Wein goes Woke

Bei der diesjährigen Wahl der deutschen Weinkönigin in Neustadt an der Weinstraße siegte die Moselanerin Anna Zenz – doch der erste Weinkönig war ihr dicht auf den Fersen. Und die erste „Wein-Transfrau“ des Jahres dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Von Georg Etscheit

picture alliance/dpa | Hannes P Albert
Anna Zenz. Die traditionsreiche Wahl der Deutschen Weinkönigin wird nach fast 80 Jahren umbenannt in «Wahl der Deutschen Weinmajestät», weil erstmals männliche Bewerber teilnahmen

Als die Welt noch in Ordnung war, trugen angehende Weinköniginnen Dirndl, hielten einen überdimensionierten Weinrömer in der Hand und tanzten Walzer. Ein bisschen Oberweite konnte auch nicht schaden, um von Honoratioren hofiert zu werden. Frei nach dem Vorbild des Generaldirektors Heinrich Haffenloher in „Kir Royal“, der sich bei Klatschreporter Baby Schimmerlos darüber beklagt, immer nur seine „langweiligen Direktoren, langweiligen Chemiker und meine totlangweilige Alte“ zu Gesicht zu bekommen. „Und einmal im Jahr die Weinkönigin von Kleinweilersheim, und die küsse ich dann. Das erlaubt mir meine Olle, gerade noch.“

Das übergriffige Abbusserln hat sich natürlich längst erledigt. Zumal bei der Wahl der „Deutschen Weinmajestät“ 2025/2026 – so die geschlechterneutrale Formulierung – auch ein gewisser Levin McKenzie im Finale stand. Der Winzer und Wein-Influencer aus Rheinhessen, dem größten deutschen Weinanbaugebiet südwestlich von Mainz, war einer von zwei Männern, die sich ursprünglich um den Titel beworben hatten, der erstmals Cis-Menschen offenstand. Außerdem standen vier Frauen zur Wahl: Emma Meinhardt (Saale-Unstrut), Anna Zenz (Mosel), Katja Simon (Hessische Bergstraße) und Lucia Winterhalter (Baden).

Die traditionell im historischen Saalbau in Neustadt an der Weinstraße veranstaltete Kür hatte dem Veranstalter, dem „Deutschen Weininstitut“ (DWI), einen schönen PR-Erfolg eingetragen. Einen deutschen Weinkönig, das hätte es noch nie gegeben in der Geschichte des seit 1949 ausgetragenen Wettbewerbs. Dass es mit Anna Zenz am Ende doch wieder eine Frau wurde, verschafft der Institution eine gewisse Atempause. Aber vielleicht überspringt man im nächsten Jahr die Männerstufe und kürt gleich die erste Wein-Transfrau des Jahres. Dann wäre auch die einstmals eher konservative deutsche Weinwirtschaft glücklich in der Welt des Gendermainstreaming angekommen.

Beim DWI handelt es sich um die Marketingorganisation der Deutschen Weinwirtschaft mit Sitz im rheinhessischen Bodenheim. Die dortige Adresse wurde beim Umzug aus der Landeshauptstadt Mainz 2016 in „Platz des Weines 2“ geändert, davor lautete sie „Am Kümmerling 35“, was den Werbeleuten wohl zu kümmerlich vorkam. Von einer Krise des deutschen Weins war damals noch keine Rede. Nun ist sie da die Krise, der Weinkonsum sinkt, weil junge Leute in der woken Adidasgesellschaft Alkohol meiden. Die Hälfte aller Betriebe soll gefährdet sein. Über die sich anbahnende Misere konnte auch die live im SWR übertragene Show um die Wahl der deutschen Weinmajestät mit ihrer outrierten Unbeschwertheit nichts ändern, eine Mischung aus „Deutschland sucht den Superstar“ und Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ mit reichlich Fremdschampotential.

Den ersten Weinkönig gab es im Juni 2024 schon auf lokaler Ebene, als im Weinort Heimersheim im Ahrtal Felix I. zum ersten männlichen Amtsinhaber gekürt wurde. „Ein historischer Moment“, schrieb die „Rheinpfalz“; der Geschäftsführer des Ahrtal-Tourismus frohlockte, der erste Weinkönig sei ein „wichtiges Zeichen für Modernität und Vielfalt“ – die das Ahrtal, wo fast ausschließlich Rotwein wächst, durchaus gebrauchen kann.

