Alles andere als ein klares Bild

Der Dax konnte sein Minus von zeitweise bis zu 1,5 Prozent in den letzten Handelsstunden deutlich reduzieren und ging noch 0,3 Prozent tiefer bei 12.689 Punkten über die Ziellinie. Trotz vier Verlusttagen in Folge konnte er dank eines starken Montags ein Wochenplus von 1,8 Prozent einfahren. Für den MDAX der mittelgroßen Werte ging es am Freitag um 0,4 Prozent auf 27.249 Zähler bergab.

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Der statistisch schwächste Börsenmonat ist vorbei. Historisch hat der DAX seit 1959 (Rückrechnung bis 1988) im September im Schnitt über 1,7 Prozent an Wert eingebüßt. Die Dürreperiode verlief dieses Jahr mit 1,4 Prozent Verlust glimpflich. Das Verrückte an diesem Minus: Es fühlt sich im bizarren Corona-Jahr wohltuend nach Normalisierung an. Noch im August waren die Börsen im Virenmodus unterwegs: 2020 legte der Leitindex hier gut fünf Prozent zu, dabei verlor er im historischen Mittel 0,3 Prozent. An der Wall Street lief es noch extremer: Auf euphorische und weit überdurchschnittliche sieben Prozent Gewinn im August folgte ein zeitweise panischer September, in dem der breite S & P 500 fast vier Prozent abgab. Sicher ist: Der Oktober ist statistisch gesehen ein Monat mit Rückenwind für DAX und S & P 500. Im US-Wahljahr wären jedoch starke Kurszuwächse an der Wall Street auch ein Zeichen, dass Donald Trump die US-Wahl gewinnt. Laut Statistik blieb der US-Präsident bisher in 90 Prozent der Fälle im Amt, wenn der S & P 500 die drei Monate vor der Wahl mit Gewinnen beendete.

Der globale Markt für Fusionen und Übernahmen (M & A) hat sich zuletzt weitaus besser entwickelt, als die meisten Experten erwarteten. So stieg das M & A-Volumen im dritten Quartal auf 456 Milliarden US-Dollar, laut dem US-Konzern Refinitiv der höchste Wert seit drei Jahrzehnten. Am stärksten zum Aufschwung trugen Übernahmen in der Technologiebranche im Wert von 226 Milliarden US-Dollar bei. Insgesamt dürften vor allem Nachholeffekte zum Rekordboom geführt haben, nachdem im Frühjahr Unternehmenskäufe wegen der Corona-Krise fast vollständig zum Erliegen gekommen waren. Das zeigt sich auch, wenn man das M & A-Gesamtvolumen 2020 betrachtet. Demnach wurden im bisherigen Jahresverlauf weltweit Deals im Wert von 2,2 Billionen US-Dollar abgeschlossen. Das ist das niedrigste Niveau seit 2013.

Es mehren sich Stimmen, die vor zu viel Wachstumseuphorie warnen. So sieht das Global Market Strategy Office von Invesco die Weltwirtschaft am Beginn eines neuen Konjunkturzyklus. Aufgrund der andauernden Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 und der früher oder später zu erwartenden fiskal- und geldpolitischen Straffung werde die Erholung ihrer Ansicht nach aber holprig ausfallen. „Wir rechnen mit einem Wachstumspfad, der irgendwo zwischen einer traditionellen Erholung und dem Aufschwung nach der globalen Finanzkrise liegt. Die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft bleibt aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet“, meint Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research. „Obwohl es sich für uns wie die Frühphase eines neuen Konjunkturzyklus anfühlt, rechnen wir über die Erholung in Q3 hinaus nicht mit einem dynamischen Wachstum. Auf dieser Basis sind kurzfristig hohe Zugewinne nach den jüngsten Kurssteigerungen an den Märkten nur schwer vorstellbar“, so Jackson. Die Zentralbankinterventionen und die Aufhellung der Marktstimmung hätten Anlegern in den vergangenen Monaten zwar gute Renditen beschert, könnten aber auch das Potenzial für weitere Kursgewinne begrenzen. Wie Jackson betont, bewegten sich die globalen Anleiherenditen auf historischen Tiefständen, und auch die Aktienrenditen lägen unter ihrem historischen Durchschnitt. Und die einzige Anlageklasse, die höhere Renditen als normal biete – Immobilien -, habe durch die weitreichende Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice mit fundamentalen Problemen zu kämpfen.

Die Zeiten ändern sich selbst für Giganten wie Exxon. Denn hätte der US-Ölkonzern vor wenigen Jahren wie aktuell eine Dividendenrendite von zehn Prozent geboten, die Anleger hätten in Scharen die Aktie des ehemals größten Unternehmens der Welt in ihr Portfolio gelegt. Und heute? Heute zögern die Investoren trotz der verlockend hohen Gewinnausschüttungen. Denn es mehren sich die Befürchtungen, dass Exxon zum ersten Mal seit 37 Jahren die Dividende kürzt. Mit diesem Tabubruch wäre Exxon in der Branche nicht allein, denn schon die Konkurrenten Shell und BP sind angesichts stark gesunkener Ölpreise diesen unpopulären Weg gegangen.​

Die Wall Street legte am Freitag nach zwei Gewinntagen in Folge wieder den Rückwärtsgang ein. Unter Druck gerieten am Freitag insbesondere die als sehr konjunktursensibel geltenden Technologiewerte. Gefragt nach Belastungen verwiesen Börsianer auf die Corona-Infektion von Präsident Donald Trump. Zudem belegte der Arbeitsmarktbericht für September einen überraschend geringen Stellenzuwachs, was zusätzlich auf die Stimmung drückte.

