Die Gamescom tanzt, aber sie kommt nicht vorwärts

Besucherrekorde in Köln, aber die Branche bleibt in der Krise. Dorothee Bär setzt hingegen auf mehr Subventionen statt strukturellen Umbau.

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei der Gamescom-Eröffnung, Köln, 20.08.2025

Noch ein letztes rauschendes Fest! Vielleicht kehrt dann ja dieses Gefühl vom ersten Mal zurück, jene Ekstase, die uns hellwach verstohlen auf die Uhr blicken ließ und mit schuldbewusster Lust den Glockenschlag 3 Uhr morgens ignorieren ließ: Noch eine letzte Runde!

Auf der Jagd nach diesem Gefühl von früher berauscht sich die Gamesindustrie, obwohl sie längst vom Bandscheibenvorfall gebückt geht und die Zeche schon bald fällig wird. Denn solche Berauschung endet selten in einem letzten gloriosen Höhepunkt, sondern viel öfter an einer Überdosis oder Depression.

Wer über Games noch immer wie über ein zu belächelndes Randprodukt denkt, hat den Schuss nicht gehört. Schon längst hat die Gamesindustrie den Film und andere Unterhaltungsmedien an Marktvolumen weit hinter sich gelassen und selbst in muffigen Umfragen des deutschen Feuilleton wird langsam deutlich, dass eine Mehrheit der Menschen Games zu recht als Unterhaltungsmedium unserer Zeit ansieht.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass dieses Medium passend zu unserer Zeit mittlerweile auch krisengeplagt ist und wenig optimistisch in die Zukunft blickt. Denn großes Marktvolumen hin oder her, die Gamesindustrie steht vor kreativen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die sie aber verdrängt und mit kurzfristigen Hypes, Monetarisierungsmodellen und der Wunderwaffe KI zuzuschütten sucht.

Die Gamesindustrie – Ein Gigant auf tönernen Füßen

Nachdem die vormals größte Spielemesse der Welt, die kalifornische E3, das Zeitliche segnete, wuchs die Gamescom in Köln zu ihrem Nachfolger heran. Jahr für Jahr werden neue Besucherrekorde vermeldet, Jahr für Jahr gilt die Gamescom als noch größer, noch relevanter, noch festlicher.

Doch auch hier zeigen sich die Risse immer deutlicher: Immer häufiger stellen sich Entwickler und Publisher die Frage, ob die hohen Kosten für einen Stand auf der Gamescom noch zu rechtfertigen sind, und verzichten auf die Präsenz. Wie in vielen anderen Bereichen gilt auch hier: Was an der Oberfläche noch erfolgreich und gesund wirkt, steht häufig bereits auf einem wackeligen Fundament.

Und wo niemand am Fundament arbeiten möchte, wird stattdessen noch ein wenig Zierwerk angebracht. Denn auch das Interesse an der Gamescom an sich durchläuft teils schwerwiegende Veränderungen. Wo früher das primäre Interesse noch neuen Blockbustertiteln oder Überraschungshits galt, steht mittlerweile das Drumherum im Vordergrund: Cosplayer, Youtube-Influencer und ihre Fans geben sich bei der Gamescom die Klinke in die Hand. Die Spiele drumherum – das eigentliche Fundament – verkommen immer mehr zur Makulatur.

Das mag für eine Messe an sich noch kein Problem darstellen, zeichnet aber ein besorgniserregendes Bild der weltweit größten Unterhaltungsindustrie. Denn einige der im Vorjahr groß angekündigten Hits, wie zum Beispiel die mittlerweile siebte Auflage von Civilization, entpuppten sich auch im Laufe dieses Jahrs als Flop und blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Der Trend, dass sich die Spieleindustrie seit bald 10 Jahren von den Früchten der Vergangenheit, Nostalgie und rechtlich dubiosen Glücksspielmechaniken und Mikrotransaktionen ernährt, bestätigt sich mit jeder weiteren Fortsetzung, selbst wenn sie ausnahmsweise nicht hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Massenentlassungen, KI-Hype und Brain Drain

Die Krise der Spieleindustrie schlägt sich in den letzten Jahren auch in Massenentlassungen nieder. Mehr als 10.000 Entwickler pro Jahr verloren in den vergangenen Jahren ihren Job – Tendenz steigend. Die Wundertüte KI tut das ihre dazu, dass Entwickler auf Sparkurs glauben, sie könnten ihre maroden Finanzen dadurch sanieren, indem sie menschliche Entwickler durch KI-Agenten ersetzen.

