… und Zeichner Zeller einen Zeichenstift

Wer Bernd Zellers neuen Cartoon-Band durchliest, wird schnell zu der Ansicht gelangen, dass der Stift eines Zeichners mindestens genauso bissig sein kann wie die Zähne eines Hais.

Als Chefredakteur liebt man manche Autoren für die Qualität ihrer Texte, ihre Bissigkeit – und hasst sie für ihre Unzuverlässigkeit. Und es gibt Autoren, die liefern pünktlich, aber glanzlos. Solche wie Bernd Zeller gibt es wenige: Seit dem ersten Tag von Tichys Einblick liefert er pünktlich seine Doppelseite; und jedes Mal glänzt sie, jedes Mal beißt er zu mit nimmermüder Angriffslust.

Bernd Zeller ist der Idealtyp, der Chefredakteure und Leser gleichermaßen glücklich macht. Unglücklich macht er die aufgespießten Protagonisten des Grünen Reichs. Einerseits machen sie es ihm schwer, etwa wenn Rheinland-Pfalz künftig queeren Wein prämiert. Schmeckt man queer und wenn ja, wie – und will man das? Andererseits ist das Leben von Karikaturisten wie Kabarettisten schwer wie nie: Immer wieder überholt die Wirklichkeit die wüsteste Fantasie – denn wer käme auf die Idee, queeren Wein zu erfinden?

Zeller ist unermüdlich. Sein Motto: „Wenn ich schon selbst nicht an der Wende mitgewirkt habe, dann muss ich sie wenigstens verteidigen.“ Gestählt im Ertragen des ehemals real existierenden Sozialismus, legt er nun mit „Furcht und Elend des Grünen Reiches“ seinen elften Cartoon-Band vor.

Er fängt mit einfachen Fingerübungen an wie „Muss es Hamsterinnenkäuferinnen heißen oder Hamsterkaufende?“, um dann ein Schiff nach dem anderen zu versenken: „Wer die Falschen sind? Na alle, die sich nicht von den Falschen distanzieren. Wer denn sonst?“ Oder: „Selber denken ist doch nur ein Euphemismus für Oppositionsgeist!“

Allein der Titel des gebundenen Buches ist schon eine riesige Provokation, auch falls man die literarische Anspielung auf Brecht nicht bemerken sollte. Die Brecht’sche Klage über den Selbstbetrug der Menschen sowie deren vor[1]auseilende Anpassung in dunklen Zeiten wird beeindruckend treffend auch in der Gegenwart mit Mitteln der Satire bestätigt und gespiegelt.

Und der Haifisch, der hat Zähne …
Armer Brecht! Niemand würde sich mehr wundern über den aktuellen linken Zeitgeist als der große Autor. Würde er Zeller für seine Bühnenbilder engagieren? Eine Alternative wäre das für Zeller durchaus, denn in der Realsatire, in der wir alle auf die Bühne gezwungen werden, blamiert sich das erlesene Personal in Politik und „Zivilgesellschaft“ in derart atemberaubendem Tempo, dass der Cartoonist Gefahr läuft, nicht mehr Satiriker sein zu können, sondern nur noch seine Chronistenpflicht zu erfüllen.

In dieser Arbeit als subversiver Chronist ist Zeller jedoch unerreicht, denn niemand vermag es, so treffend und entlarvend diesen Zeitgeist aufs Papier zu nageln – komprimierter und essenzieller als jede kulturwissenschaftliche Analyse.

Beispiel gefällig, wie er über Bande etwa die Corona-Politik fundamental desavouiert? „Die Gefängnisse sind überlastet. Wir brauchen eine Ausgangssperre, um die Kriminalitätsrate in den Griff zu kriegen.“  – „Das ist gut, veranlassen Sie einen Alarmruf der Gefängnisvorstände und Expertenstudien!“

Bei Zeller kommt zum bissig-subversiven Witz hinzu, dass er es vermag, komplexe gesellschaftliche Probleme in nur einer Szene in ihrer Absurdität und Brisanz auf den Punkt zu bringen. Bei ihm geht es um Aufklärung um jeden Preis – auch den der unpopulären Verletzung von Gefühlen.

