Bei Illner: Precht plädiert für direkte Verhandlungen mit Russland

Der Medienstar-Philosoph ist auf Krawall gebürstet und macht vor allem der europäischen Politik schwere Vorwürfe. Er fordert statt zu zaghafter Diplomatie direkte europäische Verhandlungen mit Russland. Diskutiert wird die Frage: Wie könnte eine Friedensordnung in der Ukraine nach Kriegsende aussehen? Neue Erkenntnisse gibt es keine. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Das Jahr 2025 biegt auf die Zielgerade ein. Für die vom Krieg gebeutelte Ukraine war dieses Jahr ein verlorenes. Die politische Führung in Kiew konnte keinen guten Deal aushandeln. Auf dem Schlachtfeld hat die tapfer kämpfende ukrainische Armee längst nicht mehr die Schlagkraft wie vor zwei Jahren. Um die Moral der Truppe ist es nach wie vor gut bestellt, doch es fehlen die Reserven für den zermürbenden Kampf an der Front. Aktuell finden kurz vor Weihnachten mal wieder diplomatische Gespräche statt, die die Lage in der Ukraine verbessern sollen. Besonders Bundeskanzler Friedrich Merz zeigt sich auf dem internationalen Parkett emsig bemüht, einen Erfolg für die Ukraine zu erzielen.

Ob es allerdings zu einer schnellen und tragfähigen Lösung für die Ukraine kommen kann, hängt vor allem an Wladimir Putin. Ob der russische Despot im Moment überhaupt zu ernsthaften Zugeständnissen bereit wäre, ist äußerst fraglich. Auch in ihrer letzten Sendung in diesem Kalenderjahr widmet sich Maybrit Illner der Ukraine-Thematik. Es ist eine mitunter hitzige Talkrunde. TV-Philosoph Richard David Precht ist auf Krawall gebürstet und macht vor allem der europäischen Politik schwere Vorwürfe. Wegen seiner vom Mainstream abweichenden Haltung gerät er des Öfteren mit den anderen Gästen aneinander.

Viel Neues fördert die Diskussion nicht zu Tage. Man hätte sich im Großen und Ganzen die Sendung sparen können, da es in diesem Jahr zu Genüge Talkrunden zum Thema gab. Obwohl gar keine neue Dynamik und Entwicklung zu besprechen war. Die Redaktion braucht fürs nächste Jahr dringend eine thematische Frischzellenkur, damit der Zuseher nicht jede Woche auf die Idee kommt, er würde sich eine Wiederholung ansehen.

Precht fordert direkte europäische Verhandlung mit Moskau

Am letzten Wochenende hatte Friedrich Merz seinen großen Auftritt im internationalen Scheinwerferlicht. In Berlin kam es zu Gesprächen über eine Verhandlungslösung für den Krieg in der Ukraine. Deutschland und die Europäer steckten ihr Terrain gegenüber den USA ab. „Der Kanzler macht es gut“, meint der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel zu den Bemühungen von Merz. „Es war ein großes Stück Arbeit“, mutmaßt er. Ein strittiger Knackpunkt ist die Frage, was mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten passieren kann. Die Bundesrepublik setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass das Geld zur Finanzierung der Ukraine genutzt werden kann. „Die Vermögensfrage ist rechtlich kompliziert“, erklärt der gescheiterte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet.

Damit hat Laschet unrecht. Es ist rechtlich ziemlich klar geregelt. Andere Staaten haben kein Recht, Vermögen anderer Staaten an Dritte weiterzugeben. Die EU plant, russisches Geld in Form von Krediten an die Ukraine geben, für die die europäischen Staaten haften müssen, falls sich Russland weigert, Reparationen an die Ukraine zu zahlen. „Wir werden bürgen müssen“, stellt Laschet klar. „Am Ende müssen wir wahrscheinlich auch haften“, ergänzt er. Diese Schlussfolgerung ist naheliegend. Die Russen werden sich weigern, für ihre verursachten Kriegsschäden zu bezahlen. Außerdem steht im Raum, dass die Russen als Vergeltung deutsche Vermögenswerte beschlagnahmen könnten.

Pop-Philosoph Richard David Precht beäugt die europäische Politik mit großer Skepsis. „Wir haben keine rühmliche Rolle gespielt“, kritisiert er. „Es wurden keine diplomatischen Schritte unternommen“, moniert der Bestsellerautor. Precht beklagt: „Ich hätte mich über frühere Initiativen gefreut.“ Aus Sicht des TV-Philosophen fehlt den Europäern der heiße Draht zum Kreml. „Wieso verhandelt Europa nicht direkt mit Moskau?“, fragt sich Precht. Eine berechtigte Frage. Doch die Antwort liegt auf der Hand. Die Europäer haben den Russen nichts anzubieten und können sich auch auf keine gemeinsame Haltung einigen. Von den anderen Gästen erfährt Precht Widerspruch für seine Aussagen. „2022 gab es eine Initiative der Türkei“, entgegnet Sigmar Gabriel. Diese Initiative verlief jedoch im Sand. „Putin hält uns nicht für wichtig“, mutmaßt Gabriel.

Wie sieht eine Friedensordnung aus?

Irgendwann wird der russische Krieg gegen die Ukraine enden. Eine Nachkriegsordnung ist noch nicht ausgearbeitet. Doch es ist klar, dass die Ukraine Sicherheitsgarantien benötigen wird. „Die NATO-Mitgliedschaft kommt zur Zeit nicht in Frage“, stellt Deutschlands ehemaliger Außenminister Sigmar Gabriel klar. Innerhalb der NATO wäre die Ukraine durch die Beistandsklausel geschützt. Allerdings holt sich die NATO aus Prinzip keine Länder ins Bündnis, die in einer angespannten militärischen Situation stecken. Der Bündnisfall wäre wahrscheinlich. „Es braucht Sicherheitsgarantien“, bekräftigt Gabriel, ohne zu sagen, wie diese konkret aussehen könnten.

Ein mögliches Szenario ist, dass sich europäische Staaten finden, die die Sicherheit garantieren. Bundeskanzler Friedrich Merz brachte in der Vergangenheit auch deutsche Soldaten ins Spiel. Doch erst braucht es einen Waffenstillstand und ein Abkommen. „Bis deutsche Soldaten dorthin geschickt werden, vergeht noch ein langer Weg“, meint Richard David Precht. Der Philosoph sieht neben der Möglichkeit einer militärischen Absicherung des Friedens auch eine ökonomische. „Der Donbass ist voller Bodenschätze“, weiß Precht. Er vermutet: „Solange dort Bodenschätze abgebaut werden, ist es sicher.“

Damit spielt Precht auf die Interessen der Amerikaner an. Trump würde es nur allzu gerne sehen, wenn sich amerikanische Großkonzerne die wertvollen Ressourcen der Ukraine unter den Nagel reißen könnten. Um die Bodenschätze zu bergen, müssten Amerikaner in die Ukraine kommen. Durch die amerikanische Präsenz könnten die Russen von einem erneuten Einmarsch absehen, so hofft Precht. Alles in allem dürfte die Debatte die geneigten Zuseher ziemlich langweilen. Denn wirklich neue Erkenntnisse liefert keiner der geladenen Gäste. Stattdessen speist sich die Debatte aus altbekannten Wortmeldungen und vagen Vermutungen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 1 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

1 Kommentar
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
humerd
55 Minuten her

und noch eine Politikwissenschaftlerin Liana Fix, die für Fortsetzung des Krieges ist.