Die Realität ist aber auch hier oft ernüchternd: KI mag schnell sein, zuverlässig ist sie allerdings nur in den seltensten Fällen, und ohne die führende Hand eines erfahrenen Programmierers ist die Technologie nicht wirklich als zuverlässig zu bezeichnen. Dennoch können viele Entwicklerstudios der Verlockung der KI (und der damit verbundenen Einsparungen) nicht widerstehen. Die qualitativen Folgen dieser Entwicklung werden wohl erst in den nächsten Jahren den Markt fluten. Es darf bezweifelt werden, dass sie zu einer Verbesserung der Produkte führen.

Eine Sonderkategorie des Krisenmodus stellt hingegen die deutsche Spieleindustrie dar. Noch in den 1990er und frühen 2000er Jahren war Deutschland die Heimat vieler Entwicklerstudios, die zwar nicht mit der US-amerikanischen Konkurrenz mithalten konnten, die aber in Nischen wie Wirtschaftssimulationen, Strategiespielen oder Sportmanagern (im Prinzip also all jenen Spielen, die den Charme einer Excel-Tabelle versprühten), durchaus Marktführerpositionen beanspruchen konnten.

Doch die steuerliche und rechtliche Situation für Unternehmen in Deutschland ist mittlerweile fast schon sprichwörtlich schlecht, sodass die verbliebenen kreativen Köpfe entweder von der internationalen Konkurrenz aufgekauft wurden (zum Beispiel Blue Byte durch Ubisoft), aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen trotz hervorragender Produkte schließen mussten (zum Beispiel Mimimi Games), oder schlicht und ergreifend das Weite gesucht haben und aus Deutschland in gamesfreundlichere Ökosysteme abwanderten (zum Beispiel Bernd Diemer, ehemaliger Produzent bei Crytek).

Staatlich geförderter Agitprop

Der Verband der deutschen Gamesindustrie klagt daher schon seit Jahren über den Wettbewerbsnachteil des Standorts Deutschland im internationalen Vergleich. Branchenriesen machen einen großen Bogen um Deutschland, das aufgrund der steuerlichen Belastung, aber auch aufgrund hoher Energie- und Lohnnebenkosten keine Anreize bietet.

Doch bevor an den Energiepreisen oder gar der Steuer gerüttelt wird, versucht man stattdessen, das Problem mit Fördermitteln zuzuschütten, um wenigstens einen Teil dieses Wettbewerbsnachteils aufzuheben. Wie so oft zeigt sich aber auch in der Gamesindustrie, dass die beste Antwort auf Regularien nur selten mehr Regularien und die Antwort auf „zu viel Staat“ nie „mehr Staat“ lautet.

Wohin diese Methode führt, erkannte man zuverlässig letztes Jahr, als ein Blick auf die – damals noch aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium – geförderten Spiele offenbarte, welch politisches Schindluder mit solchen Fördermechanismen getrieben werden kann. Einerseits wurden unverhohlen ideologische Projekte wie „Climate Time Machine“ (TE berichtete damals) mit 6-stelligen Beträgen unterstützt, andererseits erhielten teils obskure Neuauflagen des Handyspiels Snake signifikante Gelder. Zu all dem gesellte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der trotz entsprechender rechtlicher Einschränkungen zunehmend in den Gamessektor drängt und dabei die Rundfunkgebühren in Projekte wie GreenGuardianVR (in dem radikaler Klimaalarmismus betrieben wird) steckt, die am Höhepunkt ihres Erfolgs drei gleichzeitige Spieler (im Oktober 2024) aufweisen konnten.

Probleme werden mit öffentlichem Geld zugeschüttet

Die Games-Förderung wird nun aber neu belebt und ist nun in Dorothea Bärs Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt angesiedelt. Pünktlich zur Gamescom folgte auch prompt die Ankündigung, dass man bis 2026 die Förderung von Games auf 120 Millionen Euro pro Jahr erhöhen wolle. Aus den Ministerialgängen hört man zwar, dass dies zukünftig weniger ideologisch als noch unter Habeck ausfallen soll, doch das strukturelle Problem, das auch schon bei der Filmförderung in ähnlicher Form zu beobachten war, bleibt bestehen: Staatlich ausgewählte, geplante und geförderte Unterhaltungsprodukte verschlingen nicht nur Unsummen an Geld, sondern sind meistens auch geprägt von bürokratischen Stolpersteinen und ideologischen Auflagen. Das Endresultat? Meistens Langeweile und Belanglosigkeit.

