohen Auftragsbestände, die laufende Nachfrage reicht bei weitem nicht aus, um die Kapazitäten auszulasten. Das bedeutet: zu viele Neuwagen für zu wenige „Kunden“ (Christoph Baeuchle, Automobilwoche).

ZDK-Präsident sieht düstere Zeiten auf die deutsche Autoindustrie zukommen

Die Auftragsbücher der Hersteller sind bald leer und es kommt nur wenig nach. Insider gehen davon aus, dass die Auftragsbestände bei einigen nur noch bis ins dritte, bestenfalls ins vierte Quartal reichen, danach ist Schluss, müssen Produktion und Beschäftigung heruntergefahren werden. Dann zeigt die Autostatistik die wahren Verhältnisse.

Der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) Jürgen Karpinski sieht düstere Zeiten auf die deutsche Autoindustrie zukommen. Bei der Mitgliederversammlung in Regensburg spricht er aus, was viele denken: Die Nachfrage nach Autos liegt völlig am Boden. Die Zahl der Neuaufträge sei rückläufig, das Plus der Neuzulassungen täusche lediglich eine Trendwende vor. „Der Handel baut in erster Linie die hohen Lieferrückstände ab.“

Aber was kommt danach? Was geschieht, wenn die Neuwagen-Nachfrage schwach bleibt und die Auftragsbestände abgebaut sind? Bislang ist die Messlatte das Vorkrisenjahr 2019. Vielleicht ist das aber auch nicht mehr die Richtgröße. „Womöglich werden in Deutschland sogar nie wieder so viele Autos verkauft wie in den Jahren 2017, 2018 und 2019. In der Branche haben sich die Ziele dementsprechend verändert: Rendite schlägt Absatz“ (Automobilwoche).

Besonders bei deutschen Herstellern
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Auch wenn die aktuelle substanzielle Schwäche der deutschen Autoindustrie in der amtlichen Statistik (noch) nicht aufscheint, gibt es dafür untrügliche Anzeichen. Es sind nicht nur die Vermutungen wissenschaftlicher Experten von außen, sondern es sind ganz konkrete Berichte von innen. Zum einen berichtet der Insider-„Flurfunk“ von einer teilweise katastrophalen Auftragsentwicklung im Inlandsgeschäft bei einzelnen Volumen-Herstellern. Denn gerade in den verkaufsstarken Frühjahrsmonaten blieben die Kunden weg. Der Mai war bei vielen besonders schwach. Während früher die Neuwagen-Nachfrage im Frühjahr saisonal üblich als „Sturzbach“ daherkam und damit einen großen Teil der Jahresabsatzziele bei Hersteller und Handel abdeckte, mutierte sie diesmal, im Frühjahr 2023, zu einem kümmerlichen „Rinnsal“. Ein Hersteller habe weniger als ein Viertel der ursprünglich geplanten Aufträge eingefahren, heißt es aus der Branche.

Kein gutes Omen für den Rest des Jahres und die gesteckten Jahresziele. Schlimmer noch: „Es deutet also alles darauf hin, dass der Markt kippt und die Hersteller verstärkt zu Incentives greifen müssen, um ihn anzuschieben“ (Flurfunk). Das geschieht inzwischen quer durch die gesamte  Branche, die hohe Zeit der Rabatte und Incentives ist wieder angebrochen. Laut Medien gewährt Audi seinen Händlern, deren Höfe mit Neuwagen überquellen, inzwischen eine Fünf-Prozent-Zusatz-Marge bei gewerblichen Kunden.

Die schwache Nachfrage stellt als erstes Händler vor Probleme, dann die Hersteller

Andere Premium-Hersteller wählen weniger öffentlichkeitswirksame Kaufanreize. Tesla als Marktführer bei hochpreisigen Elektroautos versucht mit massiven Preissenkungen bis zu 10.000 US-Dollar, die Nachfrage anzukurbeln. Das neue Tesla-Werk in Grünheide ist bei nur 50 Prozent Kapazitätsauslastung stecken geblieben, Entlassungen drohen. All das hat den Wettbewerb erheblich verschärft. Die Gewinne schrumpfen, erste Sparprogramme wie bei VW werden aufgesetzt – alles früher schon mal dagewesen.

