Der Weg zum Frieden

Kants Altersschrift „Zum ewigen Frieden“ erschien im Jahre 1795 und gehört zu dessen bedeutendsten Werken. Sie gilt als Grundlage moderner Bedeutungen des Friedensbegriffes.

In dieser Schrift wendet Kant seine Moralphilosophie auf die Politik an, um die Frage zu beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein dauerhafter Frieden zwischen den Staaten möglich wäre. Frieden ist kein natürlicher Zustand zwischen den Menschen, sondern er muss gestiftet und gesichert werden. Dies ist die Aufgabe der Politik.

Die Politik hat andere Interessen, als sich der kosmopolitischen Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems, eines allgemein gültigen Friedens unterzuordnen. „Denn das Recht der Menschen muss heiliggehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten.“ Dieser Frieden muss mehr als nur ein Waffenstillstand sein, denn nur der Ausgang aus der Unfriedlichkeit nimmt auch die Drohung des Krieges und lässt den Frieden „ewig“ werden.

Die Staaten sind nicht Eigentum der Fürsten, sondern eine vertraglich begründete Gesellschaft von Menschen, sie befinden sich aber gleichwohl auf Grund ihrer Rüstungsbereitschaft in einem Zustand des potenziellen Krieges. Um den dadurch entstandenen Zustand eines Sicherheitsdilemmas zu überwinden, setzt Kant auf das Recht und stellt in seiner Schrift dazu die folgenden drei Definitivartikel auf:

Erstens: Die bürgerliche Verfassung in jedem Staat soll republikanisch sein. Darunter versteht er eine repräsentative, gewaltenteilige und auf Recht gegründete Verfassung, die die Freiheit der Bürger durch Unterwerfung aller unter die Gesetze bei staatsbürgerlicher Gleichheit voraussetzt.

KANTS KLASSIKER »ZUM EWIGEN FRIEDEN«
Europa hat sich im Krieg verwirrt
Bei dieser Regierungsform besteht die Pflicht, die Zustimmung der Bürger zum Krieg einholen zu müssen. Kant geht jedoch davon aus, dass die Bürger die Zustimmung nicht erteilen würden, da sie das Unheil des Krieges kennen und es nicht freiwillig über sich selbst bringen würden.

Zweitens: Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein. Völker, als Staaten, können wie einzelne Menschen angesehen werden, die sich in ihrem Naturzustand schon durch das Nebeneinandersein gegenseitig bekämpfen. Um der eigenen Sicherheit willen sollen sie in eine bürgerlich ähnliche Verfassung treten, wo jedem Staat sein Recht gesichert werden kann. Diese Verfassung wäre ein Völkerbund.

Drittens: Das Weltbürgerrecht soll auf die Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein. Dieser Artikel formuliert das Besuchsrecht. Es regelt transnational-nichtstaatliche Bedingungen des Friedens. Grenzüberschreitende Kontakte sollen möglich sein, allerdings nicht zur kolonialen Ausbeutung und Aneignung, sondern zur Ermöglichung einer gegenseitigen Abhängigkeit und eines globalen Rechtsbewusstseins.

Dieses globale Rechtsbewusstsein bewirkt, dass Unrecht, das an einem Platz der Erde an allen Plätzen gefühlt wird. Die Idee des Weltbürgerrechts ist eine notwendige Ergänzung zum öffentlichen Menschenrecht und somit auch zum ewigen Frieden. Hospitalität ist kein Gastrecht, sondern ein Besuchsrecht, das allen Menschen zusteht, aufgrund des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Erdoberfläche, auf  der man sich nicht aus dem Weg gehen kann, sondern sich miteinander arrangieren muss, weil  keiner mehr recht hat, an einem Ort der Erde zu  sein, als ein anderer. Erst dieses globale Empfinden  undet die Bedingungen der Möglichkeit des Friedens ab.

Kants Schrift wird den liberalen Staatstheorien zugeordnet. Die Charta der Vereinten Nationen wurde wesentlich von ihr beeinflusst.

Auszug aus:
Helga Ranis, Leichter leben mit Philosophie.
Quell-Verlag, Taschenbuch, 200 Seiten, 14,90 €.


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Kommentare ( 2 )

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Simplex
3 Monate her

Die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert. Kant konnte z.B.den IS-Terrorismus und die Atombombe noch nicht vor dem geistigen Auge haben. Der technologische Wandel hat dem Krieg ein ganz anderes Gesicht gegeben. Selbst Staaten, aufgeklärte Monarchien, sind als Kriegsparteien nicht mehr erforderlich. Vernunft – die hat er überschätzt. Die Masse ist tumb und zum Gehorchen erzogen, auch mit repressiver Gewalt, wie man es auch in Deutschland beobachten kann. Eher würde er von dem Standpunkt aus einen totalitären Staat mit dem Ideal vom „guten Herrscher“ vorziehen. Hier treffen sich Kant und Rousseau sowie auch Platons Staat. Denn nur der Diktator, oder eine… Mehr

humerd
3 Monate her

. Kant geht jedoch davon aus, dass die Bürger die Zustimmung nicht erteilen würden, da sie das Unheil des Krieges kennen und es nicht freiwillig über sich selbst bringen würden.
und hier irrt Kant, wie aus der Geschichte bekannt und dem aktuellen Kriegsgeschrei derzeit zu entnehmen ist.