Bei Hart aber Fair: Reinigungskraft holt Energiewende-Expertin auf den Boden der Realität

Bei Hart aber Fair wird das übliche Spiel versucht: Alle sozialen Verwerfungen und das Scheitern der Energiewende in Deutschland sind Putins Schuld und jetzt sind die Probleme der Betroffenen ohnehin nebensächlich. Doch diesmal zerschellen diese Phrasen an der Realität.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

“Bei uns geht es nicht um Leben und Tod, um Freiheit oder Unterdrückung, bei uns geht es an den Wohlstand. Das bedeutet für die einen ein bisschen weniger Vermögen, bei den anderen vielleicht einen Urlaub weniger – bei sehr vielen aber, bedeutet es, sie stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Tankkosten explodieren, die Lebensmittelpreise steigen rasant.” So beginnt Plasberg seine gestrige Sendung.
Die Sendung steht also ganz unter dem Motto: “Hey, ihr könnt euch bald vielleicht nicht mal mehr die Heizung leisten, aber stellt euch mal vor, ihr wärt jetzt in der Ukraine, dann wärt ihr jetzt tot!” Doch diesmal treffen die theoretischen Denkfabrik-Weisheiten auf die Realität im Land, ein brachialer Aufschlag.

Die Energieökonomin Claudia Kemfert weiß natürlich ganz genau, was zu tun ist: „Autofreier Sonntag wäre ein guter Ansatz, Tempolimit auch. Im Winter mal die Heizung zwei Grad runterdrehen.“, meint sie. „Dann können wir auf bis zu 15 Prozent der russischen Gaslieferungen verzichten.“
Die Energiewenderin hat eine neue Begründung für die Politik gefunden, die sie schon immer gefordert hat. Doch heute wird sie gleich zweimal ausgebremst.

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Zum ersten von der Reinigungskraft Susanne Holtkotte. Sie entgegnet: „Wer soll denn noch sparen? Ich kann es nicht mehr. Wenn ich meine Heizung nochmal um zwei Grad runterdrehe, brauche ich einen Pelzmantel“. Kemfert argumentiert mit dem Steuerzahler-Beutel, der in ihrer Vorstellung unendlich ist: Das muss man dann eben einfach irgendwie sozial ausgleichen. Doch Holtkotte lässt sich von solchen 08/15-Sprüchen nicht ins Bockshorn jagen. Sie sagt: „Die ganze Unterschicht und die Mittelschicht spart sich schon heiß!“ und: „Diese Worte ‚Verzicht‘ und ‚Opfer‘, da bin ich sehr elektrisch!“

Doch im Weiteren wird Kemfert überraschenderweise auch von Moderator Plasberg gestoppt. Als Kemfert die Debatte weg von Armut und Energiepreisen hin zur ewigen Energiewende treiben will, hält der sie zurück. Kemfert macht trotzdem weiter, versucht Plasberg zu übertönen, bis der schließlich seinen Moderatorenstuhl verlässt, zu ihr geht und ihr Einhalt gebietet. Immerhin diese Sendung wird also nicht zur unendlichen Bühne von theoretischen Energiewende-Sprücheklopfern.

Sendung 17.03.2022
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Doch es ist eine verquere Logik, die sich dennoch durch die Sendung zieht: Angesichts des Leids der Menschen in der Ukraine, würden die Sorgen in Deutschland unwichtig werden. Tut mir leid und diese Logik hat bei mir schon immer Bauchschmerzen bereitet, schon als es noch nicht die Kinder in der Ukraine, sondern die in Afrika und später die in Syrien waren. So viele haben die Vorstellung, sie könnten andere damit trösten, indem sie sie mit Menschen aus dem Kriegsgebiet vergleichen und reden dann darüber, wie gut wir es doch haben. Als ob das eine Leid das andere beeinflussen würde.

Es ist weder den Betroffenen in Deutschland fair gegenüber, so bloßgestellt zu werden, noch ist es gegenüber den Menschen in der Ukraine fair, sie als Druckmittel für eine grüne Ideologie zu verwenden.
Bezahlbarer Strom ist kein Luxusproblem, basta. Mich interessiert an der Stelle nicht, wer alles auf dieser Welt keinen Strom hat oder wie die Menschen im Mittelalter gelebt haben. Im Deutschland des 21. Jahrhunderts sollten die Voraussetzung für eine beheizte Wohnung und bezahlbare Lebensmittel das wirklich absolute Minimum sein.

Wenn das hier der Preis für den Frieden sein soll, dann will ich mein Geld zurück

Zu Beginn der Sendung wird das Video einer Zuschauerin eingespielt. Sie und ihr Partner leben von der Hand in den Mund und müssen täglich an allen Ecken sparen. Alle Steckdosen in ihrem Haus sind ausschaltbar, alle Geräte sind stromsparend, der WLAN-Router wird Nachts ausgeschaltet, Kleidung und Möbel werden gebraucht gekauft, Einkaufen tun sie fast nur im Discounter und tanken nur schlückchenweise, voll tanken nur, wenn der Preis runtergeht.