Die schwache Nachfrage stellt erfahrungsgemäß als erstes die Händler vor Probleme – denn die Neu-Kunden bleiben aus –, dann die Hersteller selber. Die müssen nun reagieren – alle, das gilt für Volumenhersteller wie auch für die Premium-Hersteller. Die Automobilwoche berichtet, dass Mercedes beispielsweise vor der Umstellung auf das Agenturmodell den Markt mit Vorführwagen gepusht hat. Das habe es noch nie in der Geschichte von Mercedes gegeben, berichtet ein Partner. Auch Audi scheint mittlerweile – trotz Kurzarbeit – wieder mehr Fahrzeuge als Aufträge dafür zu haben. „Sie beliefern uns sehr stark“, berichtet ein Händler. „März, April, Mai war der Wahnsinn.“ Die Zentralhöfe der Hersteller stehen voll und seien sogar verstopft. „Auch unser eigenes Lager ist mittlerweile fast übervoll“ (Automobilwoche).

Genauso waren die Abläufe früher auch: Erst laufen die Händlerlager mit nicht verkauften Neuwagen voll, dann die der Hersteller, und am Schluss müssen Produktion und Beschäftigung gekürzt werden. Der Abschwung setzt ein.

Privatkunden sind seit Monaten verunsichert und halten ihr Geld zurück

Spätestens ab Herbst 2023 ist diese Entwicklung wahrscheinlich. Denn eine rasche Besserung der Inlandsnachfrage nach neuen Autos ist nicht in Sicht: Über allen Verkaufskanälen herrscht Ruhe. Noch läuft das gewerbliche Fuhrparkgeschäft, in manchen Monaten überholen die Fuhrparkzulassungen sogar den Privatmarkt, aber auch hier schwinden die Auftragsbestände, kommt Normalisierung in Sicht (Dataforce Benjamin Kibies).

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Auch bei Autovermietern ist laut Automobilwoche Normalität zurückgekehrt, die Beschaffungs-Rückstände sind abgearbeitet. „Das Angebot an Autos ist heute schon ausreichend“ (Sixt-Finanzvorstand Kai Andrejewski). Mehr noch: „Zum Jahresende sehen wir Zeichen, dass das Angebot stark nach oben geht.“ Andere Vermieter sehen die Marktlage ähnlich. Dazu der Hinweis, dass Sixt seinen globalen Bedarf an preiswerten Elektro-Mietwagen in Höhe eines Giga-Volumens von 100.000 Einheiten beim chinesischen BYD Konzern decken wird; Vertrag steht. In den Auftragsbüchern der deutschen Hersteller findet das keinen Niederschlag.

Als weiterer Absatzkanal bleiben den Herstellern noch die Privatkunden, die immerhin noch ein Drittel der Pkw-Nachfrage ausmachen und den Zyklus bestimmen. Doch hier sind die Kunden seit Monaten verunsichert und halten ihr Geld zusammen. Ukraine-Krieg und Inflation dauern länger, als viele erwartet haben. „Seit September (2022) gehen die Aufträge von Privatkunden schleichend zurück“, so ZDK-Vize-Präsident Peckruhn). „Mittlerweile ist die Situation dramatisch.“ Das spiegelt der GfK-Konsumklimaindex wider. Im Oktober 2022 stürzte der Index auf ein historisches Tief und erholt sich seitdem nur langsam. Hinzu kommen die hohen Preise. Viele Hersteller machten zuletzt zwei bis drei Preisrunden pro Jahr. Das Angebot in den unteren Segmenten streichen viele der Gewinnmargen wegen zusammen, selbst Premium-Hersteller.

Knapp 43.000 Euro zahlten die deutsche Pkw-Käufer 2022 im Durchschnitt für einen Neuwagen, 5.000 Euro mehr als 2021 (+13 Prozent). Im Jahr 2010 hätte man dafür noch fast zwei neue Autos kaufen können (über +50 Prozent Teuerung). Gebrauchtwagen kosteten 2022 im Schnitt laut der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) 18.800 Euro und damit sogar 19 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Kurz: Das können sich viele private Kunden bei sinkenden Realeinkommen nicht mehr leisten. Im gewerblichen Bereich sieht das anders aus.

