Laschet vs. Söder: Will die Union lieber Baerbock oder Merkel hinterherlaufen?

Bei Hart aber Fair dreht sich alles um die Kanzlerfrage. Söders Vertrauter tritt in Prinzregenten-Manier auf, kann aber auch nicht über die schlechten Chancen des verzockten CSUlers hinwegtäuschen. Insgesamt ist die Debatte im besten Sinne des Wortes auf Kindergarten-Niveau.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Eigentlich sollte es bei „Hart aber Fair“ mal wieder um Corona gehen – doch die Unions-Castingshow zwingt auch Frank Plasberg zum umdisponieren. Unter dem Titel „Kandidaten-Showdown: Verstolpert die Union das Kanzleramt?“ bewertet eine eilig zusammengetrommelte Runde die beiden Ministerpräsidenten, die zu Merkels Kronprinzen avancieren wollen.

Die themenbedingten Hauptpersonen des Abends sind CSU-Generalsekretär Markus Blume und NRW-Innenminister Herbert Reul – sie müssen wohl als Vertreter ihrer jeweiligen Parteichefs begriffen werden, weswegen sie immer wieder Rede und Antwort stehen dürfen. Blume, der per Video zugeschaltet ist, präsentiert sich vor dem Hintergrund des Münchner Siegestores. Pompös prangt die Inschrift „Dem bayerischen Heere“ gut lesbar hinter ihm. Ganz im Geiste der berühmten, söderschen „Breitbeinigkeit“ ist das bayerische Pseudoselbstbewusstsein auf 100 gedreht – vielleicht übertönt es die eine oder andere Unsicherheit. Im Laufe der Sendung verabschiedet sich der Bayerngeneral dann auch noch vorzeitig: Dreißig Minuten vor Ende muss er nämlich „weiter“, wahrscheinlich rufen die Verpflichtungen am königlich bayerischen Hofe.

Heft 04-2021
Tichys Einblick 04-2021: Wie im Irrenhaus - Politik gegen den gesunden Menschenverstand
Dagegen wirkt Herbert Reul aus dem nicht ganz so königlichen Düsseldorf natürlich sehr blass. Er hat ja auch die schier unmögliche Aufgabe, Laschet als einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten darzustellen. Für ihn ist dieser natürlich „der beste Kanzlerkandidat für die Union“. Da spricht zumindest ein Getreuer, der seinem Partei- und Regierungschef die Stange hält – ob Reul tatsächlich so überzeugt vom Kandidaten Laschet ist, wie er sagt, weiß man nicht. Zumindest fällt es ihm schwer, die anderen von seinem Standpunkt zu überzeugen. Gegen Söder feuert er aber zeitweise ganz ordentlich.

Mehr Sicherheit strahlt da schon Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke aus. Er bewertet Laschet ebenfalls als klaren Favoriten. Der CDU-Vorsitzende habe nur naturgemäß im innerparteilichen Machtpoker die Nase vorne. Söder habe „versucht, seine letzte Karte zu ziehen“ – damit meint er den Mythos von den ach so tollen Umfragewerten. Dass die Union den Machtkampf jedoch so offen ausfechte, sei ein Fiasko für die Parteien, meint der bekannte, eher linkslastige Politologe. Ein Laschet-Fan ist er bei weitem auch nicht: „Dieser statuierte Satz: Jeder NRW-Ministerpräsident ist dazu geeignet Kanzler zu sein – das hat offensichtlich die Gesamtbevölkerung in Deutschland noch nicht so gesehen, das ist das Scheitern von Armin Laschet“ proklamiert er. Und dieses Scheitern sei übrigens dem Umstand geschuldet, dass er den konsequenten Schulterschluss mit Angela Merkel gesucht habe.

Dass die Union gespalten ist, glauben nicht nur von Lucke und Lambsdorff, sondern auch Christina Dunz aus dem Hauptstadtstudio des Redaktionsnetzwerks Deutschland erkannt zu haben. Sie ist sich da übrigens mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil einig: Sonst hätte man fast noch vergessen, dass das Willy-Brandt-Haus große Anteile am Mutterkonzern ihres Arbeitgebers hält. Die beiden werden also versuchen, der Union möglichst viel Zerstrittenheit zu attestieren – in der wilden Hoffnung, dass das Gerede von schwer zu reparierenden Schäden, die der Machtkampf für die Union habe, der SPD irgendwie helfen könnte. Klingbeil zumindest kann eine gewisse Schadenfreude kaum verbergen, auch Dunz attestiert der Union schon innere Gräben wie 2018, als einige bereits den Bruch der Fraktionsgemeinschaft sahen. Insgesamt ist sich die Runde einig: Der eher einer Karambolage zweier Alphatiere gleichende Prozess einer Kandidatenfindung ist ein Desaster. „Es sind beide beschädigt“, befand Dunz. Von Lucke attestiert der Union, „zwischen zwei Übeln“ zu stehen: Laschet sei der schlechtere Kandidat, doch ziehe man Söder vor, werde der Chef der stärkeren Partei düpiert und, wie Lambsdorff spottet, quasi zur „Saskia Esken der CDU“ – und das wünscht man wirklich niemandem.

