Bärenmarktrally im Abwärtstrend?

Das war kein schönes erstes Halbjahr für Anleger. Verluste aller Orten, auch wenn der US-Aktienmarkt am Freitag nach langer Durststrecke mit einer schwungvollen Erholung eine erfreuliche Woche zu Ende gebracht hat.

shutterstock/katjen

Es war der Reflex auf Spekulationen, dass die US-Notenbank bei ihrem Zinserhöhungskurs etwas den Fuß vom Gas nehmen könnte, sollte die Wirtschaft in eine Rezession rutschen und die Inflation sich etwas abkühlen. Skeptiker warnen am Freitagabend vor einer Bärenmarktrally, also einem nur kurzen Aufbäumen in einem längeren Abwärtstrend. Der Dow Jones schloss mit kräftigen Kursgewinnen auf einem Zweiwochen-Hoch bei 31.501 Punkten. Der Kursgewinn belief sich damit auf 2,7 Prozent. Erstmals seit Ende Mai gab es wieder ein Wochenplus; mit 5,4 Prozent fiel dieses gleich deutlich aus. Der marktbreite S&P 500 legte 3,1 Prozent auf 3.912 Zähler zu, und der NASDAQ 100 machte mit 3,5 Prozent auf 12.106 Punkte ebenfalls deutlich vorwärts. Er hat in dieser Woche sogar um 7,5 Prozent zugelegt.

Konjunkturell waren die Signale am Freitag gemischt. Zwar ist die Stimmung der US-Verbraucher im Juni auf ein Rekordtief gefallen. Allerdings wurden die aus der Befragung resultierenden längerfristigen Inflationserwartungen etwas nach unten revidiert. Dies wurde als vages Hoffnungssignal gesehen, dass die US-Notenbank Fed die Inflation bald halbwegs in den Griff bekommen könnte.

Generell konnten sich einige bislang im Juni wegen der Konjunktursorgen abgestrafte Branchen kräftig erholen. Dies trieb die Anleger zurück in Dow-Papiere wie etwa jene des Softwarekonzerns Salesforce oder des Flugzeugbauers Boing mit Anstiegen um 7,4 respektive 5,6 Prozent. In der Branchenwertung war auch der Bankensektor mit Anstiegen zwischen 5,2 und 7,6 Prozent vorne dabei. Hier half es, dass die größten Geldhäuser in den USA nach Einschätzung der Fed über eine krisenfeste Kapitalausstattung verfügen. Alle 34 Großbanken bestanden den jährlichen Stresstest der Finanzaufseher.

Eine Rally legten auch Verkehrs- und Tourismuswerte hin, darunter die Fluggesellschaften. Die Papiere von United Airlines führten die Gewinnerliste an. Noch dynamischer zeigten sich die Titel von Kreuzfahrtanbietern wie Royal Caribbean, die 16 Prozent gewannen.

Der Logistiker FedEx sorgte für Gesprächsstoff mit einem überraschend guten Geschäftsausblick. Dieser ließ die Aktien um 6,6 Prozent nach oben springen auf den höchsten Stand seit Februar. Auch wenn Lieferkettenprobleme sowie höhere Kosten der Branche zuletzt zu schaffen machen, erwirtschaftete der Konzern im jüngsten Quartal deutlich mehr Umsatz. Auch der Betriebsgewinn stieg.

Am Ende einer abermals turbulenten Woche hatte die starke Eröffnung der US-Börsen dem Dax schon ordentlich Rückenwind beschert. Der deutsche Leitindex stieg nach einem Schlussspurt letztlich um 1,6 Prozent auf 13.118 Punkte und glich damit die Wochenverluste nahezu aus. Der MDAX legte am Freitag um 1,7 Prozent auf 26.952 Zähler zu.

„Vorerst lassen die Rezessionssorgen keine nachhaltige Börsenentspannung zu“, warnte Robert Halver, Kapitalmarktstratege der Baader Bank, vor allzu viel Optimismus. Sorgen vor Inflation, Rezession und Krieg klebten den „Börsen wie Kaugummi am Schuh“, so Halver. Der Dax hat seit seinem Zwischenhoch Anfang Juni fast elf Prozent eingebüßt. Halver gibt aber auch zu bedenken: „Es wartet viel Geld an der Seitenlinie, das sich bei Perspektivenaufhellung sofort zurück an die Aktienmärkte traut und für eine Kursbefestigung sorgt“. Dafür müsste sich aber erst das Geschäftsklima verbessern. Sorgen bereiten den Unternehmen vor allem die Strompreise und drohende Gasknappheit.