Die Schwäche der privaten Autonachfrage spiegelt auch die Zulassungsstatistik wider. Zwar wurde im Mai 2023 mit 246.966 Neuzulassungen ein gewaltiger Zuwachs von plus 40.000 Neuwagen gegenüber dem Vorjahr erzielt. Der Massenmarkt des sogenannten „kleinen Mannes*“ ging dabei aber fast leer aus. Denn zwei Drittel des Volumenzuwachses kamen von den drei Premium-Herstellern Audi, BMW und Mercedes. In Summe konnten diese drei ihren Absatz um über 50 Prozent steigern. Rechnet man ihre Absatzzahlen aus dem deutschen Gesamtmarkt heraus, verbleibt diesem lediglich noch ein Wachstum von 9 Prozent (Automobilwoche).

Hinzu kommt, dass bei den Herstellern ein steigender Absatzanteil von E-Autos am Gesamtabsatz mit erheblich geringeren Margen auf die Gewinne drückt. Als Folge machen drastische Kostensenkungsprogramme die Branchenrunde, der Volkswagen-Konzern ist gerade dabei, ein milliardenschweres Sparprogramm aufzusetzen.

Ungemach droht vom Absatzmarkt China

Kann die Branche wie früher üblich auf Hilfestellung aus dem Ausland, vom Export also hoffen? Danach sieht es aktuell nicht aus. Der ausländische Auftragseingang kann die Inlandsschwäche nicht kompensieren. Die Auslandsorders lagen im Mai 2023 um drei Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen die Aufträge um vier Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zurück.

Ungemach droht den deutschen Herstellern zudem vom wichtigen Absatzmarkt China. Laut den Medien boomt in China der Markt für Elektroautos, allerdings dort vor allem in den unteren billigen Segmenten, in denen die deutschen Hersteller – trotz aller Anstrengungen von VW – nicht vertreten sind. Gleichzeitig gerät der Markt für die traditionellen Verbrenner, bislang Domäne der deutschen Hersteller, unter Druck.

Das alles hat gesamtwirtschaftlich negative Folgen bei Einkommen und Beschäftigung. Und drückt weiter auf die Kauflust der Verbraucher. Die Gefahr einer Rezession wächst, zumal die Wirtschaft sich selber im BIP-Schrumpfungsmodus befindet. Ab Herbst 2023 schlägt in der deutschen Paradebranche Autoindustrie die Stunde der Wahrheit.

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Kommentare ( 35 )

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Kuno.2
9 Monate her

Jedenfalls geht die technische Entwicklung immer weiter und bleibt ausgerechnet bei der Batterieentwicklung nicht stehen. Nur weil von der Lügen- und Sensationspresse die Batteriealternativen voreilig angepriesen wurden, ist diese Entwicklung trozdem versprechend. Woher der Strom kommen soll? Dazu gibt es das Europäische Verbundstrom Netz. Aktuell liefert uns Tschechien den meisten Atomstrom und nicht mehr Frankreich.

WandererX
9 Monate her

Die Leute schlagen erst dann wieder zu, wenn man wieder 20% Rabatt bekommt und die Preise nicht ins Maßlose weiter steigen! Dazu kotzt sie dieses digital- Design an! Es gibt damit keinen gebrauchstüchtigen Golf mehr! Dummheit rächt sich mit der Zeit: Zahlen runter beim VW Golf.

Donostia
10 Monate her

Wenn die eigene Regierung meint sie müsste die beste Antriebsart zu Gunsten der Weltenrettung opfern, die aus meiner Sicht nur ein Scheinproblem darstellt, dann soll es so sein. Schließlich hat die Bevölkerung das gewählt.

Sani58
10 Monate her

Logisch. Ich setze doch nicht bei meinem nächsten Diesel auf ne woke Firma, die es dann bald nicht mehr gibt.
Sorry ihr Arbeiter in Rüsselsheim, Wolfsburg, Ingolstadt…..
Ihr habt in den letzten 8 Jahren euer Schicksal selbst gewählt in Merheit. Habt ja ganz gut verdient, und sicher ein Polster….+ Bürgergeld, gemeinsam dann mit Syrern, Afghanen, Ukrainern…..in netter Gemeinschaft.