Ein Schiff geht unter
Wer die CSU zum Freund hat, braucht keinen Feind mehr
Söder hatte erklärt, er wolle ein Votum der „großen Schwester“ gegen sich akzeptieren – dass er genau dieses jetzt in den Wind schlagen möchte, bringt Markus Blume natürlich in Erklärungsnot. Die Flucht nach Vorn kann natürlich nicht als solche bezeichnet werden – das pompöse Auftreten vor dem Siegestor soll wohl Sicherheit ausstrahlen, die man nicht hat. Denn tatsächlich ist Laschet machtpolitisch am längeren Hebel. Das weiß auch Blume, der sich deshalb lieber in Schlangensätzen verheddert. Vielleicht ein Glück für den Bayern-General, dass er vor allen anderen gehen darf. Man möchte fast von einem taktischen Rückzug sprechen. Offensivgelegenheiten für die Rheinprovinz: Reul erklärt, er hoffe immer noch, dass sich in der Politik Typen durchsetzen, „die ehrlich und anständig Politik machen und nicht, was die Show bestimmt.“ Der Seitenhieb auf Söder sitzt unüberhörbar, und auch Blume darf sich angesprochen fühlen.

Am Ende bewegt sich die Debatte um den Unions-Kanzlerkandidaten auf einem Niveau von Kleinkindern. „Ich bin der viel bessere Kanzler als du, frag doch Mama“. Inhalte? Fehlanzeige. Armin Laschet will eher Annalena Baerbock und Frauenquoten nacheifern, während Markus Söder strikt in Merkels Lockdown-Windschatten bleibt.
Der bayerische Ministerpräsident plädiert penetrant aus natürlich völlig uneigennützigen und allgemein-philosophischen Gründen dafür, dass man jetzt auf die Umfragewerte schauen müsse. Laschet entgegnet genauso scheinheilig, aber richtig, dass eine Politik, die sich bloß an Umfragewerten orientiert, ein Witz ist. Und so ist es auch: Wenn Markus Söder hierzulande als Inbegriff von Selbstsicherheit, Stärke, Souveränität und Symphatieträger gelten kann, weiß man, wie verloren wir sind. Es sind in Wahrheit zwei Figuren, über die man nur noch laut lachen möchte. Jede Debatte ist eigentlich überflüssig, genau wie diese Sendung von Hart aber Fair.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 54 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

54 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Oliver Koenig
3 Jahre her

Alphamännchen gegen Karnevalsprinz.
Was für eine jämmerliche Wahl.

Emsfranke
3 Jahre her

Ich habe diese Sendung nicht gesehen. Aber hat schon mal einer von den beiden Superhelden sich darüber ausgelassen, für welche politischen Inhalte sie jeweils beabsichtigen zu stehen.
Bisher höre ich in der Tat nur von Matchogehabe auf dem Niveau des Kindergartens. Oder darf das keiner der jeweiligen Tageshelden voreilig verraten, weil Mutti sonst ungehalten wird und den Daumen senkt, wenn eventuell zugegeben würde, dass man von der Hauptstraße abbiegen will?
Das ist doch die berühmte Katze im Sack, die uns hier dargeboten wird.

Fischers Fritze
3 Jahre her

Laschet, Baerbock, Söder, Merkel …..ist doch vollkommen wurscht. Alles dasselbe.
Oder meint man, wenn man auf der Brücke der Titanic noch mal eben den Kaptän ausgewechselt hätte wäre der Dampfer nicht gesunken?

H. Priess
3 Jahre her

Tröstlich nur bedingt. Ist es tröstlich zu ahnen, das deutsches Brauchtum, deutsches Liedgut, deutsche Eigenschaften bald nicht mehr in diesem Land gepflegt und geachtet werden sondern eben dieses im Ausland erfährt. Vielleicht ist es ein Joke der Geschichte, daß dort, wo unsere Vorfahren ihre Heimat verlassen mußten, eben dort die Heimat wieder auflebt? Dieses mal als willkommene Bürger und nicht als Eroberer?

Tesla
3 Jahre her

Offenbar versucht die Union, die Wahlen zu verlieren.