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“Man könnte ja tatsächlich sagen, das ist der Preis der Freiheit”, fragt Plasberg dazu Jens Spahn und setzt die Scheindebatte fort. Und kurze Zeit später fragt man sich, ob Plasberg vielleicht dazu gehört. Der Reinigungsfachkraft Susanne Holtkotte, stellt er nämlich noch mal die gleiche Frage – kurz nachdem die gesagt hat: “Mein ganzes Leben besteht aus Sparen”. Wie schwer es ihr denn falle, als Mensch mit geringem Einkommen, der viel arbeitet, “solidarisch zu sein und zu sagen: Ja, wir müssen auch was tun, wir zahlen hier sowas wie ne Friedensdividende”.

Also erstmal: wenn das hier der Preis für den Frieden sein soll, dann will ich mein Geld zurück, denn Frieden haben wir ja nun gar nicht und für die Freiheit der Ukrainer tun wir auch eher wenig.

Und ich finde es auch sehr hinterhältig, wie ein Krieg, der noch nicht mal einen Monat geht, jetzt als Grund für jedes soziale Problem dargestellt wird. Die Familie, die von der Hand in dem Mund lebt, tut das nicht erst seit gestern und Deutschland hat schon lange die höchsten Energiepreise in Europa. Dieser Krieg und alle seine Folgen mögen diese Lage verschlimmert haben, ja. Aber die Tankstellen in Polen sind immer noch um ein Drittel günstiger. Und dass das Benzin teurer werden soll, steht im Grünenparteiprogramm, die Verteuerung zumindest bestimmter Lebensmittel genauso – das ist das erklärte Ziel.

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Gut, dann haben sich erstmal alle so mehr oder weniger darauf geeinigt, die Bevölkerung frieren und hungern zu lassen. Dann ist die Frage: was machen wir also dagegen? Diese Frage nahm so ziemlich die ganze Sendung ein. Es taten sich zwei Gruppen auf: Spahn und die Reinigungskraft auf der einen Seite, SPDler Thomas Kutschaty und die Energieexpertin Claudia Kemfert auf der anderen Seite. Ich muss eines sagen: in dieser Sendung war ich von Spahn sehr positiv überrascht. Wie viel das am Ende bringt, sei dahin gestellt, doch er scheint zumindest der einzige CDUler zu sein, der verstanden hat, dass die CDU jetzt in der Opposition ist und als solche nicht der Regierung nach den Mund reden kann. In dieser Sendung hat er diese Rolle tatsächlich ausfüllen können. Seine Forderung nach einer Steuersenkung war meiner Meinung nach die beste und er hat den moralischen und emotionalen Argumenten der linken Gegenseite gut standgehalten. Damit hätte er nur früher anfangen müssen.

Der Star der Show war trotzdem ohne Frage Reinigungskraft Susanne Holtkotte. Sie war rhetorisch und inhaltlich stark und hat sich vor allem von echten und vermeintlichen Experten nicht in die Enge treiben lassen.
Und so war diese Ausgabe Hart aber Fair mit eine erfrischenden Prise Realität gewürzt.

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Kommentare ( 156 )

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Peter Schulze
2 Jahre her

In einem Interview mit Frau Dr. Kemfert ist von „Vollversorgung aus EEGs“ die Rede. Dies ist der Primärenergieverbrauch PEV. 2018 war der Windanteil am PEV 3,0 % und der Fotovoltaikanteil 1,3 %. Gerade erlebten wir viele Nebeltage von Nov bis Feb. Da ist dieser Anteil etwas über Null. 

Endlich Frei
2 Jahre her

Die Leute sammeln wieder Holz. Der Absatz für Wohnzimmer-Öfen in den Baumarkten läuft auf Hochtouren. Auch wenn die Grünen auch hier ein Verbot fordern, werden sich die Menschen nicht davon abbringen lassen, im Winter nicht zu frieren.
Diese totalitäre Klimapolitik ist ein einziges Wohlstandsabbau-Programm. Doch ich fürchte, wenn immer mehr qualifizierte Menschen endlich begreifen, dass sie mit ihren Skills in den Ländern Südamerikas oder in Fernost deutlich besser leben könnten, dann werden sie diesem Land in Massen den Rücken zudrehen.