Kuno.2
10 Monate her

Man muss die Autoverkäufe weltweit betrachten und nicht die in Deutschland. Bei uns sind die Verkäufe rein elektrisch angetriebener Automobile zwar deutlich steigend, aber dennoch geringer wie der Verkauf von Verbrennermodellen. Das ist in China und in ganz Asien ganz anders. In China kauft nur noch eine extreme Minderheit Verbrennerautos. Die breite Mehrheit denkt zukunftsgewandt. Toyota hat für 2025 die Marktreife einer Batterie für 1.500 Km Reichweite angekündigt. Spätestens dann werden Benzin- und Dieselfetischisten ihre alten Modelle verschenken müssen, weil Geld wird dafür dann kaum noch jemand hinlegen wollen. CATL in China verspricht jetzt schon 1.000 Km und will diese… Mehr

Last edited 10 Monate her by Kuno.2
Sani58
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

In China stehen 100tausende neue E-Autos auf Halde, kurz zugelassen von den Herstellern wegen der Statistik und staatlichen Vorgaben/Prämien , und sonst unverkäuflich. Eine Verschwendung von Resourcen sonders Gleichen.
Die Praxis wiederlegt ihre Theorie.

GP
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Die nächste Wunderbatterie am Start…. Bisher waren es allerdings Rohrkreppierer, wird diesmal auch nicht anders sein denn die elektrochemische Spannungsreihe der Elemente in diesem Universum lässt Wunder halt nicht zu….

Klarofix
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

China baut in seinen relevanten Großstädten analog zu den Verkäufen von E-Autos auch zeitnah die Elektro-Infrastruktur mit. In Deutschland dagegen kündigt die Regierung lediglich an, E-Autos und Wärmepumpen bei „Bedarf“ zu „dimmen“. Nur für uns gibt es gute Gründe, auch weiterhin lieber auf Verbrenner zu setzen . Vom Anschaffungspreis und der voraussichtlichen Lebensdauer hinsichtlich Akkutechnik ganz zu schweigen.

bfwied
10 Monate her
Antworten an  Klarofix

„Zu dimmen“! Deshalb haben bzw. bekommen wir auch den digitalen Stromzähler, der steuerbar ist – von außen! Ist man alt, wozu brauchen die Strom! Die wollen im Internet unterwegs sein? Auf gar keinen Fall, dann könnte sie ja sehen, wie es anderen Ländern geht – s. DDR!! Oder es würde die Bürger-Kinderchen „verunsichern“, und davor müssen wir sie „schützen“! So geht totalitärer Wahn.

bfwied
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

woher haben Sie diesen grünen Wunschtraum-Blödsinn? Der neueste Schrei: Feststoffakkus, in der Entwicklung: im Labor 20-40 % mehr Leistung möglich, in Wirklichkeit, lt. Entwickler, +15-20 %, bestenfalls. Ein LiIo-Akku bringt pro kg Masse 0,12-0,2 kWh, wobei die Regel auch bei neuen Akkus der Energiegehalt um 0,15 liegt. Bei einem um 1/3 vergrößerten Energiegehalt liegt die Energiedichte immer noch bei ca. 0,2 kWh/kg!! Benzin hat ca. 13 kWh/kg!!! Woher soll eigentlich der Strom kommen für die vielen Autoakkus? Und dann auch noch für die Heizung? Nichts passt zusammen, gar nichts, weil Traumtänzer den Staat eingenommen haben, die von gar nichts etwas… Mehr

bfwied
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

woher haben Sie diesen grünen Wunschtraum-Blödsinn? Der neueste Schrei: Feststoffakkus, in der Entwicklung: im Labor 20-40 % mehr Leistung möglich, in Wirklichkeit, lt. Entwickler, +15-20 %, bestenfalls. Ein LiIo-Akku bringt pro kg Masse 0,12-0,2 kWh, wobei die Regel auch bei neuen Akkus der Energiegehalt um 0,15 liegt. Bei einem um 1/3 vergrößerten Energiegehalt liegt die Energiedichte immer noch bei ca. 0,2 kWh/kg!! Benzin hat ca. 13 kWh/kg!!! Woher soll eigentlich der Strom kommen für die vielen Autoakkus? Und dann auch noch für die Heizung? Nichts passt zusammen, gar nichts, weil Traumtänzer den Staat eingenommen haben, die von gar nichts etwas… Mehr

c0benzl
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Diese Prognose mag zustimmen oder auch nicht. Mit meinem schwer verdienten Geld bin ich fuer Pionierleistungen und Marktexperimente jedoch nicht zu haben.