DIe Förderung der deutschen Spieleindustrie mag aus der guten Absicht entstanden sein, das vorhandene Entwicklerpotenzial in der global führenden Unterhaltungsindustrie wettbewerbsfähig zu machen, doch drohen subventionierte Lösungen kreativer Prozesse die Situation im besten Fall zu verschlimmbessern.

Was die Kreativindustrie tatsächlich bräuchte, wäre eine Verschlankung der Bürokratie, Steuerlast und Energiekosten, die Deutschland erst 30 Prozent Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum Ausland verursacht haben. Dann bräuchte es auch keine Gamesförderung.

Die Frage aber, ob solch eine Maßnahme, die alle Unternehmer Deutschlands aufatmen ließe, unter der Regierung Merz in Angriff genommen wird, darf jeder für sich selbst beantworten.

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Kommentare ( 26 )

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Teiresias
3 Monate her

Die Spieleförderung ist genau wie die Filmförderung nur ein Mittel zum Zweck, staatliche Narrative in die Unterhaltung einfliessen zu lassen. Es geht um Propaganda – quasi Goebbels light. Produzenten können durch dieses Staatsgeld auch mit weniger erfolgreichen Spielen überleben. Aber political correctnis ist nun mal weder lustig noch sonstwie unterhaltsam. Grosse Erfolge sind deshalb unwahrscheinlich. Wann gab es das letzte mal ein Spiel/einen Film, der/das wirklich ohne Wokeness auskommt und den Eindruck vermittelt, ohne Schere im Kopf oder angezogene Handbremse entstanden zu sein? Die Angst vor dem linken Shitstorm und dem Ausschluss aus dem Subventionsclub wiegt zu schwer. Staatsgeld tötet… Mehr

Sargas
3 Monate her

Die Games-Branche fördern? Die Politik reitet mal wieder ein totes Pferd:
„Auf der Gamescom werden Hunderte Neuheiten präsentiert. Viele davon werden am Markt scheitern, weil die meisten Gamer am liebsten olle Kamellen spielen. Für große Teile der Branche ist das ein existenzbedrohendes Problem.“
Leider hinter PayWall https://www.spiegel.de/netzwelt/games/gamescom-2025-uebermacht-von-fortnite-roblox-und-co-fuer-grosse-teile-der-branche-ein-existenzbedrohendes-problem-a-e1e4dca4-122e-4261-8a05-1f1b25605d7d

Will Hunting
3 Monate her
Antworten an  Sargas

Danke. Spiele ein Game komplett zu Ende. In dieser Zeit gibt es drei Nachfolger. Das dürfte an der Erwerbsbiografie einiger Menschen vorbeigehen. Das sagt alles!.

Reinhard Peda
3 Monate her

Früher gab es geile Spiele, aber auf welchem PC (Betriebsprogramm) können diese heute gespielt werden?

Michael Palusch
3 Monate her
Antworten an  Reinhard Peda

Für fast jeden Klassiker dürfte es heutezutage einen Emulator geben.
War nie der große Spieler, aber es macht schon Laune und auch etwas wehmütig, die C64 Klassiker R-Type, Turrican, Zak McKracken oder Maniac Mansion auf dem PC mal wiederzubeleben.

Peter Gramm
3 Monate her

CSU eben. Alles High potentials. So lange die Steuergeldverschwendung von jemanden bezahlt wird ist doch alles o.k..

AmpelFluechtling
3 Monate her

Deutschland hatte ein paar gute Spiele wie Far Cry, Crysis, Spec Ops The Line, Die Siedler, Anno. Viele dieser Titel wurden später ins Ausland verlagert oder existieren nicht mehr. Einzig Anno ist noch ein solides Spiel. Ich denke es gibt zwei Länder die wirklich gute Spieleförderung betreiben: Polen und Kanada. In Polen bekommen Entwickler Förderung wenn die Spiele „polnische Kultur“ enthalten. The Witcher 1-3 sind riesen Erfolg und dazu noch Cyberpunk 2077. Gleiches gilt für Dying Light 1+2. Alle 100% made in Poland und absolute Fan Lieblinge weltweit. In Kanada gibt die Regierung massive Steuerrabatte für Spiele-Entwickler. Die Kanadier wissen,… Mehr

Last edited 3 Monate her by AmpelFluechtling
Britsch
3 Monate her

Gleiches gesellt sich zu Gleichem.
Man muß sich der Wahrheit stellen und darf sie
nicht schön reden oder verdrängen

Wuehlmaus
3 Monate her

Ich bekomme die Krise, wenn ich „Games“ lese. Haben wir dafür nicht ein Wort? Ich glaube, Spiele hat man so etwas früher genannt.

