Spektakulärer Prozess, Börsen weiter widerstandsfähig

Mit der Verurteilung des einstigen Silicon-Valley-Stars Elizabeth Holmes, die mit ihrem Blutanalyse-Startup Theranos Investoren um mehrere hundert Millionen Dollar geschädigt hat, endet einer der spektakulärsten Betrugsfälle, den Amerika seit Jahrzehnten erlebt hat. Was die Börsen angeht: Sie zeigen sich weiter robust.

shutterstock/katjen

Am Freitag hat ein Bundesrichter im kalifornischen San José den einstigen Silicon-Valley-Star Elizabeth Holmes zu elf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Holmes hatte mit ihrem Blutanalyse-Startup Theranos Investoren um mehrere hundert Millionen Dollar geschädigt. Scheitern sei in Ordnung, zitiert die „Neue Zürcher Zeitung“ den Richter aus seiner Urteilsbegründung, aber wegen Betrugs zu scheitern, sei nicht in Ordnung.

Damit endet einer der spektakulärsten Betrugsfälle, den Amerika seit Jahrzehnten erlebt hat. Mit 19 hatte Holmes ihr Unternehmen gegründet und galt lange als Vorzeigeunternehmerin im Silicon Valley, die den Medizindiagnosemarkt revolutionieren wollte. Statt den Patienten dicke Röhrchen voller Blut abzunehmen, sollten für Theranos-Geräte ein paar Tropfen aus dem Finger reichen, um Krankheiten frühzeitig, günstig und verlässlich zu diagnostizieren.

Amerikas Technologiebranche liebt derartige „disruptive“ Versprechen – noch dazu von einer attraktiven jungen Frau mit blondem Pferdeschwanz. Holmes Bild fand sich bald auf den Titelseiten von „Time“, „Fortune“ und „Forbes“, Theranos beschäftigte bald fast 1.000 Mitarbeiter und wurde mit neun Milliarden Dollar bewertet. Die größten Geldgeber waren die Walton-Familie und der Medienmogul Rupert Murdoch mit jeweils mehr als 100 Millionen Dollar, der damalige Vizepräsident Joe Biden nannte die Firma bei einem Besuch in Palo Alto einmal „ein Labor der Zukunft“.

In Wahrheit konnten die Geräte gar nichts. Holmes und Ramesh Balwani, ihr Mitgründer und 19 Jahre älterer Freund, dessen Strafmaß in der kommenden Woche bekanntgegeben wird, belogen die Investoren nach Strich und Faden. So etwa, dass der Jahresumsatz im Jahr 2014 100 Millionen Dollar betragen habe. Tatsächlich waren es nur 100.000 Dollar gewesen. Mitarbeitern, die Bedenken äußerten, drohten Holmes und Balwani mit der Kündigung.

Vieles erinnert an den Wirecard-Fall. Im Herbst 2015 begann das Kartenhaus zusammenzustürzen, als das „Wall Street Journal“ aufdeckte, dass Theranos viele seiner Tests in Wahrheit gar nicht auf den eigenen Maschinen durchführte, sondern auf Geräten etablierter Medizintechnikfirmen wie Siemens. Holmes diffamierte den Reporter als Frauenfeind und stritt alles ab. Doch die zuständige Bundesbehörde hielt in einem Bericht von Januar 2016 fest, dass „die mangelhaften Praktiken des Testgeräts eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Patienten darstellen“. Theranos musste seine Arbeit einstellen.

Holmes und Balwani wurden dann 2018 von der Börsenaufsichtsbehörde des Betruges angeklagt, weil sie Investorengelder im Umfang von 700 Millionen Dollar unter Vortäuschung falscher Tatsachen angenommen hatten. Als Teil einer erreichten Einigung musste Holmes zustimmen, in den nächsten zehn Jahren bei keiner öffentlichen Firma eine Managerposition anzunehmen. Unter neuer Führung meldete Theranos schließlich 2018 Konkurs an und wurde aufgelöst. Im gleichen Jahr wurde gegen Holmes und Balwani das Strafverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen sie nun ins Gefängnis muss.

Die Wall Street hat am Freitag moderate Gewinne verbucht. Die überwiegend mit Technologieaktien bestückten Nasdaq-Börsen hielten sich stabil. Ein Ausbruch aus der seit einer Woche laufenden Seitwärtsbewegung gelang nicht. Wesentlicher Impulsgeber bleibt die Zinspolitik der US-Notenbank. Auch Chinas Umgang mit der Corona-Pandemie hat weiter das Potenzial, die Märkte in die eine oder andere Richtung zu schicken.

