Die Inflationswelle kommt – warum bleibt der Goldpreis unten?

Normalerweise treibt Geldentwertung den Preis für das Metall. Dieses Mal nicht. Für die Anomalie gibt es Gründe, die Anleger jetzt kennen sollten. Langfristig spricht vieles weiter für Gold.

shutterstock/CL

Der US-Kongress hat das größte Wirtschaftsbelebungsprogramm in der Geschichte des Landes verabschiedet: 1,9 Billionen Dollar will die Administration von Joseph Biden auschütten, um die ökonomischen Corona-Folgen auszugleichen.

Zu dem gewaltigen Programm gehört eine deutliche Ausweitung der Arbeitslosenhilfe, eine direkte Geldüberweisung von 1400 Dollar an alle Bürger bis zur Einkommensgrenze von 75 000 Dollar, aber auch ein Hilfspaket von allein 30 Milliarden Dollar für die Gastronomie. Bidens Billionen-Paket ist so angelegt, dass möglichst viel von dem Staatsgeld in den Konsum fließt. Das drückt die Inflationsrate in den kommenden Monaten deutlich nach oben. Ökonomen erwarten in den USA für 2021 eine Geldentwertung von 2,24 Prozent, also einen sehr starken Sprung. Im vergangenen Jahr lag die Dollar-Inflation gerade bei 0,62 Prozent.

Geldanlage
Auch die Europäische Zentralbank rechnet mit einer anziehenden Inflation für den Euroraum, die sie ausdrücklich befeuern will Auf ihrer letzten Sitzung kündigte EZB-Chefin Christine Lagarde eine Ausweitung der Anleihekäufe an, gleichzeitig bekräftigte sie die Null-Zins-Politik. Für Deutschland rechnet Bundesbankpräsident Jens Weidmann mit einer Inflation von drei Prozent im aktuellen Jahr – vor allem wegen der CO2-Steuer, die Energie verteuert, und der wieder angehobenen Mehrwertsteuer.

Außerdem zog im März der Ölpreis nach einem langen Tief wieder deutlich an. Auch das treibt in Deutschland und weltweit die Verbraucherpreise.

Steigende Inflation, das bedeutet normalerweise auch immer: einen anziehenden Goldpreis. Beide Kurven bewegten sich in der Vergangenheit weitgehend im gleichen Takt. Das Edelmetall galt historisch immer als bester Inflationsschutz. In einem Währungsraum mit Nullzins fällt auch sein größter Nachteil weg – nämlich der, dass es keine Zinsen bringt.

Obwohl also nach Lehrbuch alles für eine Gold-Rally spricht, bleibt sie bisher aus. Der Preis pro Unze pendelt derzeit um die 1450 Euro – und liegt damit nur leicht über dem Wert vor einem Jahr. Von seinen Tiefstständen in den letzten sechs Monaten scheint sich der Preis ganz allmählich zu erholen. Von dem Höchststand im Jahr 2020 bei über 1700 Euro pro Unze ist Feingold zurzeit weit entfernt. Und nicht nur das: während die Inflationserwartung deutlich stieg, fiel der Preis für die Barren und Münzen seit Februar sogar noch.

Warum? Für die Anomalie, dass Inflations- und Goldkurve 2021 auseinander laufen, gibt es mehrere Gründe.

  • Erstens: Sehr viel Geld, das in Zeiten anziehender Inflation in sichere Güter floss – also vor allem Edelmetalle – steckt heute in Krypto-Währungen. Nach einem kurzen Rückgang auf unter 39 000 Euro steht der Preis für ein Bitcoin heute wieder um 47 000 Euro. Die Marktkapitalisierung alleindieser einen elektronische Währung beträgt derzeit mehr als 880 Milliarden Dollar. Daneben existieren noch dutzende kleinere Krypto-Bezahleinheiten. Finanzexperten wie der Investor Paul Tudor Jones empfahlen Bitcoin schon im Mai 2020 ausdrücklich als Inflationsschutz. Wer so früh wie er einstieg, muss sich um die Entwertung seines Kapitals derzeit in der Tat kaum Sorgen machen.
  • Zweitens verschwand spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 ein wichtiger Treiber des Goldpreises: der Großeinkauf über Zentralbanken. In allen wichtigen Volkswirtschaften starteten die Regierungen angesichts von Corona Programme zur Wirtschaftsstimulation. Um sie zu finanzieren, legten Zentralbanken mehr Wert auf Liquidität. Laut World Gold Council gingen die Goldeinkäufe der Zentralbanken 2020 um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.
  • Drittens fließt nach wie vor weltweit viel Liquidität in die Aktienmärkte, auch in Europa, aber mehr noch in den USA und Asien. Solange der Boom an den Börsen anhält, dürfte der Goldpreis nicht sehr stark nach oben klettern. Denn der rare Stoff ist nicht nur ein klassischer Schutz gegen Kaufkraft-Schwund, sondern auch ein typisches Angst-Metall. Kommt es zu einem Absturz an den Aktienmärkten – durch eine Korrektur, die irgendwann fällig ist, oder wegen eines äußeren Ereignisses, etwa eine neue Pandemie, einen großen Terroranschlag oder ein Krieg – dann kostet auch die Unze Gold auch wieder deutlich mehr.