Will Hunting
3 Monate her
Antworten an  Wuehlmaus

Ein Beispiel. Modern Warfare. Auf Deutsch…Moderne Kriegsführung. Das Spiel wurde weltweit verkauft. Der Anglizismus macht tatsächlich Sinn.

Jens Frisch
3 Monate her

„Wer über Games noch immer wie über ein zu belächelndes Randprodukt denkt, hat den Schuss nicht gehört. Schon längst hat die Gamesindustrie den Film und andere Unterhaltungsmedien an Marktvolumen weit hinter sich gelassen und selbst in muffigen Umfragen des deutschen Feuilleton wird langsam deutlich, dass eine Mehrheit der Menschen Games zu recht als Unterhaltungsmedium unserer Zeit ansieht.“

Könnten wir es bitte „Computerspiele“ nennen?

Herbert K.
3 Monate her

Ich als Österreicher verfolge seit Jahrzehnten sehr aufmerksam auch die deutsche Politik, weil ich seit meiner Jugend (ab dem 20sten Lebensjahr) auch beruflich viel Zeit, sozusagen mehrere Jahrzehnte in Deutschland verbrachte, bis Ende 2018. Von Bayern bis an die Nordsee/Ostsee, von Friedrichshafen bis Ülzen und Leipzig, ich kenne Deutschland besser als Österreich…..Ich kann mich noch gut an Franz Josef Strauß erinnern, Schmidt, Brandt, Genscher, Kohl, wie sie alle hießen. Blickt man nun auf die Gestalten im Artikel, oder auf Söder, Merz, Klingbeil und all die anderen linken Polit-Ganoven, man erschaudert förmlich und wendet sich angewidert ab. Ich sage euch, das… Mehr

Or
3 Monate her
Antworten an  Herbert K.

Hmmm … .
Ich als Deutscher verfolge seit langem die Politik Österreichs. Und ich sehe in Dieser eine Blaupause zu der Hiesigen.

H. Priess
3 Monate her
Antworten an  Herbert K.

Nur ist die Frage, wer macht wem was nach? Ich denke, es ist ein Kopf an Kopf Rennen der Absurditäten das sich beide liefern. Nach dem Motto: Es ging hin und her! Mal lag ich unten und er oben und dann er oben und ich unten!!!

Will Hunting
3 Monate her
Antworten an  Herbert K.

Habt ihr Österreicher nicht schon genug Schwierigkeiten gemacht?

Autour
3 Monate her

Ja da ist sicherlich viel richtig und staatliche Förderprogramme sind der Tod, denn da wird wie sie richtig schreiben nur … gefördert! Das „Problem“ der Gaming Industrie ist halt, dass man nicht einfach mit dem X-mal mit dem gleichen Mist kommen kann… auch weil die Titel was Grafik ect. angeht jetzt KEINEN Wow Effekt mehr einstellen! Klar wird was von 4K Gedöns ect. pp, geplappert, aber das braucht Niemand! Das nutzen nur Menschen die den „Kabelklang“ klingen hören… Und die grossen Studios machen das, was jahrelang „bewährt“ war… also immer und immer wieder das gleiche nur etwas aufgehübscht… Das CIV… Mehr

Will Hunting
3 Monate her
Antworten an  Autour

Ich bin schon lange raus. Mein Olymp war MW2. Alle Nachfolger waren spielerisch Rohrkrepierer. Die Hacker und die Möglichkeit dazu, durch Hard und Software, hat das Game unspielbar gemacht. Heute neu aufgelegt und durch Hacking geschützt wäre ein Millionenseller, über Jahre hinaus. Selbst ich würde mit 60 Jahren meine Intervention entstauben.

Last edited 3 Monate her by Will Hunting