Im September 2024 machte dann Levin McKenzie als erster Weinkönig in Rheinhessen Furore. Er trug statt einer Krone eine güldene Amtskette. Auch als erster gesamtdeutscher Weinkönig hätte der 26-Jährige eine Amtskette getragen, wie sie gelegentlich noch traditionsbewusste Bürgermeister oder Universitätspräsidenten anlegen. Bei der neuen „Königskette“, so das DWI, sei auf ein „modernes und leichtes Erscheinungsbild“ geachtet worden, welches die „Formensprache der Krone der Deutschen Weinkönigin“ aufgreife. Sie bleibt vorerst im Fundus.

Dass die Weinwelt in Sachen „Diversität“ Fortschritte macht, beweist auch die vor einigen Jahren durch die Medien gereichte erste transsexuelle Kellermeisterin namens Simona (vormals Simon) Maier, die einmal als Badische Weinprinzessin amtierte. Im Auftrag einer Supermarktkette kreierte sie eine ONE LOVE-Edition der Badischen Winzergenossenschaft, darunter ein „Blanc de noir“ – ein Weißwein, der aus roten Trauben bereitet wird. Er soll „sinnbildlich für Simona Maiers Leben“ stehen.

Dumm nur, dass ausgerechnet eine ehemalige Weinkönigin auf die Bremse tritt und zwar in Gestalt der amtierenden Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Sie wurde 1995 für ein Jahr zur deutschen Weinkönigin gewählt und ist protokollarisch nach dem Bundespräsidenten aktuell die Nummer zwei im Staate Deutschland. Jüngst hatte sich die CDU-Politikerin bei den LGBTQIA-Propagandisten mächtig in die Nesseln gesetzt, als sie untersagte, zum „queeren Feiertag“ CSD die Regenbogenflagge auf dem Reichstag zu hissen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 5 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

5 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Buck Fiden
2 Monate her

Ich meld´ mich, werde Weinkönig. Irgendeiner muss die ganzen Ehrenjungfrauen küssen, die Ochsen schlachten und dafür sorgen, dass der Wein auf den Tisch kommt. Gegen Bezahlung, also muss auch einer dann Inkasso machen. Ich helfe gerne gegen Geld! Nix Gender sondern „Gend er noch e dröpsche einschenge?“ Gut, bis zum Antritt meiner Regentschaft habe ich auch die Dialekte drauf und brauche nicht in den sprachlichen Erinnerungsmustern von „Zum blauen Bock“ (Cheesus, also Jesses, so alt bin ich schon, dass ich das noch kenne?) wühlen. Bembel voll – toll! Bembel leer = Schrei nach mehr! Gut, nach meiner Regentschaft gehe ich… Mehr

Last edited 2 Monate her by Buck Fiden
Kaesebroetchen
2 Monate her

Wenn die erste Trans-Königin gewählt wird, stelle ich den Konsum von Wein aus dieser Region für den Rest meines hoffentlich noch langen Lebens ein. Die Winzer sollten besser an die ähnlich gelagerten Ereignisse um Bud Light denken. Auch wir können das, nicht nur die Amerikaner.

Marcel Seiler
2 Monate her

Einen Weinkönig finde ich eher uninteressant, aber jedem das Seine.

Eine queere Flagge auf dem Reichstagsgebäude jedoch ist hart an der Grundgesetzwidrigkeit. Das Symbol Deutschlands und des deutschen Volkes ist die Deutschlandfahne. Unter dieser Fahne können und sollen sich (symbolisch) die Staatsbürger versammeln. Den Staatsbürgern anzudeuten, sie sollten sich unter der Fahne einer aufmerksamkeitsheischenden Minderheit versammeln, ist eine Zumutung, eine Frechheit und hart an der Grundgesetzwidrigkeit. Wenn Frau Klöckner das ablehnt, dann nicht aus LGBTQ-Feindlichkeit, sondern aus völlig korrektem Amtsverständnis.

Last edited 2 Monate her by Marcel Seiler
alter weisser Mann
2 Monate her

Eine Branche auf dem absteigenden Ast des Weinkonsums, die auch noch anfängt, woke Spielchen zu spielen ….
Wer bei sowas mitwirkt, der muss sich nicht wundern, wenn die Leut ihn für unterbelichtet halten.

Last edited 2 Monate her by alter weisser Mann
ceterum censeo
2 Monate her

„Außerdem standen vier Frauen zur Wahl.“ Wieee? Kein Asylant? Kein LGBTQ+/- Vertreter*innen/außen? Was ist da los im DWI? Soo wird das aber nichts mit dem anbiedern an den (auf dem Abstieg befindlichen) woken Zeitgeist!…