Bei Maybrit Illner: „Der Alltag ist die Integration.“

Wäre da nicht Thomas de Vachroi, Leiter der ASB-Notunterkunft Wilmersdorf am Schluss der Sendung kurz drangekommen, hätten wir bei Maybrit Illner gar nichts erfahren. Der Politikerteil war der längste und unergiebigste.

Screenprint: ZDF

So wenig hat sich Maybrit Illner in ihrer Sendung noch nie in den Vordergrund gestellt, den Zeigefinger so selten gehoben. (Auch wenn sie eine Frage an AfD-Meuthen gleich selbst beantwortet.) Dem Abtausch zwischen den Eingeladenen hätte das gut tun können, aber sie machten nichts daraus. Jörg Meuthen, AfD legte Thomas Strobl, CDU den Ball auf den Elfmeterpunkt – Strobl musste nur noch verwandeln. Auf die Vorwürfe nicht akzeptabler Äußerungen von AfD-Leuten sagte er, die würde er auch nicht akzeptieren, aber so etwas käme auch in anderen Pareien vor. Nun hatte ihn der Politprofi Strobl am Haken: „Belegen Sie das oder nehmen sie es zurück.“ Meuthen hatte nichts nachzulegen, statt den geordneten Rückzug anzutreten, legte er Strobl den Ball noch vier mal hin. Mit seinen Gegenvorwürfen an Roth drang Meuthen nicht durch. Bis Illner den Südwest-AfD-Vize später wieder nach anderen Dingen fragte, verstummte er.

Bei Claudia Roth nichts Neues. Lamya Kaddor, die durch ihre vielen Talkshow-Auftritte wundersam von der Religionslehrerin zur Islamwissenschaftlerin befördert wurde, ist mit dem, was sie sagt, mal bei Roth, mal nicht – deren wechselndes Mienenspiel spiegelt das. (Ich habe nicht wirklich verstanden, was sie uns sagen wollte,) Beim Fokus auf den Eninheimische, die für die Integration der Zugewanderten sorgen müssen, schienen sie einig; Roth: „Wir müssen den Integrations-Turbo anwerfen.“ (Wo gibts den? Im Baumarkt?) Das bisschen Ja und Nein zwischen Roth und Strobl ist temperiertes Klavier. Strobl will eine Atempause durch zeitweise Einschränkung des Familiennachzugs, eine Verringerung des Zustroms, Roth nicht.

Vom Braunschweiger Kripo-Chef Ulf Küch, auch schon ein Stammgast in Talkrunden, ist festzuhalten: „Handeln ohne Konsequenzen kann nicht funktionieren.“ Und: „Mit der Polizei kann man keine Politik machen.“ Das richtet er an Strobl, dem er die praktische Relevanz von Gesetzesänderungen zum früheren Abschieben verurteilter zugewanderter Straftäter nicht abnimmt, „Placebo“ sagt er, für ihn untypisch leise.

Thomas de Vachroi, dem Leiter der ASB-Notunterkunft Wilmersdorf hätte Illner mehr Zeit widmen sollen. Was er am Ende der Sendung aus seinem Alltag im ehemaligen Rathaus zu erzählen weiß, interessiert. Er weiß, wovon er redet, wenn er programmatisch und real zugleich formuliert: „Der Alltag ist die Integration.“ Ja, es gibt Gewalt, erzählt er, wer die übt von verbal bis tätlich, muss das Haus verlassen. Überall hängen Tafeln in fremden Sprachen, die in einfachen Worten Grundlegendes erklären. Seine Mitarbeiter haben auch schon die Frage des Bewohners beantwortet, warum er seine Frau nicht schlagen darf.

100 ehrenamtliche Helfer kommen jeden Tag, 100 bis 120 Besucher aus der Nachbarschaft. Nervös macht ihn das Gefühl, es nicht mehr zu schaffen. In den Krankenhäusern, die sie mit Bewohnern aufsuchen, fehlen Dolmetscher, um zur Diagnose zu kommen. Bis die Erlaubnis der Behörde da ist, zur Schule und zum Deutschkurs zu gehen, dauert. Sie alle sind am Limit. (Wo, Frau Merkel, bleibt die neue deutsche Tugend Flexibilität? Die in den wenigen Worten der Politiker vorhin über Wohnungen-für-Alle gar keine Rolle spielte.) Nüchtern ist seine Antwort auf Illners Frage nach dem Nötigsten: „Es hängt wie immer alles am Geld.“

De Vachroi ist ein ruhiger, überlegter Mann, gut für sein Amt. Wo ist der „nationale Rat“, in dem alle Parteien ihren Streit (um wenig bis nichts, das sagt nicht er, das ist von mir) beiseite lassen und die große Herausforderung anpacken?

Ein Vorschlag Frau Illner: Laden Sie ein paar mit verantwortlichen Aufgaben im Alltag der Integration vom Schlage eines de Vachroi ein, die wie ein Untersuchungsausschuss jeweils nicht mehr als zwei Verantwortliche in Politik und an Behördenspitzen verhören.

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