Lohnt sich also jetzt ein Einstieg? Wer sein Vermögen gegen Inflation bei Nullzinsen sichern will, dem bleiben nicht viele Möglichkeiten: Immobilien, Edelmetalle, Kryptowährungen und Aktien, die beiden letzteren mit größeren Verlustrisiken.

Längerfristig spricht vieles für einen wieder anziehenden Goldpreis, spätestens dann, wenn die Party an den Börsen endet. Setzt sich die Inflation in den kommenden Jahren dauerhaft fest, dann steigt auch der Wert für Gold fast unausweichlich.

Wer seine Anlagen vernünftigerweise streuen und etwas Edelmetall ins Depot legen will, tut das am besten in einer Tiefpreisphase. Etwa ein Zehntel seines Kapitals in die gewichtigen Barren zu stecken – diese Faustformel bleibt auch in Zukunft richtig.

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Kommentare ( 64 )

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Korner
3 Jahre her

Der Goldpreis war in den letzten Monaten überhitzt.

Iso
3 Jahre her

Längerfristig wird immer alles teurer, entscheidend ist nur der betrachtete Zeitraum. Schau ich mir die letzte Rechnung für den TÜV in DM an, dann waren das mal 80,-DM, heute bereits 110,-€, was 65% Kaufkraftverlust der Währung entspricht. Gleiches kann man beobachten, wenn man alte Mietverträge, Energiekosten, oder Restaurantrechnungen anschaut. So richtig kann man diese Verluste mit Aktien auch nicht ausgleichen. Denkt man nur mal an Wirecard, dann ist das halt Geld weg. Oder auch simple Standardaktien wie Versorger, Banken, Fluggesellschaften machen nicht wirklich Spaß. Sollte man mit Aktien dennoch Gewinne machen, schnappt sich der Statt davon einen ordentlichen Anteil vor… Mehr

Horst
3 Jahre her

Was genau passiert denn in 3-6 Monaten bilanztechnisch? Warum sollte das nicht noch 3-6 Jahre so weitergehen?

Reinhard Lange
3 Jahre her

Ist es so schwer zu verstehen, dass es für eine Inflation Lohnsteigerungen bedarf. Wenn ansonsten die Verbrauchsgüterhersteller ihre Preise erhöhen, gibt es nämlich niemanden, der ihnen das Zeug abkaufen kann, für das sie die Preise erhöhen möchten. Es gibt einen empirisch sehr gut bestätigten Zusammenhang zwischen Inflation und Lohnstückkosten, also der Arbeitsproduktivität. Wenn die Löhne über einen längeren Zeitraum stärker steigen als die Arbeitsproduktivität, gibt es Inflation, wenn sie im Verhältnis zur Arbeitsproduktivität fallen, gibt es Stagnation oder Deflation. In Deutschland sind wir von nennenswerter Inflation gegenwärtig Lichtjahre entfernt. Daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern –… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her
Antworten an  Reinhard Lange

Wozu braucht Inflation heutzutage Lohnsteigerungen?
Für jeden armen Arbeiter, der mit seinem Lohn nicht mehr über die Runden kommt, gibts einen fett gemästesten Unproduktiven in irgendeiner NGO, der sich jede Menge Krempel leisten kann. Und da steigen die „Löhne“, aber hallo die Waldfee.

GermanMichel
3 Jahre her
Antworten an  Reinhard Lange

Vor dem €uro war 2500DM Brutto monatlich ok, 30 Jahre später sind 1250€ brutto im Monat ein Hungerlohn. Ein Bier kostet jetzt 8-10 DM, 1l Benzin 3DM, 1 Döner 10DM, ein Haus im Ballungsgebiet 1 Million DM.

Aber ja, die Zentralbanken kämpfen um inflation (hier mal mit CPI gleichgesetzt) und schaffen es einfach nicht … dabei opfern sie sich für UNS auf!

Es ist Herz anrührend. Wir alle (und ganz Venezuela) drücken ihnen die Daumen dass sie doch noch Erfolg haben.

Imre
3 Jahre her
Antworten an  Reinhard Lange

Na ja,… Die Inflation ist aber definiert durch die Zunahme der Geldmenge, also das Gelddrucken durch die EZB. BISHER war das nur bei den Vermögenspreisen auffällig. Seit Wochen (?konzertierte und ? gewünschte Aktion) ziehen die Verbraucherpreise deutlich an, und das noch dazu in einer Branche (Lebensmittel), welche durch Corona kaum betroffen war! Also wohl doch von „unsichtbarer Hand“ befördert….Den üblichen Verdächtigen traue ich alles zu! Die letzte Hälfte Ihrer Ausführungen sollten Sie nochmal genauer durchdenken, und nein, H.- J. Tenhagen, Bild und Co sind keine geeigneten Ratgeber. Für die Immobilien erliess unsere weise Regierung vor Jahren die Zwangshypothekengesetze – als… Mehr

Lichtenberg
3 Jahre her

Hier der Kursverlauf von Gold von 2000 bis 2021:
https://www.boerse.de/charts/Gold/XC0009655157

Zinnober
3 Jahre her
Antworten an  Lichtenberg

Herr Lichtenberg, dann schauen Sie doch bitte gleich die Goldpreisentwicklung seit 1975 an und vergleichen das mit dem Nasdaq-100 Index. Dann werden Sie verstehen, dass eine zu hohe Goldgewichtung des Portfolios nicht sinnvoll ist.