Leander
2 Jahre her

Man muss nicht lange herumreden. Die hohen Spritpreise haben nichts mit dem Krieg in Ukraine zu tun, sondern sind in D innenpolitisch gewollt, liefern sie doch schöne Steuereinnahmen ab und fördern die „Energiewende“. Wer erklärt mir denn, warum Diesel plötzlich teuerer ist als Superbenzin? Deshalb ist auch die lobbygesponsorte Blitzbirne Kemfert eingeladen worden und kein Spezialist für Atomenergie. Dafür sind die Grünen doch in die Regierung gewählt worden! Und jetzt jammern, warum? Noch besser wäre ja zusätzlich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Aber da trauen sie sich (noch) nicht ran. Und, das alles ist natürlich gut für Plasbergs Show für Dummköpfe,… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Leander
six2seven
2 Jahre her

Ich bekomme Schnappatmung, wenn ich die regiegeführten Filmchen von der Plasberg/ Ansager/Schnipselmann ca.2.500 € p.Min., oder der Will/Produktion ca.2.500 p.Min. sehe.
Diese Kaffeekränzchen mit Spesenbescheinigung, wo die Parteigänger inzwischen wirklich glauben, Ihre politische Arbeit bestünde nur darin , gepudert im TV zu sitzen und Sprüche zu klopfen. 
Raus mit der Meute aus den überbezahlten Hängematten, morgens um 06:30 in den Berufsverkehr, reale Welt erleben, aber nicht mit Fahrer im 12 Zylinder Spritfresser.
Übrigens:
BK Scholz auf die Frage ob er den aktuellen Spritpreis nennen könnte:
“ Ich schaue bei der Fahrt ja nicht immer aus dem Fenster „.

Wolfgang Richter
2 Jahre her

„Wie schwer es ihr denn falle, als Mensch mit geringem Einkommen, der viel arbeitet, “solidarisch zu sein und zu sagen: Ja, wir müssen auch was tun, wir zahlen hier sowas wie ne Friedensdividende”. Wie sieht es mit der Solidaritätsoffensive der Bestensverdiener Plasberg, Spahn und Co eigentlich aus im Hinblick auf die dauerhaft unter prikären Lebensbedingungen ausharrenden Bewohner der Slums von Kalkutta, Manila oder auch Lagos oder Kapstadt? Was will diese verlogene Bande von „Otto und Frida Normalo“. Unerträgliche Banausen. Und das schlimmste, sie werden von denen, die sie beschimpfen, auch noch zwangsweise fürstlich alimentiert. Ich könnt kotzen.

Regenpfeifer
2 Jahre her

Tja -grün zu wählen muss man sich halt leisten können. Muss sogar noch viel mehr weh tun, bevor es sich politisch zum besseren wenden kann.

R.Baehr
2 Jahre her

wenn schon ein Inmobilienkäufer einer Villa von ca. 4,15 Millionen dem Volk zu erklären versucht, wie wir alle sparen, kürzertreten und auf manches verzichten sollen, dann weiss ich bereits was für vollkommen moralisch und menschlich verkommene Gestalten in der Sendung sitzen werden, und genau so war es dann auch bis auf eine Ausnahme. Und der Plasberg passt da ganz wunderbar dazu. Dieses Land hat aber so etwas von fertig, es dauert halt nur noch etwas bis es bei allen angekommen ist, was für Lichtgestalten in D z. Z. das Sagen haben.

Last edited 2 Jahre her by R.Baehr
stdue
2 Jahre her

Ja die Kempfert hat einen wieder zum würgen gebracht, quasi sofort alles mit alternativer Energie möglich, ja keine Atomkraft u.a. verlängern. Warum fragt Plasberg da nicht wie lang das denn mit Alternativ ersetzen dauert wenn nicht mal die Stromleitungen liegen oder wieviel Jahre noch gebaut werden müssen? Nachdem sie dann auch das Speichern (Spahn mal super!) wegredete, hab ich umgeschaltet, nicht zu ertragen mehr sowas weltfremdes. WArum fragt keine wieviel tausende Windkraftwerke aller wieviel km mal dafür nötig sind, mit wieviel tausend Tonnen Stahl, Beton, Kupfer, seltene Erden für die Elektronik und Generatoren, aber der Wind ist ja umsonst. Empf.… Mehr

Alt-Badener
2 Jahre her

Ich hatte mir den Plasberg mal wieder angetan in der Hoffnung, dass nicht nur politisches Moralin verschossen wird. Allerdings, diese Kemfert war ja wieder mal der Oberhorror. Dass diese „Dame“ höchstbezahlt überall ihren Unsinn verzapfen kann, zeigt das ganze Dilemma dieses Landes. Wahrscheinlich ist sie auch eine dieser Quotendamen, die dieses Land mehr und mehr zur Lachnummer machen.

Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Und immer wieder die verpassten Chancen, die eine Talkshow erst interessant machen würden: da wird vom FOCUS schon mal erwähnt, dass wir für die „erneuerbaren Energien“ noch keine Speicher haben, Frau Kempfert aber eilfertig betont, wir hätten ausreichend Speicherkapazität und was passiert? Nichts, ein Journalist, der sein Geld wert ist, hätte hier sofort ein geharkt und Frau Kempfert die Beichte abgenommen, aber so ist es, mit immer den selben Typen und ohne Naturwissenschaftler, nur einfach verlorene Zeit. Zur Zeit wird 38% der elektrischen Energie durch PV erzeugt, 31% durch Kohle, 1,8% durch Windkraft, das ergibt jede Menge Überschußstrom, der ins… Mehr