Jo_01
3 Jahre her

Die letzten Sätze des Autors sind zugleich die treffendsten: beide Polit-Darsteller sind zwar durchaus unterschiedlich als Typ, aber im Ergebnis eben ähnlich katastrophal für´s Land.
Aber dieser „Streit“ ist ein reines Schattenboxen. Die Kobold-Expertin wird der nächste Kanzler und unsere linksgrünen „Qualitätsmedien“ werden die 2-3 % fehlende Zustimmung bis September schon noch wuppen…
Finis Germania

John Farson
3 Jahre her

Sie sind aber auch wirklich ein ewig Gestriger!
Wenn es schneit, ist es selbstverständlich nur Wetter oder es ist ein „extremes Wetterphänomen“ , welches den menschengemachten Klimawandel natürlich beweist. Schauen Sie sich bitte die Modelle an. Die passen alle haargenau… nach zwanzig/dreißig Anpassungen und dem Weglassen von ein paar hundert Jahren Erdgeschichte. Aber sie passen und deshalb sind Sie ein Nazi*In. 🙂

Last edited 3 Jahre her by John Farson
H. Priess
3 Jahre her
Antworten an  John Farson

Nein nein, es sind letztes Jahr Millionen Tonnen Grönlandeis abgebrochen und südwärts getrieben. Dadurch hat sich der Golfstrom abgekühlt und deshalb dieser lang anhaltender Winter. Wirklich, im ernst, daß hat jemand bei Twitter als ernsthafte Erklärung abgeliefert.

Mimung
3 Jahre her

Ihr Vorschlag ist im Prinzip nichts anderes als eine geheime Wahl. In Ihrem Beispiel wählen die Anwärter den Besten unter sich. Dagegen, das im Bundestag nachzustellen, spricht einiges. Im Wesentlichen geht es in unserem politischen System leider nicht um die Auswahl des/der Besten. Mich selbst stört das auch, dass beispielsweise über 70 jährige Herren, in diesem Alter herausfinden, dass sie Interesse an Finanzen haben und dann mal eben so eine der wichtigsten Positionen im Finanzwesen ausfüllen, ohne den Hauch einer Ahnung zu haben was sie da eigentlich tun. Oder das Verteidigungsminister jeder werden kann, ganz egal ob er/sie selbst gedient… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Mimung
Mimung
3 Jahre her
Antworten an  Mimung

Man kann auch höfflich bleiben, nur so am Rande. Es wäre eine offene Wahl, so wie sie es dargestellt haben. Mir sind die „Methoden“ der professionellen Personalauswahl bekannt. Stellen sie 4, 5 oder 6 unqualifizierte Parteifunktionäre (Laschet, Söder, Habeck etc.) in den Bundestag, fragen jeden wer der Beste wäre, dann haben sie am Ende immer noch einen unqualifizierten Funktionär, ganz egal wer am Ende die Wahl hat. Das System ist nicht darauf ausgelegt den Besten zu finden, darum sind professionelle Methoden, um den Besten zu finden, zwecklos. Punkt. Das war schon alles was ich gesagt habe. Ob jeder Politiker werden… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Mimung
Biskaborn
3 Jahre her

Die Antwort auf die Frage in der Überschrift zum Artikel lautet: Ja! Beide würden einer Kanzlerin Baerbock nichts wirklich entgegensetzen, würden sich vor dieser Person in den Staub werfen wenn sie nur irgendwie mit am Kabinettstisch sitzen dürfen. Beim Klima und Genderunfug sind beide Typen bereit, Baerbock noch Rechts zu überholen! Jämmerlich!

H. Priess
3 Jahre her
Antworten an  Biskaborn

Links überholen sonst stimmts.

Waehler 21
3 Jahre her

Kohl hat‘s getan und Merkel auch. Die Nachfolge durch konsequentes ausdünnen von eventuellen Widersachern in eine Auseinandersetzung der dritten Garde zu verwandeln. Wer nur gelernt hat, der Kanzlerin hinterherzulaufen, soll jetzt führen können? Politik gegen die eigene Bevölkerung, ausgenommen der Profiteure der Steuer und Abgabewirtschaft- das Erbe von Frau Merkel, hat Gräben in die Bevölkerung getrieben und wird nur noch vom ÖRR durch konsequentes ignorieren zugedeckt. Gut bezahlte Arbeitsplätze sind nur noch im sozialen Bereich entstanden ( nicht etwa Krankenhäuser oder was anderes sinnvolles) sondern in der Zuwanderungsindustrie. Wir leben von eigen Fleisch. Aber Hauptsache bei dieser Runde konnte Frau… Mehr