Der US-Leitindex Dow Jones Industrial bewegte sich jedenfalls überwiegend in der Verlustzone und stand am Ende 0,5 Prozent tiefer bei 27.683 Punkten. Auf Wochensicht ergibt sich damit gleichwohl ein Plus von 1,9 Prozent. Der marktbreite S&P 500 verlor am Freitag knapp ein Prozent auf 3.348 Punkte. Der technologielastige NASDAQ 100 sackte um 2,8 Prozent auf 11.256 Zähler ab. Die zuletzt gesehene enorme Outperformance der Tech-Aktien, die zu den sogenannten Wachstumswerten und auch zu den sogenannten Momentumwerten (also Aktien mit zuletzt hoher Kursdynamik) zählen, hätten bei vielen Anlegern Begehrlichkeiten geweckt, schrieben die Experten der Quirin Privatbank. Ihrer Meinung nach blieben Technologieaktien zwar grundsätzlich aussichtsreich, andererseits hätten sie aber bereits viel Positives in den aktuellen Kursen vorweggenommen.

Der Arbeitsmarkt erholte sich zwar im September weiter von seinem schweren Einbruch in der Corona-Krise. Die Arbeitslosigkeit ging deutlich zurück, die Beschäftigung stieg weiter. Auch die Löhne legten etwas zu. Unter dem Strich aber deutet der monatliche Arbeitsmarktbericht der Regierung auf ein abnehmendes Erholungstempo hin.

In dem schwachen Umfeld fielen die Aktien von Tesla nach zwei Gewinntagen nun als Schlusslicht im Nasdaq 100 um mehr als sieben Prozent. Der Elektroautobauer hatte zwar im dritten Quartal mehr Fahrzeuge an die Kundschaft gebracht als vom Markt erwartet. Die Absatzzahlen könnten laut Analyst Joseph Spak vom Analysehaus RBC aber einige Fragen aufwerfen. So weite Tesla seine Kapazitäten aus, obwohl die Fabriken nicht voll ausgelastet seien. Börsianern zufolge konnte Tesla weder Nachfragesorgen noch Zweifel an der Umsetzung der langfristigen Unternehmensziele zerstreuen.

In Deutschland hatten zuvor die Marktteilnehmer auf als defensiv geltende Aktien gesetzt. So gewannen die Papiere der Energieversorger RWE und E.ON als DAX-Spitzenreiter. Gemieden wurden hingegen die in der Corona-Krise gebeutelten Werte. Als Schlusslicht ging dennoch Bayer ins Wochenende. Der Schock über den schwachen Ausblick für 2021 hat sich auch am Freitag nicht gelegt: Zum Wochenausklang weiteten die Papiere ihren Kursrutsch vom Donnerstag zeitweise um über fünf Prozent aus. Die Papiere befinden sich auf dem tiefsten Niveau seit 2011.

Der Dax konnte sein Minus von zeitweise bis zu 1,5 Prozent in den letzten Handelsstunden deutlich reduzieren und ging noch 0,3 Prozent tiefer bei 12.689 Punkten über die Ziellinie. Trotz vier Verlusttagen in Folge konnte er dank eines starken Montags ein Wochenplus von 1,8 Prozent einfahren. Für den MDAX der mittelgroßen Werte ging es am Freitag um 0,4 Prozent auf 27.249 Zähler bergab.

Grenke trotzte den zuletzt erhobenen Vorwürfen der Bilanzmanipulation mit verbessertem Neugeschäft. Unterdessen wurde bekannt, dass auch die Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls FIU im Zusammenhang mit mehreren gegen Grenke erhobenen Verdachtsmeldungen ermittelt.


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Kommentare ( 2 )

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Linda28
4 Jahre her

Es gibt immer noch jede Menge total unterbewertete Unternehmen, denen Corona in den Bilanzen nichts ausmacht und deren Geschäftsmodell noch zig Jahre funktionieren wird.
Es gibt aber auch genau das Gegenteil. Da werden Aktien ohne Sinn und Verstand gekauft, nur weil die Firma gerade hip ist.
Aber es muss ja auch die Lemminge geben, denn wenn man selber Geld verdienen will, muss das auch jemand anderes verlieren. Also: alles wie immer!!

fatherted
4 Jahre her

Eine Analyse der Aktienmärkte bringt derzeit gar nichts. Es gibt keinen Experten…nicht mal Alt-Zocker Buffet…der mit dem jetzigen Marktumfeld zurecht kommt. Keiner weiß was kommen wird, keiner kann sich die Marktlage erklären. Da werden Pleite Aktien hochgehandelt, da wird Erfolg gesehen wo offensichtlich keiner ist, da wird Geld Geld Geld in den Markt gepumpt. Milliarden die nicht wissen wohin….also in Aktien….klar gehen dann die Kurse hoch. Ob es einen Crash geben wird….? Klar…aber keinen wie die Herren Krall und Otte schon seit Jahren (für das jeweilige nächste oder übernächste Jahr voraussagen….bis dahin haben sie dann ihre Bücher verkauft). Es kann… Mehr