Der Dow Jones Industrial beendete den Handel mit plus 0,6 Prozent auf 33.746 Punkte und hielt sich damit auf dem Niveau von vor einer Woche. In den vier Wochen zuvor war der bekannteste Wall-Street-Index in Summe um fast 20 Prozent hochgeschnellt. Der S&P 500 schloss 0,5 Prozent höher auf 3.965 Zählern. Der Nasdaq 100 hielt sich mit 11.677 Punkten auf Vortagesniveau. Auf Wochensicht bedeutet das einen Verlust von 1,2 Prozent. Ihm hatte die vorangegangene Rally seit dem Tief Mitte Oktober in der Spitze ein Plus von 15 Prozent beschert.

Unter den Einzelwerten profitierten die Aktien von Foot Locker von einem starken Quartalsbericht und sprangen um 8,7 Prozent hoch. Jefferies-Analyst James Grzinic lobte vor allem die starke Bruttomarge des Sportschuhhändlers, die auf eine unerwartete Widerstandskraft des US-Marktes verweise. Der Chipindustrie-Ausrüster Applied Materials gab einen überraschend optimistischen Ausblick auf das Schlussquartal. Die anfangs deutlichen Gewinne der Aktie bröckelten jedoch auf 0,4 Prozent ab. Coinbase litten dagegen mit minus 7,2 Prozent unter einem negativen Analystenkommentar der Bank of America. Analyst Jason Kupferberg ist angesichts der Auswirkungen durch den Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX vorsichtig geworden. Die Insolvenz von FTX sorge für Gegenwind auch bei Coinbase, schrieb er und strich seine Kaufempfehlung.

Der Dax hat zuvor eine weitere Woche mit einem positiven Ergebnis beendet. Der deutsche Leitindex ging 1,2 Prozent höher bei 14.432 Punkten über die Ziellinie. Auf Wochensicht hat er mit knapp 1,5 Prozent das siebte Wochenplus in Folge eingefahren. Allerdings fiel es dieses Mal kleiner aus als in den vergangenen vier Wochen. Dies zeigt, dass die Luft auf dem höchsten Niveau seit Anfang Juni allmählich etwas dünner wird. Mehr als ein Fünftel hat das Kursbarometer seit Ende September gewonnen. Nach drei schwachen Handelstagen legte der MDax um 0,9 Prozent auf 25.746 Punkte zu. Anders als der Dax konnte der Index der mittelgroßen Werte damit kein positives Wochenfazit ziehen.

Im Dax wurden die SAP-Aktionäre mit einem Abschlag von 2,3 Prozent kalt erwischt. Hier belastete ein gleich um zwei Stufen gesenktes Votum der Experten des Analysehauses Jefferies. Analyst Charles Brennan sieht durch die strikte Kostenkontrolle, mit der das Management des Softwarekonzerns auf die schwächere Konjunktur reagiere, die Mittelfristziele gefährdet. Auch gehörten die SAP-Aktien zu den teuersten im Sektor.

Gestärkt mit 2,6 Prozent Kurszuwachs zeigten sich dagegen die Anteile des Energiekonzerns Eon nach einer Kaufempfehlung von Société Générale. Versorger waren am Freitag allgemein weiter gefragt, nachdem am Vortag endlich Klarheit geschaffen wurde bezüglich einer britischen Übergewinnsteuer. RWE kletterten um 1,5 Prozent auf das höchste Niveau seit zwei Monaten. Bei MTU sorgte der tags zuvor begeistert aufgenommene Geschäftsausblick weiter für Auftrieb. Nun erhöhten gleich mehrere Analystenhäuser ihre Kursziele. Die Aktien des Triebwerkbauers kletterten auf das höchste Niveau seit drei Monaten, indem sie um 3,2 Prozent zulegten.

Im MDax gehörten Knorr-Bremse mit 2,7 Prozent zu den größten Gewinnern, nachdem die Experten von Oddo BHF eine Kaufempfehlung abgegeben hatten.

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Kommentare ( 1 )

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Iso
2 Jahre her

Wenn man sich das Strafmaß für Elizabeth Holmes anschaut, dann lebt ein deutscher Politiker, der Jahr für Jahr Vermögenswerte in 2- bis 3-stelligen Milliardenbereich vernichtet, ein ziemlich sorgenfreies Leben. Warum es für ideologische Kapitalvernichtung einen Haftungsausschuss gibt, dürfte in Zukunft intensiv diskutiert werden. Ansonsten wartet das Schlussquartal üblicherweise mit den besten Börsenmonaten auf.