Lichtenberg
3 Jahre her
Antworten an  Zinnober

Sie unterliegen einem Mißverständnis. Ich mache keine Werbung für Gold und habe keins. Ich nutze allerdings u. a. Charts für Gold, Öl und Wertpapiere, um mir einen möglichst umfassenden Überblick über die Situation an den Börsen zu verschaffen. Dies sollte eigentlich jeder tun, anstatt sein Anlagekapital beispielsweise unkritisch in Riesterprodukte und andere von der Hausbank angebotene Finanzprodukte zu „investieren“. Dabei bin ich gegenüber bestimmten Anlageformen in Edelmetallen nicht grundsätzlich ablehnend eingestellt. In der Vergangenheit habe ich beispielsweise kleinere Positionen in Gold- und Silberaktien als Beimischung in meinem Aktiendepot gehalten und werde dies – sollten die Kurse dieser Metalle deutlich zurückgehen… Mehr

Imre
3 Jahre her
Antworten an  Lichtenberg

Auf stark sinkende Metallpreise würde ich, bei aller Trickserei und Manipulation, meine Hand nicht in’s Feuer legen…. Wir bewegen uns bereits in unbekanntem Terrain (MMT und Staatsfinanzierung mit der Druckerpresse usw.).

Lichtenberg
3 Jahre her
Antworten an  Imre

Darum schrieb ich im Konjunktiv – an der Börse gelten keine festgefügten Vorlieben sondern Pragmatismus und Flexibilität.

Candida Albicans
3 Jahre her

Gerade habe ich den hochinteressanten Artikel von Alexander Wendt über den Mandela-Effekt gelesen. Und hier sehe ich ein paar Minuten später ein paar gute Beispiele dafür. Warum werden hier Bitcoin und Co. als „Kryptowährung“ bezeichnet? Das sind keine Währungen.Das sind nicht mal Tulpenzwiebeln, denn die kann man einpflanzen und sich an der Blütenpracht erfreuen. Und das dann noch in einem Satz gleichzustellen mit Immobilien, Aktien und Gold, finde ich schon mutig. Warum werden immer „10% Gold“ empfohlen? Warum nicht 5% oder 50%? In fast jedem Artikel, in fast jedem Interview hört man diese völlig unbegründete Zahl. Wahrscheinlich hat mal einer… Mehr

Imre
3 Jahre her
Antworten an  Candida Albicans

Die 5-10% in EM empfahl man in relativ soliden finanziellen Verhältnissen, darüber sind wir lange hinaus, weshalb vor einigen Jahren bereits von 20-40% als Richtwert gesprochen wurde. (von Weitsichtigen!) Deutlich darüber treten vermutlich neue Risiken auf, die gilt es abzuwägen…, gibt sicher noch (wenige) andere Möglichkeiten.

The Walking Jo
3 Jahre her

Um nicht manipuliert zu sagen, wird der Goldpreis in Amerika festgelegt.Wem das nicht klar ist, der braucht sich nur mal die Umsätze der Comex ansehen, und wird feststellen, dass dort ganze Monatsproduktionen von Papiergold innerhalb von Stunden gehandelt, und auch unlimitiert in den Markt geschüttet werden. Ebenso haben die Aktienkurse nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun. So wird Tesla nur für die Absicht hochgejubelt, dass sie mal 20 Millionen Fahrzeuge bauen wollen, gegenwärtig aber nur ein paar hunderttausend liefern. Man braucht sich von dem Casino nicht verunsichern lassen. Falls man Gold hat, und die Währungen werten durch weitere EQ… Mehr

fatherted
3 Jahre her

Was vorher in Gold floss, fließt jetzt in Bitcoin und Co. Solange die großen Industriestaaten diesen nicht einschränken oder verbieten…ist das ja auch ein attraktive Invest. Wenn es allerdings mal knallen sollte…und BTC wird wie in Indien verboten….tja….dann bekommt man für seine Cryphtos auch in Dubai keinen Cent mehr. Risiko-Invest nennt man das glaube ich.

Landdrost
3 Jahre her

Nicht zu beweisen aber höchst wahrscheinlich ist dann noch die Manipulation des Goldpreises über Future zB an der Comex eben durch die Zentralbanken. Was wäre es für ein Signal für die Inflationserwartungen, wenn der Goldpreis immer weiter steigen würde? Verheerend und eben deshalb wird der Goldpreis nach unten manipuliert.

Thorsten
3 Jahre her

Richtig, genauer: Der Nomimalpreis (in Euro) steigt wegen der sinkenden Realkaufkraft.