Ich bin wohl nicht der einzige Autokaeufer, der so denkt.

Klaus D
10 Monate her

Als arbeiter kann man sich das auto ja kaum noch leisten und es wird immer mehr zum luxus. Auch anderes macht den arbeiter immer ärmer so das dieser den konsum dratisch einschränken muss zb hohe steuern/abgaben, hohe mieten, hohe inflation, niedrige löhne. Gleichzeitig wird die wohlhabende mittelschicht und oberschicht immer reicher. Wir rutschen immer mehr in den sozialismus wo der arbeiter und bauer kaum noch was „bekommt“ während sich die wohlhabenden immer mehr bereichern können.

Astrid
10 Monate her

Es kommt halt so, wie es seit Jahren eingefädelt ist. Die Löhne und Gehälter sind in Deutschland zu hoch, nur konnte man sich halt nicht so ohne weiteres vom Standort lösen und die Leute mit hohen Abfindungen rausschmeißen, dass wäre zu teuer geworden. Das hat die Politik seit Jahren für diese Branche erledigt. Jetzt geht es für die Automobilhersteller und der Zulieferbetriebe ins Ausland, wo die Produktionskosten und die Löhne und Gehälter wesentlich niedriger sind und es weniger Arbeitnehmerrechte gibt. Die Bosse dieser Automobilfirmen sind in erster Linie Funktionäre und der Standort ist denen egal. Sie sind dafür zuständig, dass… Mehr

Kuno.2
10 Monate her
Antworten an  Astrid

Im weltweiten Vergleich befinden sich Löhne und Gehälter in Deutschland im Mittelfeld und eben nicht an der Spitze. Das ist schon lange her.

Astrid
10 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Die Produktion geht aber nach Osteuropa und China und da ist das Niveau eben noch unter dem der hiesigen Tarifverträge. Außerdem verdienen die Mitarbeiter in der Automobilindustrie immer noch wesentlich mehr, als Angestellte im Verkauf oder in der Gesundheitsbranche.

Donostia
10 Monate her
Antworten an  Astrid

Das Problem sind nicht die Löhne. Die könnten viel geringer sein, wenn die ganzen Steuern und Abgaben entsprechend geringer wären. Aber wenn man die ganze Welt und das Klima retten will muss man halt die Steuern und Abgaben erhöhen um es dann ins Ausland verschenken zu können.

Kuno.2
9 Monate her
Antworten an  Astrid

Da haben Sie nur teilweise Recht. Denn aktuell verlagern manche energieintensiven Betriebe wegen den hohen Energiepreisen den Standort.

TschuessDeutschland
10 Monate her

Die nächste Blase die platzt ist die Autokredit-Blase. Alle „Hersteller“ haben mittlerweile eine eigene Bank, das kann man dann nutzen, um die Absatz-Zahlen hochzujubeln, indem man fleißig alles finanziert – sprich auf Pump verkauft – was kommt. Wenn diese Blase wegen der steigenden Zinsen platzt – Gute Nacht Deutschland.

ktgund
10 Monate her

Bislang haben die Autohersteller ihre seit Monaten offenen Aufträge ja noch nicht einmal ansatzweise im Griff. Lieferzeiten von 12 Monaten und mehr sind das neue Normal, das heißt aber im Umkehrschluss, dass die meisten der aktuellen Neuzulassungen bereits vor einem Jahr oder noch länger bestellt wurden.
Also vor dem Höhepunkt der Habeckschen Wohlstandsvernichtungsorgie. Zudem ist schwer vorherzusagen, wie sich die langen Wartezeiten auf die Kaufentscheidungen auswirken, da es derzeit schwierig ist, langfristige Entscheidungen zu treffen.
Die Autoindustrie hat sich durch ihre willige Komplizenschaft mit dem Maskenfaschismus und den Ökospinnern selbst das Grab geschaufelt.

Peter Meyer
10 Monate her

Schaut mal bei Autoscout nach. Dort werden unglaublich viele Tesla 3 Modelle angeboten. Die Preise sind astronomisch.

GP
10 Monate her
Antworten an  Peter Meyer

Angeboten, sicher, aber auch gekauft?