Sigmund Freud hat einmal begründet, warum man Witze so schnell vergisst. Er erklärte, „dass der humoristische Lustgewinn aus erspartem Gefühlsaufwand hervorgeht“, also dass das mit der Witzsituation aufgeworfene Problem sich in der Pointe löse und deshalb danach für das Hirn nicht erinnerungswürdig sei. So ist es auch eine übliche Erwartungshaltung gegenüber Satire und Cartoons, dass sie einfach gute Stimmung verbreiten. Bei Zellers Werken lösen die Pointen ein Lachen aus, das dem Leser oft im Halse stecken bleibt. Denn die adressierten Missstände bleiben ja und sind oft einfach zu monströs, um gedanklich sofort wieder ad acta gelegt werden zu können.

Zeller ist ein Meister darin, die logischen Widersprüche des Zeitgeists so auf die Spitze zu treiben, dass es richtig wehtut und eigentlich nur Fremdscham darüber möglich ist, wie man diese einst so erfolgreiche Bundesrepublik aktiv so verkommen lassen konnte.

Bernd Zeller, Furcht und Elend des Grünen Reiches. Solibro Verlag, Hardcover mit Überzug,104 Seiten, 20,00 €


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Kommentare ( 5 )

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Micci
1 Jahr her

Eines seiner Bücher habe ich alleine schon wegen eines speziellen Cartoons darin gekauft. Dieser Cartoon schafft es, die künftige Geschichtsschreibung Deutschlands der Epoche 2005 – 2020 in einem Zweizeiler zusammenzufassen:
„Was würden Sie der Bundeskanzlerin gerne sagen?“
„Sie sind verhaftet!“

Teiresias
2 Jahre her

Der Titel ist schon genial.

Die alten Imperien (wilhelminisch, zaristisch, viktorianisch) blendeten die Untertanen mit Glanz und Gloria.

Glanz und Elend jener Epoche sind ein vielzitierter Topos.

Das grüne Reich bietet statt Glanz, Stolz und Ruhm nur Furcht und Scham.

Es ist die Leistung des Autors, dabei mitzuhelfen, ein Bewusstsein für den imperialen Charakter der ökoreligiösen Bewegung zu schaffen.

Otis.P. Driftwood
2 Jahre her

Zeller ist d a s subversive Genie der zeitgenössischen Satire.Er ist einmalig. Karl Kraus hätte seine Freude an ihm gehabt. Seine sprachlichen Zaubereien legen wie ein Seziermesser die Dummheit und Hohlheit der polit-medialen Eliten frei, kongenial seine Zeichnungen. Die Zeller Zeitung ist die FAZ der Gegenwart!

Heiko 16
2 Jahre her

Ich stimme Tichy uneingeschränkt zu. Zeller ist atemberaubend produktiv. Und trotzdem habe ich noch keine Zeichnung von ihm gesehen oder einen Satz von ihm gelesen, wofür er sich m.E. schämen müsste. Genial, wie er Physiognomie, Mimik und Duktus der Protagonisten des grünen Reichs und ihrer Trittbrettfahrer in Medien, „Wissenschaft“ und „Zivilgesellschaft“ in seinen Zeichnungen einfriert. Nicht zu vergessen seine Wort- und Betonungsschöpfungen wie z.B. „Rameljow“. Mein absoluter Favorit ist die Zeichnung einer properen vollverschleierten Frau, die den Werbeslogan des Verkehrsministeriums für das Tragen von Fahrradhelmen „Looks like shit but saves my life“ rezitiert.

EURO fighter
2 Jahre her

Stimmt! Zeller ist gut. Hätten wir staatsferne TV-Anstalten, hätte Zeller einen Primetime-Sendeplatz.