Zur Erholung des Dax trugen vor allem Aktien aus dem Gesundheitsbereich bei. So befanden sich mit Merck KGaA, Siemens Healthineers, Sartorius, Quiagen und Fresenius gleich fünf Titel unter den 15 größten Gewinnern. Merck KGaA lagen mit plus 5,6 Prozent an der Dax-Spitze. Im MDax waren Evotec mit einem Plus von 5,8 Prozent der Spitzenreiter.

Eine Achterbahnfahrt erlebte im Handelsverlauf die Aktie von Zalando. Nach drastisch reduzierten Jahreszielen des Online-Modehändlers sackten die Papiere um bis zu 18 Prozent ab und damit auf den tiefsten Stand seit fast acht Jahren. Auch Aktien aus der Mode- und Onlinebranche wurden von der Nachricht zunächst in Mitleidenschaft gezogen. Am Nachmittag erholten sich die Aktien aber und standen lediglich mit 1,6 Prozent im Minus.

In diesem Marktumfeld empfehlen immer mehr Analysten der Wall Street, sich einem anderen Anlage-Instrument zuzuwenden: Dividendenaktien. Diese werden in Rezessionen immer attraktiver, da sie den Anlegern ein stetiges Einkommen bieten – und Aktien mit kontinuierlich wachsenden Dividenden können auch als Absicherung gegen die Inflation dienen. Während Anleger Dividendenaktien natürlich auch einzeln kaufen können, bieten ETF (Exchange Traded Funds, börsennotierte Fonds) nicht nur ein Engagement in diesem Bereich, sondern auch eine Diversifizierung. Das Investment in ETF reduziert die Volatilität eines jeden Portfolios.

Ein gutes Beispiel ist der „Vanguard International High Dividend Yield Index (VYMI)“. Er bietet Anlegern, die sich nicht selbst um die Aktienauswahl kümmern wollen, eine internationale Diversifizierung zusammen mit einer hohen Dividendenausschüttung von 3,5 Prozent. Hinsichtlich der Kursentwicklung sticht der ETF mit einem diesjährigen Minus von zehn Prozent durchaus hervor (Kostenquote 0,22 Prozent).

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Kommentare ( 3 )

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3 Comments
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Thrym
1 Jahr her

Ob das ein schönes Jahr für Anleger war, hängt stark vom Anlagehorizont ab. Ich persönlich bin auf dem Papier zwar jetzt einen mittleren fünfstelligen Betrag ärmer, aber da ich unter 40 bin und ein gutes Gehalt habe freue ich mich trotzdem fast euphorisch über die momentanen Kurse. Der nächste Bärenmarkt kommt bestimmt und genau in solchen Situationen werden die Millionäre von morgen gemacht. Es ist wirklich für jeden etwas dabei auf dem Wühltisch: Qualitätsaktien wie BASF (den größten Chemiekonzern der Welt wird es bei allen Gassorgen noch geben, wenn wir alle längst tot sind), Kryptowährungen wie Ethereum, selbst Silber… Momentan… Mehr

Alexis de Tocqueville
1 Jahr her

Ein gutes Beispiel ist der „Vanguard International High Dividend Yield Index (VYMI)“.

Kann man den denn als EU ansässiger Privatkunde überhaupt kaufen? Fehlt da nicht auch so ein Mifid-2 Bürokratieblättchen, wie auch beim VYM, VIG, VT?
So weit ich weiß, muss man sich einen Optionsbroker suchen und dann einen Put im Geld verkaufen, so kann man sich die US-ETFs einbuchen lassen.
Bezüglich Herrn Halver möchte ich mich meinem Vorkommentator hier anschließen. Dem Kerl würde ich keinen Gebrauchtwagen abkaufen.

Last edited 1 Jahr her by Alexis de Tocqueville
Guzzi_Cali_2
1 Jahr her

Die Börsenkommentare von Robert Halver auf YouTube gucke ich immer an, um dann das Gegenteil dessen zu tun, was dieser Unsympath empfiehlt. Der Mann ist Banker und sein einziges Interesse ist, daß die Leute wieder in Aktien gehen, denn z.B. mit Edelmetallen hat er nichts am Hut und kann damit auch kein Geld verdienen. Seine „Ausblicke“ kommentieren meist nur den Status Quo – auch er hat eben keine Glaskugel.